Colours of Life 2: Rosengrau. Anna Lane

Colours of Life 2: Rosengrau - Anna Lane


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vorbereitet. »Es ist schon mit Carter besprochen. Shinji und ich … morgen früh. Wir haben die Erlaubnis, nach Hause zu gehen.«

      Cameron beugt sich über den Tisch, seine Muskeln sind angespannt. »Nach Hause … nach England?«

      »Nein. Nach Hause wie zu Hause in China.«

      Meine Augen weiten sich geschockt. Ich blicke zwischen ihr und Cam hin und her. Jetzt ist sogar das Klackern von Besteck verstummt. Neptunes und mein Blick kreuzen sich.

      Hast du davon gewusst?, fragt er mich in Gedanken. Ich schüttle leicht den Kopf.

      »Das werdet ihr nicht überleben. Zwischen hier und China gibt es gerade mal zwei Länder, die neutral sind und in denen kein Krieg herrscht.« Cam ist außer sich.

      Lynn verzieht den Mund. »Wir sind uns dessen bewusst, doch wir werden es trotzdem versuchen. Wir sind dankbar für alles, Cameron, aber du musst es verstehen. Das hier ist nicht unser Zuhause.«

      Cams Kiefer verkrampft sich, eine Hand krallt sich in das Tischtuch. »Das ist idiotisch.«

      »Kriege sind auch idiotisch.« Mit diesem Satz erhebt sich Lynn und geht aus der Tür, lässt ihren halbvollen Teller zurück. Ich seufze leise, eine leichte Wehmut steigt in mir hoch. Auch wenn ich die meiste Zeit mit Neptune verbringe, ist mir Lynn doch sehr ans Herz gewachsen. Ich kann nicht glauben, dass Carter ihnen erlaubt hat zu gehen. Dennoch: Sie hat recht. Wenn ich könnte, würde ich auch gehen. Aber das englische Militär hat laut Carters Informanten in der Stadt bereits großräumige Suchaktionen gestartet – nicht nur im Wald, sondern auch im ganzen Norden Englands.

      Cameron flucht leise vor sich hin, ich stochere mit der Gabel in den restlichen Spaghetti.

      »Sie sollten das Recht haben, zu gehen«, meint Tyler, die Hände verschränkt. Seine Augen funkeln angriffslustig, als wäre er ernsthaft darauf aus, sich mit Cam zu prügeln. Tylers Stimmung wechselt in letzter Zeit immer schneller zwischen unbeteiligt und aggressiv, die Zeit in den Wäldern scheint ihm jegliche Nerven geraubt zu haben.

      Cameron wirft ihm einen bitteren Blick zu. »Ihr alle solltet das Recht haben, zu gehen. Aber so läuft das eben nicht.«

      Neptune beobachtet die beiden, sein rechter Mundwinkel zuckt kaum merklich. »Sie werden nicht erwischt werden, ihre Tätowierungen wurden entfernt. Also kein Grund zur Aufregung.« Er steht auf und häuft sich demonstrativ noch einen riesigen Schöpfer voll Spaghetti auf den Teller. Nicht, dass er die je aufessen würde.

      Dave rutscht ein wenig auf dem Stuhl hin und her, seine dunkle Haut bildet einen starken Kontrast zu dem weißen T-Shirt.

      »Cam, wenn Carter sagt, dass es okay ist … Sie können selbst entscheiden, Mann. Du kannst nicht immer jeden beschützen.« Als er das sagt, streifen seine nachtschwarzen Augen mich, doch dann blickt er gleich wieder zu Cameron. Dessen Züge versteifen sich, die Fäuste auf dem Tischtuch werden unter der Anspannung weiß.

      »Könnte ich. Wenn man mich lassen würde.«

      »Du könntest was, Cam? Alles um dich herum niedermetzeln?« Helena taucht im Türrahmen auf. Ihre linke Braue fast bis unter den weißblonden Ansatz ihrer kurzen Haare gezogen, lehnt sie sich an die Wand, als wären wir alle eine fremde Spezies, die man am besten aus der Ferne beobachtet.

      »Helena«, seufzt Cameron, ohne sie anzusehen, und beginnt betont langsam, seine letzten Spaghetti auf die Gabel zu rollen.

      »Kämpfen. Jagen. Spionieren. Deine Talente sind genauso vielfältig wie die von Neptune.« Nun kommt Carters Tochter doch langsam näher und verzieht den Mund. »Der ist ziemlich«, sie lässt sich Zeit, »ausdauernd darin, jede Woche wieder Nudeln zu kochen.«

      »Sie sind lecker. Deshalb macht er sie«, antworte ich ihr mit einem Schulterzucken, und kurz erhellen sich Neptunes Gesichtszüge, bevor Helena weiterspricht.

      »Und was kannst du sonst noch gut, Sebastian? Da war doch was, aber ich hab’s leider vergessen.«

      Neptune knurrt kaum hörbar. Ich weiß nicht, wieso Helena ihn so auf dem Kieker hat. Uns andere toleriert sie, aber um ihn aufzuziehen, findet sie immer wieder einen Grund. Das war schon vom ersten Tag an so.

      Sie nimmt sich eine Flasche Mineralwasser und geht weiter in den Aufenthaltsraum, der direkt nebenan liegt. Neptune steht auf und dreht ihr den Rücken zu, als sie an ihm vorbeigeht.

      »Sie ist echt unmöglich«, murmelt er, während er die Teller einsammelt.

      »Nicht nur sie.« Tyler verdreht die Augen und verlässt den Raum, ohne sein Geschirr zur Spüle zu stellen.

      Ich erhebe mich gleichzeitig mit Ace. »Lass gut sein, ich räume ab«, sage ich leise, ohne ihn anzusehen. Es tut beinahe physisch weh, ihm so nah zu sein und trotzdem zu wissen, dass ich ihn nicht erreichen kann.

      Ist Ace schadenfroh? Weil ich auf Cameron reingefallen bin, auf seine zärtliche Masche, die wohl jedes Mädchen hätte schwach werden lassen?

      Und ja, ich habe mich in Cam getäuscht. Er ist so weit weg, obwohl er leibhaftig hier sitzt. Groß, muskulös und dunkelhaarig, ohne eine Markierung an seiner linken Schulter – im Gegensatz zu mir. Meine Tätowierung habe ich nicht wegmachen lassen. Vielleicht, weil ich nie vergessen will.

      Erst jetzt bemerke ich den Verband um seinen rechten Unterarm, und ich kann nicht anders, als mich zu fragen, welchen Kampf er wieder bestritten hat. Ich schüttle den Kopf und beschließe, dass es mich gar nichts angeht. Das im Wald war nichts, denn wenn es etwas gewesen wäre, dann würde Cameron nicht so unnahbar und abwesend sein.

      Er würde mich jede Nacht in den Schlaf wiegen. Er würde da sein, wenn ich meine ganze Existenz infrage stelle, und mich davon abhalten, es zu tun. Er würde sagen, dass er mich liebt. Wieder und wieder. Aber das tut er nicht. Weil er nicht lügt.

      Nach und nach erheben sich meine Freunde. Ich trage das Geschirr zur Anrichte und lasse das Wasser einlaufen. Die anderen verkrümeln sich, damit sie mir nicht beim Abwasch helfen müssen.

      »Tja, wenn du das heute freiwillig übernimmst«, sagt Neptune und verschwindet als Letzter aus der Tür. Nur Cameron bleibt, ich kann seine Blicke in meinem Rücken spüren. Hitze strömt in meine Magengegend und in meine Brust, meine Atemzüge werden kürzer, schwerer.

      »Crys.« Fast überhöre ich sein Flüstern durch das Klackern des Geschirrs, als ich einen Teller nach dem anderen unter das fließende Wasser halte und abspüle.

      Ich wende mich nicht um. Meine Hände zittern leicht. Cameron hat meinen Namen gesagt. Wie lange schon nicht mehr? Wochen? Monate?

      »Crys«, wiederholt er noch einmal lauter und kommt dann langsam näher. Er scheint jeden Schritt behutsam zu machen, und er tut recht daran, denn er bewegt sich auf einem Minenfeld. Mit dem feuchten Handrücken streiche ich mir meine Haare über die Schulter und sehe nicht von meiner Arbeit auf.

      »Du könntest mir helfen, anstatt nur herumzustehen.« Meine Stimme klingt trockener als beabsichtigt.

      Ich stelle das Geschirr zum Abtropfen auf ein Handtuch, wische mir meine Hände ab. Geduldig wartet er, bis ich meinen Blick hebe und ihn mit verschränkten Armen anstarre.

      »Crys«, schon wieder mein Name, doch diesmal liegt eine ferne Wehmut in ihm. »Du hast jeden Grund, wütend auf mich zu sein.«

      Ich spüre, dass meine Augen feucht werden, und blinzle ein paar Mal heftig. Ich werde keine Schwäche zeigen. »Wieso? War das im Wald etwa besonders für dich?«, erwidere ich heftig, das Kinn vorgestreckt.

      Cam schluckt, lehnt sich dann gegen die Anrichte. Gott, er sieht gut aus. Eine leichte Bräune liegt auf seiner Haut, und der Anflug eines Bartschattens macht sein Gesicht noch eckiger, kantiger. Zwischen seinen Augen hat sich eine senkrechte Falte gebildet.

      »Ich hatte Aufträge. Aber das entschuldigt nicht, dass ich nicht für dich da war.« Seine Stimme klingt irgendwie fern.

      Versucht er gerade, sich zu entschuldigen? »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«

      Cameron


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