Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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Gnade für ihren Mann erkaufen zu müssen, und das Mädchen vermochte, wiewohl es sich entsetzte und verloren gab, keinen Widerstand zu leisten. Durch Demut und Zärtlichkeit suchte sie einen neuen Ausbruch seiner seltsamen Wut zu beschwören, indes er sie mißtrauisch beobachtete, weil es ihm schien, als sei sie traurig und verlange nach Hause. So waren mehrere Wochen vergangen, als er eines Abends, nachdem er mehr Wein als gewöhnlich getrunken hatte, sie aufforderte, sich zu ihm zu setzen und mit ihm zu trinken. Ihre Weigerung reizte ihn, und es kam ein Blick in seine Augen, der ihr eine schreckliche Erinnerung einflößte und ihre Glieder lähmte. Als er ihre Angst sah, verriegelte er Tür und Fenster, warf sie auf das Bett und ließ nicht von ihr ab, bis sie tot war; ihren empfindungslosen Körper zerriß und zerhackte er, worauf ihn plötzlich die Kräfte verließen.

      Das geschehene Unglück suchte man nach Möglichkeit zu vertuschen. Der Barbier, der im Gefängnis schwer erkrankt war, wurde zunächst darin gelassen, damit sein Geschrei das Übel nicht vermehre; später dachte man, wenn es noch nötig sei, ihn durch Geld abzufinden. Freilich sah der Statthalter ein, daß ernstliche Maßnahmen getroffen werden müßten, um den Unhold an der Ausübung weiterer und vielleicht empfindlicherer Abscheulichkeiten zu verhindern.

      Philipp Lang unternahm es, den Kaiser von dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen, machte aber durchaus nicht den Eindruck damit, den man gefürchtet hatte. Das Mädchen hätte sich vorsehen sollen, meinte der Kaiser, man könne nicht für jede Hure in der Welt aufkommen. Das sei wohl wahr, sagte Lang; aber es sei doch wohl an dem, daß der junge Herr ein wenig hauptkrank sei, wie die Ärzte wissen wollten, und man tue daher vielleicht am besten, wenn man ihn der Bewachung eines geschickten Arztes sowie eines Geistlichen anvertraue, die wechselweise mit Purganzen und Bußpredigten, wie es sich eben schicke, ihren Vorteil an ihm wahrnehmen könnten. »Meinetwegen«, sagte der Kaiser; man solle nur gründlich mit ihm abfahren, ihm sei alles gleich. Seine Söhne taugten nichts, frönten auf seine Kosten einem üppigen Leben, ohne es ihm zu danken. Er ziehe jetzt die Hand von Don Giulio ab, und es dürfe bei seiner Ungnade künftig nicht mehr von ihm geredet werden.

      In der habsburgischen Familie wurde diese Geschichte Don Giulios mit Schadenfreude und Entrüstung besprochen und bestärkte sie in der Meinung, mit Rudolf gehe es abwärts, und sie müßten sich zusammenschließen, damit er nicht das ganze Haus in den Abgrund ziehe. Schon im Jahre 1606 hatten sie unter sorgfältigen Vorkehrungen zur Geheimhaltung ihres Unterfangens einen Vertrag abgeschlossen, nach welchem Matthias, als der Älteste, zu ihrem Haupt angenommen werden und befugt sein sollte, im Falle der Not etwas Entscheidendes vorzunehmen.

      Rudolf hatte sich, nachdem er seines treuen Feldherrn beraubt war, dazu bewegen lassen, daß er Matthias in dem noch immer fortdauernden Türkenkriege den Oberbefehl übertrug, und unter dessen Leitung war es zu einem nicht gerade ungünstigen Friedensvertrage gekommen. Als nun aber der Vertrag dem Kaiser vorgelegt wurde, weigerte er sich zu unterschreiben, weil darin schimpfliche Verluste für ihn vorgesehen wären; der Krieg, sagte er, solle bis zur vollständigen Unterwerfung des Feindes fortgesetzt werden. Dagegen war zu erwidern, daß es zur Fortführung des Krieges an Geld fehle, daß die Ungarn sich mit den Türken verbinden würden und daß es dem doppelten Angriff zu widerstehen noch weniger möglich sein würde; aber Rudolf entgegnete, er wisse recht gut, daß Matthias durch den Frieden das Heer frei bekommen wolle, um es nach Prag zu führen und ihm, seinem Bruder, die Krone zu entreißen; dahin wolle er es nicht kommen lassen.

      Diesen Verdacht galt es dem Kaiser auszutreiben, und da Matthias sein Gewissen nicht rein fühlte, auch die Abneigung des Bruders gegen seine Person sich nicht zu überwinden getraute, machte sich Khlesl nach Prag auf, um den Kaiser von seines Schützlings Unschuld und Ergebenheit zu überzeugen. Bei dem Hasse Rudolfs gegen Matthias war diese Reise nicht ohne Gefahr für den Bischof, und viele warnten ihn, er solle seinen Kopf nicht mutwillig in des Löwen Rachen stecken; aber Khlesl ließ sich nie durch Befürchtungen für seine Person von einem Unternehmen abhalten, auch weil er sich als Werkzeug Gottes noch zu vielen Taten und Ehren vorbehalten glaubte. Freilich konnte er sich in Prag neuer, unbehaglicher Gefühle nicht immer erwehren. An das kleine, bürgerliche Wien gewöhnt, wo ihn jedermann kannte und ehrfürchtig grüßte, schien er sich fast in einen anderen Erdteil und unter barbarische Fremdlinge versetzt, deren Blick teils gleichgültig, teils mit feindseliger Drohung auf ihm ruhten. Wenn sie hier ein Bubenstücklein an dir verüben wollten, ging es ihm zuweilen durch den Sinn, so möchte es wohl lange währen, bis ein Hahn danach krähte; aber er ließ das nicht aufkommen, sondern beruhigte sich damit, daß Gott den Khlesl schon nicht werde sinken lassen.

      Eine Audienz erwirkte Philipp Lang, gemäß seinem Grundsatze, es mit Matthias nicht ganz zu verderben, der früher oder später doch den neuen Kaiser abgeben würde; freilich mußte Khlesl geloben, nichts, was dem Kaiser empfindlich sein könnte, vorzubringen. Während er durch lange Gänge und über dunkle Treppen zu dem kaiserlichen Vorgemach geführt wurde, kamen ihm die seltsamen Gerüchte über des Kaisers schwarzblütige Einfälle zu Sinne nebst den beklemmenden Anwandlungen, denen er sonst nicht unterworfen war. Er erinnerte sich, wie manches Mal er den Kaiser in vertraulichen Gesprächen einen Bärenhäuter, Lügenvater und Schmutzfinken genannt, ja daß er ihm Schwachgläubigkeit und mangelnden katholischen Eifer vorgeworfen hatte, und er dachte, wie leicht er hier oben in einem plötzlich sich öffnenden Verlies für immer verschwinden könnte. Vorwärts, Khlesl, raunte er sich zu, die Furcht kommt vom Teufel! und sie wich denn auch mit einem Schlage von ihm, als er dem Kaiser gegenüberstand, dessen Blick sich in die Augenhöhlen zurückzuziehen schien und der ihm mit vornehmer Liebenswürdigkeit die Hand reichte. Leise und langsam sprach er dabei sein Vergnügen aus, den berühmten Bischof kennenzulernen, der so viel für die Wiederherstellung der Kirche getan habe, und zeigte sich über diese Verhältnisse gut unterrichtet. Unwillkürlich duckte sich Khlesl zusammen, als wisse er mit seiner großen, mageren, starkknochigen Person dem sanften, verborgenen Manne vor ihm nicht beizukommen, und begann von seiner Anhänglichkeit an die Majestät zu sprechen, woran er die Bitte knüpfte, der Kaiser möge doch etwaigen Verleumdungen keinen Glauben schenken, sondern ihn als den ergebensten seiner Diener betrachten. Er hatte jedoch den Satz kaum vollendet, als er sich durch ein gelindes Kopfnicken und freundliches Handwinken des Kaisers aus dem Zimmer geschoben fühlte und sich nach wenigen Minuten zwar unbeschädigt, aber ohne irgendein Ergebnis errungen zu haben wieder vor die Burg versetzt sah.

      An eine zweite Audienz war nicht zu denken, ohnehin bedurfte der Kaiser mehrere Tage, um sich von der Anstrengung dieses Empfanges zu erholen. Von der Falschheit und Raublust des Matthias nur desto mehr überzeugt, blickte er angstvoll nach jemandem aus, der ihn vor seinen Feinden schützte. Durch die Donauwörther Sache verpflichtete er sich den Herzog von Bayern, bereute es aber, sowie es geschehen war, und hätte es gern rückgängig gemacht. Wie hatte er auf Kosten der Reichsstädte, deren stets gefüllte Kasse ihm in so manchen Verlegenheiten ausgeholfen hatte, den ehrgeizigen, heimtückischen, nur allzu mächtigen Fürsten bereichern können? Hätte er es nicht lieber mit den Evangelischen halten sollen, von denen er in seiner Umgebung so oft hörte, daß sie ihm ergebener wären als seine Glaubensgenossen und daß sie nicht, wie die Jesuiten, den Königsmord für eine erlaubte Sache hielten?

      Die bedrängte Lage des Kaisers, die an den Höfen im Reiche wohlbekannt war, brachte den unternehmendsten unter den deutschen Fürsten, Christian von Anhalt, auf den Gedanken, daß die Protestanten sie benützen müßten, um ihre Stellung durch Anschluß an das Reichsoberhaupt zu befestigen. Dieser Prinz, dessen munteren, tapferen Geist die Sorge für sein kleines Land nicht ausfüllte, hatte eine Statthalterschaft im pfälzischen Dienst angenommen, die ihn in lebhafteren Zusammenhang mit den Welthändeln brachte. Reisen und Briefwechsel vermittelten ihm die Kenntnis von allem, was vorfiel, und lieferten ihm dadurch den Stoff zu stets neuen Anschlägen im Interesse seiner Glaubenspartei. Auch in Prag war er schon einmal gewesen, hatte dort Beziehungen zum böhmischen Adel angeknüpft und war sogar vom Kaiser empfangen und mit Auszeichnung behandelt worden. Mit der Überzeugung, daß es seiner Kühnheit und Schlauheit nicht fehlen könne, trat er die Reise an. Von den protestantischen Herren in Prag wurde er gut aufgenommen, und ihre Gastfreundschaft entzückte ihn; fast verwunderlich kam es ihm vor, daß sie so viel Wert auf den Beistand der Union legten, da doch die deutschen Fürsten, an ihrem Reichtum gemessen, arme Schelme waren. Die reformierten Herren Wenzel von Budowa, Ruppa und Erasmus von Tschernembl, der bedeutendste Standesherr von Österreich,


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