Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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fühle, als bohre sich ein glühender Nagel in meinen Kopf und als zerschmölze mein Gehirn zu Gallert und fließe aus.« Das freilich schmecke nach Zauberei, sagte Lang; er kenne aber einen alten Juden, der wisse einen Gegenzauber, bei Tage wolle er ihn auf die Burg kommen lassen. Einstweilen solle der Kaiser sich wieder niederlegen und zu schlafen versuchen. In der Tat legte sich der Kaiser, damit Lang ihn verließe; es war ihm plötzlich eingefallen, daß es auch Lang sein könnte, der ihn vermittelst Zauber zu Tode quälte, wenn er mit solchen Leuten Umgang hatte. Er konnte es im Auftrage des Matthias tun oder um böser Lust zu frönen; der Schweiß tropfte ihm von der Stirn, indem er bedachte, wie nah er seinen Henker bei sich hätte. Als Rhutsky am Morgen in seine Kammer trat, winkte er ihn zu sich und fragte ihn leise, ob er oder einer von den anderen Dienern den Lang jemals bei verbotenen Künsten ertappt hätte. Er solle es bei seinem Leben bekennen.

      Rhutsky fiel auf die Knie und gestand endlich, er habe lange schon den Argwohn, daß Lang ihn, den Kaiser, behext habe. Er solle sich aber nicht merken lassen, daß er ihm auf der Spur sei, sonst könne es ein böses Ende nehmen; nur solle er Lang unter diesem und jenem Vorwande nicht so viel an sich heranlassen, und wenn er ihn berührt hätte, sich darüber bekreuzen.

      *

      Zu seinem Stellvertreter bei dem Reichstage, den das immer dringender werdende Geldbedürfnis notwendig machte, ernannte der Kaiser seinen Neffen Ferdinand von Steiermark, der ihm weniger anstößig war als seine Brüder. Den Protestanten war das unlieb, denn die Gewaltsamkeit, mit der Ferdinand in seinem Lande das evangelische Bekenntnis ausgerottet hatte, ohne Erbarmen mit dem Jammer der Betroffenen zu haben und selbst die Verödung seines Reiches nicht scheuend, hatte Mißtrauen und Abneigung gegen ihn erregt. Ferdinand war vergnügt, eine so bedeutende Rolle spielen und weithin wahrnehmbares Gepränge entfalten zu können; andererseits gab er seine häusliche Bequemlichkeit ungern auf und dachte mit Unlust an die verwickelten Schwierigkeiten, die es zu lösen galt. Er hatte vor einigen Jahren seine Cousine, die Schwester des Herzogs Maximilian von Bayern, geheiratet, nachdem seine Mutter unter Aufbietung ihres Ansehens und ihrer Strenge ein untunliches Liebesverhältnis, das ihn beherrschte, abgeschafft hatte. Nach einiger Zeit verliebte er sich denn auch in die Base, obwohl sie unansehnlich, schwächlich und kränklich war, und fühlte sich in der Ehe vollkommen befriedigt. Zwar fehlte es seiner Frau nicht an beschränktem Eigensinn, aber er zeigte sich fast nur in der Religion, wo es ihm recht war; ihm und seiner Mutter gegenüber war sie ganz Opfer und Hingebung. Diese, deren nie geschonter Körper allmählich mürbe zu werden begann, gewöhnte sich, den Herrscher in ihrem Sohne zu sehen, seit er einen eigenen Hausstand hatte, und so fühlte er sich zu Hause weich gebettet und geborgen und wußte nichts anderes, als daß es ihm überall und jederzeit gelingen müsse.

      Auf den Straßen nach Regensburg, wohin der Reichstag ausgeschrieben war, zogen Lastwagen die Vorräte für die Tafel der anwesenden Fürsten und Herren; von Gradisca kamen Austern, Thunfisch und Stockfisch, von Triest allerhand Südfrüchte, vom Breisgau Wein, von Linz gesalzener Hecht und Konfekt. Die Fuhrleute, die die Frachten begleiteten, waren sorglich in Schafpelze gewickelt; denn der Winter war kälter, als er seit Menschengedenken gewesen war. Der Schnee war hart gefroren und bog sich wie eiserne Stangen unter den Füßen; man erzählte sich, daß irgendwo der Wein im Keller erfroren wäre.

      Die protestantischen Fürsten erschienen nicht selbst, sondern waren durch Gesandte vertreten, die einmütig darauf unterwiesen waren, nichts zu bewilligen, bis die Justizreform, welche die Evangelischen verlangten, an Hand genommen sei. Über den Vorverhandlungen, was zuerst beraten werden solle, ob die Türkensteuer oder die Justizreform, vergingen Wochen, die den Protestanten manches unliebsame Erlebnis brachten. Nach einem Gastmahl, welches von katholischer Seite veranstaltet war, wurde einer aus der kurpfälzischen Gesandtschaft so krank, daß er mitten in der Nacht einen Arzt rufen lassen mußte. Dieser, ein Jude, untersuchte den Kranken, schüttelte den Kopf und fragte, was er gegessen und getrunken habe, ob er Feinde habe, die ihm etwas Giftiges beigebracht hätten? Nachdem er wiederhergestellt war, wurde er mit dem Arzt und seinen vertrauten Freunden einig, die Sache zu verschweigen, sich aber inskünftig vorzusehen. Andererseits war es bedenklich, Einladungen von der katholischen Partei auszuschlagen, da das als Mißtrauen konnte gedeutet werden. Einem anderen wurde nach einer Purganz, die er aus der Apotheke hatte holen lassen, so übel, daß er mehrere Tage das Bett hüten mußte. Wenn man nun aus der Apotheke für Heilmittel schädliches Gift erhielte, sagte man sich, wie sollte man denn in diesem Mordpfuhl sein Leben bewahren?

      In der Weihnachtszeit kam ein Jesuitenpater aus Rom, der dem Erzherzog Segenswünsche des Papstes überbrachte und der von den Katholiken als ein Phönix der Gelehrsamkeit und der Beredsamkeit gepriesen wurde. Wenn er predigte, war die Kirche von den fürstlichen und anderen hohen Herrschaften, die in großer Pracht aufrückten, angefüllt. Dahin zu gehen, unternahmen die Protestanten zwar nicht, aber es wurde manches von dem, was er gesagt hatte, gerüchtweise umgetragen wie auch gedruckt, so daß es jedermann lesen konnte. Es sei nun die heilige Zeit, hatte er in einer Predigt gesagt, wo das teure Gottessöhnlein zur Welt geboren sei und auf unbegreiflich wunderbare Weise jedes Jahr wieder herabgesendet werde. »Ach, wie gut werden ihn die frommen Knechte und demütigen Seelen empfangen! Da ist ja kein Herodes mehr, kein Lasterkönig, den es gelüstet, sich im Unschuldsblute zu besaufen! Armes Kindlein, du meinest es wohl; aber da stehen schon die heuchlerischen Pharisäer, fletschen die Zähne und stellen dir Fallen, um dich seraphisches Häslein zu fangen! Sie schreien Mord! und Feuer!, nennen Christum den Antichrist und werfen Seile aus, um die heilige Kirche zu erwürgen. Und wie steht es unterdessen mit den christlichen Gläubigen, die das Kindlein warten und schützen sollen? Ja, den Glauben hätten sie wohl, aber am Mut des Glaubens fehlt es. Wie Pilatus, der Trottel, für den Gott das Fegefeuer eingesetzt hat, waschen sie die Hände, halten Maulaffen feil und tratschen, während Herodes seinen Blutrat über das Kindlein hält. Drauf! Drauf, ihr Lauen! Zieret euch nicht, brecht den Wölfen die Zähne aus, die das Kindlein zerreißen sollen!«

      Allerdings wollten sich die Katholiken verantworten, als gingen solche Anspielungen auf die ungläubigen Heiden und die Gottlosen im allgemeinen; aber was davon zu halten war, lag am Tage. Der Regensburger Rat gab das Versprechen, der Drucker solle vernommen und bestraft werden, richtete aber trotz vieler Worte nichts aus, um es mit den mächtigen katholischen Fürsten, die anwesend waren, nicht zu verderben.

      Mit dem Erzherzog Matthias, der sich eine Zeitlang in Regensburg aufhielt, und seinem Abgesandten, dem Herrn von Starhemberg, waren die Evangelischen in leidlich gutem Einvernehmen, sehr zum Ärger Ferdinands, der mutmaßte, sein Oheim wolle mit den Glaubensfeinden paktieren, um sich ihres Beistandes zu rebellischen und gefährlichen Zwecken zu versichern. Eines Abends hatte der Erzherzog den pfälzischen Großhofmeister, Grafen Solms, und den Erzbischof Schweikhard von Mainz eingeladen, die etwa um Mitternacht zusammen aufbrachen. Der Erzbischof war ein stämmiger, aufrechter Herr, zwischen fünfzig und sechzig Jahren, mit rundem, fröhlichem Gesicht, der weder beim Zechen noch bei der Jagd oder im Gespräch ein Spielverderber war und weniger Anstoß an einem von dem seinigen abweichenden Glaubensbekenntnis nahm, als wenn einer seinen Lieblingswein verschmähte oder ein Rebhuhn nicht essen mochte, das er geschossen hatte. Seine Rede war, mit einem Biedermann könne man immer auskommen, einerlei ob er katholisch oder evangelisch sei, es sei töricht, sich das Leben mit Zwist und Hader zu verbittern, das ohnehin voll Ungebühr und Gefahren sei. Den Evangelischen gegenüber betonte er gern seine friedfertige, altdeutsche Gesinnung und stand in freundnachbarlichem Verkehr mit dem Kurfürsten von der Pfalz wie auch besonders mit dem gleichgesinnten, kaisertreuen Landgrafen von Hessen-Darmstadt.

      Indem nun der Erzbischof in seinen Wagen steigen wollte, der an der Tür auf ihn wartete, bemerkte er, daß Graf Solms und sein Begleiter Camerarius keinen hatten, und lud sie ein, zu ihm einzusteigen, er wolle sie nach Hause fahren. Sie wären fremd hier, es gäbe allerhand Gesindel und Raufbolde in einer großen Stadt, sie hätten selbst pokuliert und wären nicht so fest auf den Füßen wie sonst, sie könnten in den engen Gassen einen Schrecken davontragen. Graf Solms dankte, sie hätten nicht weit zur Herberge und wollten ihn nicht belästigen, noch viel weniger seine Nachtruhe verkürzen. Ob sie ihn für einen alten Mann ansähen? fragte der Erzbischof lachend; so wolle er ihnen etwas Besseres zeigen. Wollten sie nicht mit ihm fahren, so wolle er mit ihnen gehen, der Wagen könne langsam hinterdreinfahren. Es war weit und breit still, man hörte nichts als das leise Singen des


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