Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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und Kapuziner näherrückten, um die dem reinen Gottesdienst geweihten Kirchen mit ihrem Baalsdienst zu besudeln?

      Sie würden sich wehren, erwiderten die Städte, wenn die Widersacher ihnen zu Leibe rückten; aber davon wären noch keine Anzeichen vorhanden. Wenn in ihrem Gebiet ein Päpstlicher sich unbescheiden aufführte, so hätten sie Mittel, ihn zu strafen trotz Kaiser und Papst. Bisher hätte der Kaiser sie bei ihren Rechten und Gewohnheiten belassen, wie sie ihm wiederum ihre Schuldigkeit geleistet hätten.

      Sie hätten keinen Gemeinsinn, warf ihnen Anhalt vor.

      Ob die Fürsten nicht auch zuerst ihre Selbsterhaltung bedächten, entgegneten die Städte. Es wäre bisher so gewesen, daß sie vom Kaiser ihren Lebensfaden angesponnen und daß die Fürsten ihn abzuschneiden getrachtet hätten; sollten sie sich nun gegen den Kaiser zu den Fürsten stellen? Man sehe jetzt wieder, wie der Herzog von Wolfenbüttel der Stadt Braunschweig nachstellte und sie zu einer gemeinen Landstadt herunterdrücken wollte.

      Ja, und der Kaiser hätte sie nicht beschützt, sagte Anhalt triumphierend, ebensowenig wie die Reichsstadt Donauwörth, die er vielmehr aus Glaubenshaß dem jesuitischen Herzog von Bayern preisgegeben hätte.

      Wäre die Stadt vorsichtig gewesen und hätte dem Pöbel nicht zuviel nachgegeben, antworteten wiederum die Städte, möchte es nicht so weit gekommen sein. Übrigens wüßten sie wohl, daß die gegenwärtigen Läufte gefährlich und besonders für die Städte verdächtig wären; sie müßten mühselig zwischen Scyllam und Charybdim hindurchsteuern, wollten sie die heile Haut davontragen.

      Als Christen sollten sie nicht an ihre Haut denken, sagte Anhalt, sondern an ihren Gott. Worauf der nürnbergische Abgesandte einmal entgegnete: »Euer Liebden reden viel von Gott, wenn Sie zu uns sprechen. Sprechen Sie aber zu Ihresgleichen, so reden Sie von der Libertät, welches so viel heißt, als daß die Fürsten dem Kaiser nicht Untertan sein wollen.«

      Was ferner den Städten durchaus nicht eingehen wollte, war die Verbindung mit dem König von Frankreich als mit einem ausländischen Fürsten. In der guten alten Zeit würde man dergleichen als Hochverrat angesehen haben, und es könne nichts Gutes aus solchem Bündnis kommen. Noch dazu sei der König von Frankreich ein Apostat, habe seinen Glauben abgeschworen, seine Glaubensbrüder verraten und bekämpfe sie jetzt. Wie reime sich das damit, daß er den Protestanten im Nachbarlande beistehen wolle? Dabei sei kein Treu und Glauben, und es möchte den guten Deutschen ergehen wie dem Bären oder Hasen, als er mit dem Fuchs gemeinsame Sache machte.

      *

      Auf der Straße, die durch die Berge der Eifel nach Düren führte, überholte ein Trupp Mansfeldischer Reiter einige Landleute, die eine Hochzeit zu vollziehen sich in das nächste Kirchdorf begaben. Es waren das Brautpaar, dessen Eltern und die Verwandtschaft mit ihren Kindern, alle sauber gekleidet, die Braut mit Bändern und einer turmartigen Krone geschmückt, unter der ihr junger Kopf sich ernst und schamhaft beugte. Beim Anblick der Reiter erschraken die Leute, beruhigten sich aber, als einer derselben, ihren Dialekt komisch nachahmend, sie freundlich ansprach, nach dem Wege fragte und versicherte, daß sie nichts Feindliches im Sinne hätten, vielmehr selbst der Hilfe bedürftig wären. Die vom Schreck befreiten Bauern gaben Bescheid, worauf die Reiter sich ihnen anschlossen und unter dem mühselig geführten Gespräch zur Hochzeit einluden, da sie noch nichts im Leibe hätten, auch Genügsamkeit gelobten, als die Leute auf das geringe Maß der im Dorfe vorhandenen Vorräte hinwiesen. Es war Anfang Januar, und nach langen Regentagen setzte scharfe Kälte ein; ein beißender Nordwind pfiff durch das leere Ginstergestrüpp, das hie und da die Hügel bewuchs, und die erst durchweichten, nun gefrorenen Wege waren für die barfuß laufenden Kinder schwer zu begehen. Eine Viertelstunde von dem Dorfe kamen den Hochzeitern Befreundete entgegen, denen Spielleute vorangingen, und wiederum zerstreute die gute Laune der Reiter die Besorgnis, die ihr unerwartetes Erscheinen einflößte. Da sich zeigte, daß sie gute Katholiken waren, die Knie beugten und beteten wie die anderen, war die Einwohnerschaft vollends zu gastlicher Aufnahme willig, und das Hochzeitsmahl wurde durch herzugetragenes Brot, Fleisch und Dünnbier, so gut es gehen wollte, erweitert. Beim Tanze, der sich an das Essen anschloß, entspann sich ein Streit, indem ein betrunkener Reiter die Braut um die silbernen Beschläge ansprach, die ihr Mieder zierten und die seine Habgier reizten. Der Bräutigam lief zu ihrem Schutze herbei, der Reiter wurde hitzig, zog die Braut an sich und stach ihr, als sie sich ihm schreiend entwinden wollte, ein kurzes Schwert, das ihm an der Seite hing, ins Herz. Daraus entwickelte sich ein allgemeines wildes Kämpfen, das durch die plötzliche Ankunft Mansfelds, des Regimentsobersten, unterbrochen wurde. Er sprang sofort vom Pferde, trat unter die Wütenden und hieß einen der Seinigen sprechen, der die Schuld des Geschehenen auf die Bauern zu schieben suchte, als hätten sie einen listigen Überfall vorbereitet, dessen sie, die Soldaten, sich gewaltsam hätten erwehren müssen. Mansfeld stellte sich an, als ob er ihm Glauben schenkte, befahl seinen Leuten, alles herauszugeben, was sie sich etwa den Bauern Gehöriges angeeignet hätten, ließ sie aufsitzen und sprengte mit der ganzen, nun vereinigten Truppe so schnell wie möglich davon, ohne daß die Bauern der bewaffneten Übermacht gegenüber Widerstand zu leisten hätten wagen können.

      Schon lag das frühe Dunkel auf den Hügeln, über die die Reiter hinjagten. Mansfeld war verstimmt und sagte ungehalten zu dem Leutnant, der die Schuldigen angeführt hatte, er durchschaue den wahren Sachverhalt wohl und würde eine blutige Strafe verhängt haben, wenn er nicht hoffen könne, daß die Tat in diesem verlassenen Winkel begraben bleibe. Als der Leutnant sich damit entschuldigen wollte, daß nach langem Fasten ihnen Essen und Trinken zu Kopfe gestiegen sei, hieß ihn Mansfeld schweigen; er müsse für ihre Zügellosigkeit büßen, ihm hängten sie den Namen eines Mordbrenners an, der die Katholiken so wenig verschone wie die Evangelischen. An einer Wegscheide ließ er Halt machen, sprach sein Mißfallen und die Hoffnung aus, die Übeltäter würden sich beeifern, ihr Schelmenstück durch eine soldatenmäßige Heldentat wieder gutzumachen. Einige Meilen entfernt liege das Städtchen Schleyden, das in Feindeshand, aber ungenügend besetzt sei und leicht überrumpelt werden könne. Dort wolle er sich festsetzen, um mit sicherem Rückhalt Streifzüge zu wagen und weiter um sich zu greifen. Dieser Überfall gelang; aber schon am folgenden Tage erschien eine starke Abteilung brandenburgischer Soldaten unter dem Grafen Friedrich Solms, denen gegenüber Mansfeld den schwach befestigten Ort nicht halten konnte. Nach tapferer Gegenwehr mußte er sich mit den überlebenden Soldaten gefangen geben, wurde nach Düren gebracht und wartete dort ungeduldig auf das Lösegeld, das sein Kriegsherr, Erzherzog Leopold, für ihn zu erlegen aufgefordert wurde.

      Während der erzwungenen Untätigkeit, die ihn von Tag zu Tag unleidlicher drückte, lief an Mansfelds Geiste sein vergangenes Leben, aus Kampf, Enttäuschung und Bitterkeit bestehend, vorüber. In seinem zehnten Lebensjahre hatte es sich begeben, daß er in die Bücher, die ihm gehörten, ein paar französische Andachtsbreviere, eine Befestigungslehre und einen lateinischen Plutarch, neben seinen Namen Peter Ernst Mansfeld den Wahlspruch seines Vaters geschrieben hatte, der ihm überaus wohlgefiel: Force m'est trop. Dies hatte der Hofmeister der Pagen, mit denen er erzogen wurde, gesehen und ihn auf Befehl seines Vaters mit Schlägen so gezüchtigt, daß Blut geflossen war. Es wurde ihm dabei gesagt, daß er der Gewalt sich zu fügen lernen müsse, daß das störrische, unbändige Wesen ihm ausgetrieben werden solle, und als er sich zornig beklagte, ein Fürstensohn dürfe nicht wie ein Knecht behandelt werden, wurde ihm entgegnet, er sei ein Bastard, solle nach dem Willen seines Vaters nicht anders behandelt werden als die Pagen, die im Schlosse dienten, und habe kein Recht, seines Wappens und Wahlspruchs sich zu bedienen. Wenn ihn seitdem ein Gegner mit dem Namen Bastard gehöhnt hatte, überlief ihn jedesmal dasselbe Gefühl von Scham und ohnmächtiger Wut, das damals seine kindliche Brust fast erdrückt hatte. Haß und unersättliche Rache gegen den Vater durchdrangen ihn, dessen gesundes Alter kalt, zufrieden und würdevoll in seinen Schlössern thronte und der seinen Sohn namenlos, ohne Heimat, Erbe und Ehre zurückließ. Oft sehnte er sich danach, den hochmütigen Greis, dem man sich nur voll Ehrfurcht und unter Bücklingen genähert hatte, aus der Erde herauszuwühlen und öffentlich verletzter Vaterpflicht und unnatürlicher Grausamkeit anzuklagen. Fluch über ihn, der seinen Sohn wie Ismael in die Wüste gestoßen hatte. Noch jetzt mußte er oft rühmen hören, wie treu sein Vater als Gouverneur von Luxemburg dem Hause Habsburg gedient und ihnen sogar alle seine Güter hinterlassen habe; ihm schien es nicht rühmenswert, daß er den


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