Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band). Paul Scheerbart

Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band) - Paul  Scheerbart


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      Und er fühlt Boden unter seinen Füssen.

      Rauschende Lichtfülle bricht hernieder und macht die Bergnasen und die Schluchten ganz hell – so hell, wie's tausend Sonnen kaum vermögen. Kaidôh ist nicht geblendet: er sieht seine Welt in einem neuen Licht.

      Die Bergnasen sind keine Gletscher mehr, es sind bunte Fliesenterrassen mit bunten Wasserfällen und bunten Springbrunnen, mit Blumenhecken und spiegelnden Teichen, mit Turmkanten, Galerien, Säulenhallen und blanken Treppen.

      Ein glänzendes Fliesenreich!

      Da sind keine Häuser, die Kaidôh nicht mag, da sie an schwerfällige Schnecken und Schildkröten erinnern.

      Und doch bildet das Ganze ein grosses Bauwerk mit sieben Terrassennasen und mit sieben Terrassenschluchten.

      Und Kaidôh jauchtzt.

      Diese Welt ist einfach.

      Mit dieser einfachen, glänzenden Terrassenwelt kann er sich verbinden – mit all den bunten Fliesen, die so einfach sind, kann er Eines werden. Und er wirft den Kopf ins Genick – das geht langsam nur – doch es geht.

      Die Sternriesen sind unsichtbar.

      Der Himmel ist dunkelblau und so voll leuchtender Strahlenglut – wie ein ewiges Rauschdach.

      Und Kaidôh sieht oben aus seinen Fingerspitzen weisse Flammen herausflackern.

      Und er fühlt, dass seine Hände brennen.

      Und er jauchzt.

      Er fühlt seine Hände nicht mehr – er fühlt Fliesenterrassen.

      Und seine Arme brennen.

      Und es brennt seine Stirn – und er sieht nicht mehr mit seinen alten, grossen Augen.

      Unter seinen Füssen fühlt der brennende Kaidôh Eiseskälte – das Rubinmeer ist gefroren.

      Weisse Flammen lodern um Kaidôhs ganzen Leib.

      Aber nun beginnt ein neues Sehen und ein neues Fühlen für den grossen, lodernden Kaidôh – er sieht mit Fliesenaugen in die hohe Welt – und er fühlt mit den sieben Terrassennasen.

      Während sein Riesenleib in hell blitzenden weissen Lichtflammen verbrennt, verbindet er sich mit den sieben Terrassennasen und mit den sieben Terrassenschluchten.

      Und er schaut anders in die hohe Welt – als ein buntes, einfaches Fliesenrad.

      Und die Eiseskälte unter seinen Füssen zerfliesst – er geht ganz auf in dieser vereinfachten Welt.

      Die Bergnasen mit den Schluchten erwachen zu einem neuen Leben – und ihnen ist so, als hätten sie lange geträumt.

      Und das ganze Rad dreht sich und funkelt – und schwankt nun mit den sieben Sternriesen zusammen hin und her – hin und her – hin und her.

      Das ganze Rad dreht sich und funkelt.

      Die Sternriesen drehen sich langsam mit und funkeln auch.

      Und das Rad schwankt mit den sieben Sternriesen zusammen hin und her und schwebt dann so weit hinüber in die Nacht hinein, dass die ganze lichtrauschende Weltblüte bald so klein erscheint – –.

      - Ende -

      Die große Revolution

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem Monde wars Nacht.

      Und die dicke Luft war ganz still.

      Und die Goldkäfer saßen auf den dunklen Moosfeldern und leuchteten - so wie die Sterne am schwarzen Himmel leuchteten.

      Von der Erde war nur ein Viertel als Halbkreis zu sehen.

      Und fünf Mondmänner schwebten über den Moosfeldern und leuchteten auch - aber so wie Kugeln von Phosphor.

      Und der Mondmann, der voranflog, wurde plötzlich so rot wie eine feurige Kohle, und da flogen die vier anderen Mondmänner an seine Seite und wurden ganz allmählich ebenfalls so rot.

      Durch dieses Rotwerden sagten sich die Mondleute, daß sie bereit wären, miteinander zu sprechen.

      Und der Mondmann, der zuerst rot wurde, sprach jetzt langsam und nachdenklich:

      »Der Stern, mit dem wir leben, unser guter Mond, will ein großes Auge haben - und wenns möglich wäre - schließlich ein großes Auge sein - bloß noch ein einziges Auge sein - ganz Auge sein.«

      Die Mondleute hatten, wenn sie in der Luft schwebten, unten Kugelgestalt, und aus der ragte oben ein kleiner Brustrumpf mit einem Rübenkopf und zwei Armen heraus.

      Und mit den siebenfingrigen Händen, die unten an den Armen hingen, klatschte jetzt jeder der fünf Mondmänner auf seinen Ballonbauch, daß es dumpf dröhnte - wie von Pauken.

      Mit diesen Tönen tat die Mondbevölkerung ihr Wohlbehagen und ihre Heiterkeit kund.

      Rasibéff, der Mondmann, der seiner feurigen Gesinnung wegen seit Jahrhunderten bekannt war, rief nun hell in die Nachtluft:

      »Was der große Mafikâsu soeben gesagt hat- das gibt unserm Streben das Rückgrat. Wir wollen, was unser Stern will. Und wenn unser Wille der Wille unsres Sterns ist, so muß dieser Wille alle Mondvölker mitreißen - und wir müssen in unserm Monde ein Fernrohr bauen, wies der Mond nicht größer haben kann - ein Fernrohr von der Größe des Monddurchmessers.«

      Wenn die Mondleute ihren Rumpf vorbeugten und über ihren Ballonbauch rüber nach unten blickten, so kam ihnen das Bild der dunklen Mondoberfläche fast ebenso wie das Bild des Himmels mit den Sternen vor, da die Goldkäfer unten auch so still leuchteten wie oben die großen Weltgestalten im unendlichen Raum.

      Die fünf Mondmänner beugten sich jetzt sämtlich vorne über und flogen danach viel schneller als bisher mit dem Rübenkopfe voran dem nächsten Krater zu.

      Die Rübenköpfe hatten oben einen Kranz von Fühlhörnern, die sich beim Fliegen nach allen Richtungen vorreckten und dadurch kronenartig wirkten; die Fühlhörner witterten wie feine Geruchsorgane alle Dinge, an denen man sich stoßen kann.

      Da sprach Zikáll, der Mann der Wissenschaft:

      »Jedenfalls bezweifle ich, daß der Mond seinen Willen mit unsrer Beihilfe durchsetzen möchte. Wenn der Mond wirklich auf der anderen Seite ein Organ haben will, das unsrem Auge entspricht, so braucht er dazu nicht die Beihilfe der kleinen Mondleute. Wissenschaftlich nicht zu begründende Aussprüche wie die vom Mondauge sollten bei der Agitation nicht gebraucht werden. Wenn wir sagen, daß wir ein großes Fernrohr haben wollen, dessen Länge die des Monddurchmessers erreichen soll, so haben wir damit nach meiner Meinung genug gesagt. Die großen Worte haben immer einen kleinen Spaßgehalt in sich. Die großen Worte sind der Tatenlust zuwider.«

      Die Sterne des Himmels funkelten jetzt, und die beiden hellblauen Augen des großen Mafikâsu, der zuerst gesprochen hatte, funkelten ebenfalls, und er sagte nun, während er langsamer flog:

      »Jedenfalls freue ich mich, daß der große Zikáll die Herstellung des großen Fernrohrs, das so lang wie der Monddurchmesser werden soll, nicht für eine Unmöglichkeit erklärt. Und da Zikáll nicht will, daß ich das Wort Mondauge gebrauche, so will ich das Wort vermeiden, obschon ich doch bemerken muß, daß die Sterne öfters grade die kleinsten Lebewesen zur Durchführung ihrer großen astralen Absichten benutzen.« Hierauf sagte der Zikáll sehr rasch:

      »Es fragt sich übrigens, ob unser Stern, der Mond selber, durch das große Fernrohr sieht - wenn wir, die Mondmänner, da durchsehen.«

      »Das«, versetzte Mafikâsu, »fragt sich wohl. Aber wir wollen nicht vergessen, daß wir das große Fernrohr nur dann durchdringen werden, wenns unserm Monde nicht unbequem ist. Wir wollen nicht den Respekt vor dem Ganzen vergessen.«

      Nach diesen Worten hatten die fünf den


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