Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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die es nicht mehr nötig haben, zu gefallen, rasierte er sich nicht mehr, sodaß er mit dem langgewordnen, schlecht gepflegten Bart unglaublich häßlich aussah. Er pflegte seine Nägel nicht mehr, und nach jeder Mahlzeit trank er vier oder fünf Glas Cognac.

      Johanna versuchte, ihm ein paar Mal ganz milde Vorwürfe zu machen, aber er hatte so grob geantwortet: »Laß mich in Ruhe, verstehst Du!« daß sie nicht mehr wagte, derartiges zu sagen.

      Sie hatte sich an diese Veränderung so sehr gewöhnt, daß sie sich selbst darüber wunderte. Er war ihr fremd geworden, ein Fremder, dessen Seele und Herz ihr verschlossen blieben. Sie dachte oft daran und fragte sich, wie es nur käme, daß, nachdem sie sich so begegnet, geliebt und in einem Sturm von Zärtlichkeit geheiratet hatten, sie so plötzlich einander kalt gegenüber ständen, als hätten sie nie Seite an Seite geruht.

      Und wie litt sie durch seine Gleichgiltigkeit! War so das Leben? Hatten sie sich getäuscht? Gab es für sie nichts mehr zu hoffen in der Zukunft?

      Wenn Julius schön geblieben wäre, etwas auf sich gehalten hätte, noch elegant und verführerisch gewesen, hätte sie dann vielleicht noch mehr gelitten?

      Sie waren überein gekommen, daß das junge Paar nach Neujahr allein bleiben, und Papa und Mutting auf ein paar Monate wieder ihr Haus in Rouen beziehen sollten. Die jungen Leute sollten diesen Winter Les Peuples nicht verlassen, um sich ganz einzurichten, einzugewöhnen und heimisch zu werden, hier, wo sie ihr Leben verbringen sollten. Übrigens hatten sie ein paar Nachbarn, denen Julius seine Frau hätte vorstellen können, nämlich die Briseville, die Coutelier und die Fourville. Aber die jungen Leute konnten ihre Besuche noch nicht beginnen, weil es bis jetzt noch nicht möglich gewesen war, einen Maler zu bekommen, um das Wappen auf dem Wagen umzuändern.

      Der alte Baron hatte nämlich seinem Schwiegersohne den alten Familienwagen überlassen, und Julius hätte um keinen Preis der Welt sich auf den Schlössern der Nachbarschaft gezeigt, wenn das Wappen der Lamares nicht mit dem der Le Perthuis des Vauds vereinigt worden wäre.

      Es gab aber in der ganzen Gegend nur einen einzigen Mann, dessen Spezialität es war, Wappen zu malen. Ein Maler, Bataille mit Namen, der der Reihe nach auf allen normannischen Besitzungen herumzog, um den kostbaren Schmuck auf den Wagenthüren aller Gefährte anzubringen.

      Endlich sah man an einem Dezember-Morgen, als sie mit dem Frühstück beinahe fertig waren, einen Menschen das Thor öffnen und den Gartenweg heraufkommen. Er trug einen Kasten auf dem Rücken. Es war Bataille. Man ließ ihn ins Eßzimmer kommen und setzte ihm wie einem Herrn zu essen vor, denn durch seine Spezialität, seine immerwährende Berührung mit dem ganzen Adel der Gegend, seine Kenntnis der Wappen, der Fachausdrücke und der Embleme, war aus ihm eine Art wandelndes Wappen geworden, dem die Edelleute die Hand drückten.

      Sofort ließen sie Bleistift und Papier bringen, und der Baron und Julius zeichneten, während er aß, das Alliance-Wappen auf. Die Baronin, die Feuer und Flamme war, sobald es sich um derartige Dinge handelte, gab ihre Ansicht, zum Besten und sogar Johanna nahm Teil an der Diskussion, als ob plötzlich in ihr ein geheimnisvolles Interesse erwacht wäre.

      Bataille gab, während er frühstückte, seinen Senf dazu. Ab und zu nahm er den Bleistift in die Hand, machte einen Entwurf führte Beispiele an besprach alle herrschaftlichen Wagen der ganzen Gegend, wobei er in seiner Art, in seiner ganzen Geistesrichtung, sogar in seiner Stimme wie einen Hauch von Adel mitzubringen schien.

      Er war ein kleiner Mann, mit kurzem, grauen Haar, farbenbeklecksten Händen und roch nach Terpentin. Man sagte, er hätte früher einmal irgend eine dumme, nicht ganz reinliche Geschichte gemacht, aber die allgemeine Achtung der ganzen Aristokratie hatte diesen Fleck längst weggelöscht.

      Sobald er fertig gefrühstückt hatte, führte man ihn in die Remise und nahm die Wachsleinwand ab, die den Wagen bedeckte. Bataille betrachtete ihn, dann äußerte er sich sehr ernst über die Größenverhältnisse, die er seiner Zeichnung zu geben hatte, und nach neuem Ideenaustausch machte er sich an die Arbeit.

      Trotz der Kälte ließ die Baronin einen Stuhl bringen, um ihm bei seiner Arbeit zuzusehen. Dann verlangte sie eine Wärmflasche für die Füße, weil sie fror. Danach fing sie gemütlich an mit dem Mann zu schwatzen, befragte ihn über allerhand Heiraten, neue Verbindungen, die sie nicht kannte, über Todesfälle, Geburten, indem sie durch diese Erkundigungen ihre genealogischen Kenntnisse auffrischte und vermehrte.

      Julius war bei seiner Schwiegermutter geblieben, rittlings auf einem Stuhle sitzend. Er rauchte seine Pfeife, spuckte auf den Boden, hörte zu und folgte mit den Blicken der Farbengebung von Batailles Pinsel.

      Bald blieb auch der alte Simon, der mit der Hacke auf dem Rücken in den Gemüsegarten ging, stehen, um der Arbeit zuzusehen, und da die Ankunft des Malers Bataille in den Pachthöfen bekannt geworden, so sammelte sich bald ein Kreis von Zuschauern. Sie standen zu beiden Seiten der Baronin und riefen immer begeistert aus:

      – O das ist aber ‘ne große Kunst, so fein zu malen.

      Die Wappen auf den beiden Wagenschlägen wurden erst am andern Tage um elf Uhr fertig.

      Sofort waren alle da, und man zog den Wagen ins Freie, um die Arbeit besser beurteilen zu können. Es war ausgezeichnet. Man beglückwünschte Bataille, der mit seinem Kasten auf dem Rücken davon ging, und der Baron und Mutting, Johanna und Julius kamen überein, daß der Maler ein sehr talentvoller Mann sei, der ganz ohne Zweifel, wenn die Umstände ihm nur günstig gewesen wären, ein großer Künstler geworden wäre.

      Aus Sparsamkeits-Rücksichten hatte Julius Neuerungen eingeführt, die ein paar Änderungen nötig machte. Der alte Kutscher war Gärtner geworden, denn der Vicomte wollte selbst fahren und hatte die Wagenpferde verkauft, um sie nicht mehr füttern zu müssen. Da er aber jemand haben mußte, um die Tiere zu halten, wenn die Herrschaft ausgestiegen war, so hatte er einen kleinen Kuhjungen, Marius geheißen, als Diener frisiert. Dann fügte er, um sich Pferde zu verschaffen, in den Pachtkontrakt der Couillards und der Martins eine besondere Klausel ein, die bestimmte, daß die beiden Pächter, jeder einmal im Monat, an einem festgesetzten Tage ein Pferd zu stellen hätten, wofür sie die bisherige freie Geflügellieferung nicht mehr zu leisten brauchten.

      Die Couillards hatten also eine große Falbe gestellt und Martins einen kleinen zottigen Schimmel. Die beiden Tiere wurden zusammen gespannt, und Marius, der in einer abgelegten Livree des alten Simon fast ertrank, fuhr mit dem Wagen vor dem Schlosse vor.

      Julius hatte sich zu der Gelegenheit besser angezogen und sich ein wenig seiner früheren Eleganz erinnert; er sah aber trotzdem mit seinem großen Backenbart etwas gewöhnlich aus.

      Er betrachtete die Anspannung, den Wagen und den kleinen Diener und fand alles ganz zufriedenstellend, denn das neugemalte Wappen ganz allein hatte für ihn Wichtigkeit.

      Die Baronin, die am Arm ihres Mannes herunter gekommen war, stieg mühsam ein und setzte sich, indem sie ein paar Kissen in den Rücken bekam. Nun erschien auch Johanna. Zuerst lachte sie über die Zusammenstellung der Pferde und sagte: der Schimmel wäre der Enkel der Falbe. Als sie aber dann Marius gewahrte, das Gesicht vergraben in dem Kokardengeschmückten Cylinder dessen gänzliches Herabgleiten nur durch die Nase verhindert wurde, gewahrte, wie seine Hände in den Ärmeln ganz verschwanden und seine Beine in den, ihn wie ein Frauenrock umstießenden Rockschößen, sodaß nur die Füße, in mächtigen Stiefeln steckend, ganz eigentümlich unten heraus guckten, gewahrte, daß er den Kopf zurück biegen mußte, um etwas zu sehen und das Knie heben, um einen Schritt zu machen, als wollte er einen Fluß überschreiten, gewahrte, wie er herum stolperte wie ein Blinder, um den Befehlen nach zu kommen, da er ganz verschwand und unterging in der Weite seines Anzugs, packte sie ein unwiderstehliches Lachen, das gar kein Ende nehmen wollte.

      Der Baron drehte sich um, betrachtete den lächerlichen kleinen Mann und rief seiner Frau zu, indem er vor Heiterkeit kaum mehr sprechen konnte:

      – Sieh nur mal den Marius, der ist ja zum schießen. Die Baronin, die sich aus dem Wagenfenster gebeugt hatte, wurde von einem solchen Lachkrampf befallen, daß der ganze Wagen schutterte.

      Aber Julius war totenbleich geworden und fragte:

      –


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