Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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aber, sie zu halten, er sei ein Reptil, das überall durchschlüpfe. Mit Matthias sei vielleicht eher etwas auszurichten, er könne die Hilfe der Protestanten durchaus nicht entbehren, und wenn man nur den Khlesl abschaffte, so werde er leicht zu regieren sein.

      Tschernembl sagte, die Habsburger hätten alle Prätensionen, die wären ihnen nicht auszutreiben, am besten würde man ganz ohne sie auskommen. Ja, sagte Ruppa, ein bescheidener und vernünftiger Fürst, der ihnen von vornherein ihre uralten Rechte verbürgte und ohne das nicht zugelassen würde, schickte sich besser für sie. Sie könnten dann Sorge tragen, daß er nicht um sich griffe und sich breit machte. Wozu man sich überhaupt damit belüde, meinte Tschernembl. Wenn sich die Stände von Österreich, Böhmen, Mähren und Schlesien verbündeten, so wären sie doch stark genug, selbst ihre Interessen wahrzunehmen. Auf Venedig, Schweiz, Holland und die Union könnten sie immer rechnen. Die Republiken hätten doch viele Feinde, meinte Graf Thurn kopfschüttelnd, und in diesen kriegerischen Zeiten wäre man ohne ein fürstliches Haupt übel versorgt, gleichsam als trüge man die Hosen ohne Gurt. Tschernembl verwies auf das Beispiel der Holländer; wachsam und einmütig müsse man sein, davon hänge alles ab. Man sähe zur Genüge an den griechischen und römischen Staaten, wie sie in der Freiheit geblüht hätten. Es sei leichter, sich äußerer als einheimischer Tyrannen zu erwehren; wie schwer wäre es, die Habsburger abzuwerfen, da sie einem einmal im Genick säßen.

      Christian von Anhalt hörte solchen Gesprächen, wo die Fürsten wie Würfel hin und her gespielt wurden, verwundert und mit heimlicher Mißbilligung zu, ließ sich aber nichts merken, auch weil er dachte, daß es damit noch gute Weile habe. Das üppige Wesen mit den Weibern, das in Prag im Schwange war, mißfiel ihm gleicherweise, und er hielt sich einigermaßen davon zurück. Er pflegte sich stets einen Raum in seinem Geiste wie eine Kapelle vorzubehalten, wohin Lärm, Schmutz und Ungeziefer der Weltgeschäfte nicht drang, wo der klare Hauch des reinen Gottesglaubens und hoher Menschlichkeit wehte und wo das Bildnis einer Frau thronte, die er inbrünstig liebte und die ihm angehörte, seiner Gemahlin, einer Gräfin Bentheim, mit der er nun seit etwa zehn Jahren verheiratet war. Was ihn umgab und was er tat, mochte hie und da einmal übel schmecken, das Bewußtsein, daß seine Seele, wann er wollte, sich in einem Paradiese läutern konnte, verlieh seinem Wesen einen anmutigen und stolzen Schwung.

      Hoffnung beschwingte seinen Schritt, als er den Weg zum Kaiser antrat, und blies wie ein frischer Flügelschlag mit ihm in das Gemach des Monarchen; er erwiderte Anhalts ehrfurchtsvollen Gruß freundlich, erinnerte ihn an ihre frühere Begegnung und ermunterte ihn, sich zutraulich zu äußern. Zunächst, sagte Anhalt, könne er nur Dank äußern, daß der Kaiser ihm das Glück seiner Gegenwart gewähre, Dank, daß er in diesem Augenblick nicht nur als der Untertan zu seinem Herrscher, sondern daß er als ein Fürst und ein Mann zu dem sprechen dürfe, von dem die Geschicke der Welt abhingen.

      »Sollte es Euer Liebden allein unbekannt sein,« sagte Rudolf wehmütig, »daß kaum ein Herr auf seinem Gute so verlassen und ohnmächtig ist wie der Kaiser?«

      »Der Kaiser winke nur,« sagte Christian lebhaft, »und das Reich ist gerüstet, seinem Befehl zu gehorchen.« Der Kaiser kenne ja nur einen kleinen Teil des Reiches, er solle doch einmal nordwärts reisen, da werde ihm alles zu Füßen liegen. Er solle doch denen nicht Glauben schenken, die aus Unkenntnis oder Gehässigkeit ihm die Protestanten wie Heiden und Reichsfeinde abschilderten; sie selbst nennten sich Katholiken, denn sie hätten ja den alten Glauben nicht abgeschafft, sondern in seiner ursprünglichen Reinheit wiederhergestellt. Könnte er nur die Herzen der evangelischen Untertanen aus ihrer Brust nehmen und aufmachen wie einen Schrein, so würde er das Bild des Kaisers als ein Heiligtum darin verschlossen finden. Möchte er nur zwischen den Parteien ein gerechter Schiedsrichter sein und den Beschwerden der Evangelischen abhelfen, so würde der Frieden im Reiche wieder aufblühen. Könnten sie nur zu der Quelle gelangen, wo das Recht unverfälscht und unverstopft fließe, so würden die evangelischen Fürsten des Kaisers treue Ritter und Erzengel sein. Warum sollte die alte Eintracht zwischen den Parteien sich nicht wieder begründen lassen? Hätten sie doch den gleichen Feind, den Türken, der über ihrem Streiten ausgelassen und mächtig geworden sei.

      Der Kaiser hatte Anhalt von Zeit zu Zeit durch einen Blick oder eine Handbewegung ermuntert, fortzufahren. Sein Auge ruhte mit Wohlwollen auf der ebenmäßig kräftigen Gestalt des Fürsten, aus dessen hübschem Gesicht Offenheit und Scharfsinn strahlten und von dessen Wesen eine Wärme ausging, die es ihm leicht machte, seinen Worten zu folgen. Nicht nur währte die Audienz außergewöhnlich lange, sondern der Kaiser beendete sie auch mit der Aussicht auf eine zweite und mit Andeutung, daß eine engere Abmachung die Folge sein könne.

      Noch im Laufe desselben Tages wurde der Kaiser an dem günstigen Eindruck, den er empfangen hatte, wieder irre. Er hatte sich, so schien es ihm nun, einem lustigen Feuer genähert, um sich daran zu wärmen, und würde sich schließlich daran verbrennen. Durch seine Keckheit, seinen Witz und seinen Schein von Offenheit hatte dieser Mensch ihn zu umgarnen gesucht, dem es doch zuletzt nur auf den Vorteil und Nutzen seiner Partei ankam. War Anhalt nicht ein berüchtigter Aufwiegler, der im Dienste Heinrichs IV. von Frankreich gestanden hatte und der es ohne Zweifel auch mit den holländischen Staaten, den Türken des Nordens, hielt? Ja, wenn er in den lästigen und leidigen Streitfragen, mit denen man ihn seit Jahren belästigte, zugunsten der Evangelischen entschiede, so würden sie ihn hilflos seinen Feinden ausliefern. Aufmerksam rief er sich alles zurück, was Anhalt gesagt hatte, ob ein Versprechen darin versteckt gewesen wäre, die Union würde ihm gegen Matthias zu Hilfe kommen. Gegen diesen listigen Fürsten galt es die Waffe umzukehren und ihn so zu bearbeiten, daß er ihm, dem Kaiser, die Dienste der Union zur Verfügung stellte und eine nach Belieben zu zahlende Rechnung dafür ausschriebe.

      Bei der zweiten Audienz spürte Anhalt sofort, daß mit dem Kaiser eine Veränderung vorgegangen war; er schien eine fremde Maske vorgebunden zu haben, der gegenüber der verwirrte Gast das herzliche Gespräch vom vorigen Male nicht wieder anzuknüpfen wußte. Er wisse wohl, sagte Rudolf, daß sein Bruder Matthias sich Hoffnung auf den Beistand der Evangelischen mache, auch sein Bruder Maximilian hätte mit diesen zu tun gehabt, er durchschaue alles, man solle im Reich nicht denken, daß ein Blinder oder ein Kranker auf dem Hradschin sitze. Dann plötzlich beklagte er sich, daß die Stände nachlässig im Zahlen der Türkensteuer gewesen wären und ihn dadurch zu einem schmählichen Frieden mit den Türken gezwungen hätten. Von der Türkensteuer mache er alles abhängig, vorher lasse er sich auf nichts ein. Er wolle gehorsame Untertanen sehen, dann werde er auch ein gnädiger Kaiser sein.

      Anhalt war vor Ärger und Enttäuschung rot geworden; wie ein Sumpf kam ihm der Kaiser vor, in den es ihn reizte mit Steinen zu werfen. Man hätte die Türkensteuer entrichtet, sagte er, obwohl es manche seltsam gedünkt hätte, die niemals einen Türken gesehen hätten noch je sehen würden. Aber man bewillige selbst den Bauern, wenn sie ihre Abgaben und Fronden ordentlich leisteten, das, was sie, um ihr Leben zu fristen, nötig hätten. Für die Evangelischen jedoch sei im Reiche kein Recht und kein Richter. Wehe dem Reich, wenn die Verkürzten in ihrer Not zum Schwerte griffen und die Fehden zwischen Brüdern sich erneuerten.

      Das lasse sich wie eine Drohung hören, sagte der Kaiser vorsichtig, und Anhalt bemerkte, daß seine Hand, die um den Rand des Tisches griff, zu zittern begann. Von Ungeduld und Widerwillen hingerissen, antwortete er, indem er sich stolz aufrichtete, er stehe als ein Untertan vor seinem Kaiser, aber Gott sei über ihnen beiden, der nach Belieben umwenden könne, was er erschaffen habe. Rudolf solle nur das Ende Cäsars bedenken, welches Gott habe geschehen lassen, nachdem er ihn so hoch gerückt habe, daß noch heute die Weltbeherrscher nach ihm genannt würden.

      Diese Audienz hatte einen nachteiligen Einfluß auf den Zustand des Kaisers. Die Anspielung auf die Ermordung Cäsars gab ihm beständig Anlaß zu Befürchtungen, die Lang eher verstärkte als entkräftete. An diesem Anhalt, sagte er, sehe der Kaiser nun, was die Evangelischen im Schilde führten und wozu sie fähig wären, er hätte sich nie so weit mit ihm einlassen sollen.

      Je mehr sich Lang des Kaisers sicher fühlte, desto gleichgültiger und rücksichtsloser wurde er gegen seine Person. Befriedigte er auch nach wie vor seine täglichen Bedürfnisse, so war doch der Ton seiner Stimme dabei oft hart und befehlend und lag in seinem Wesen eine wegwerfende Verachtung, was der Kaiser tief spürte, ohne es merken zu lassen. Seinerseits


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