Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Regen an die Scheiben trommelte oder der Wind an den Läden rüttelte, stickte sie beharrlich einen Unterrocksaum. Ab und zu ward sie müde, blickte auf und betrachtete das finstere Meer, das in der Ferne brüllte. Dann nahm sie, nachdem sie einige Minuten so hinaus gesehen, ihre Arbeit wieder auf.

      Sie hatte auch nichts anderes zu thun. Julius hatte die Leitung des ganzen Hauses übernommen, um seine Herschsucht voll zu befriedigen und dazu seine Sparsamkeitsgelüste. Er war von unerhörtem Geiz, gab nie und nirgends ein Trinkgeld und beschränkte das Essen auf das allernotwendigste.

      Johanna hatte sich, seit sie nach Les Peuples gekommen, jeden Morgen vom Bäcker einen kleinen normannischen Kuchen backen lassen, er hob diese Ausgabe auf, und sie mußte geröstetes Brot essen.

      Sie sagte nichts, um Auseinandersetzungen und Streit zu vermeiden. Aber sie litt wie von Nadelstichen bei jedem neuen Anzeichen des Geizes ihres Mannes. Diese Eigenschaft erschien ihr niedrig und häßlich, ihr, die in einer Familie groß geworden, in der das Geld nur so fortlief. Sie hatte so oft Mutting sagen hören: – Das Geld ist doch dazu da, ausgegeben zu werden!

      Und Julius wiederholte nun immerfort:

      – Kannst Du Dich denn nicht daran gewöhnen, das Geld nicht zum Fenster hinaus zu werfen?

      Und jedesmal, wenn er ein paar Groschen an einem Geshalt oder an einer Rechnung abgeknappst hatte, sagte er lachend, indem er das Geld in die Tasche gleiten ließ:

      – Bäche machen Flüsse!

      An gewissen Tagen indessen fing Johanna wieder an zu träumen. Sie ließ die Arbeit liegen, die Hände sanken ihr in den Schoß, und mit halbmüdem Blick träumte sie wieder ihre entzückenden Mädchenträume; wenn sie dann Julius’ Stimme aufscheuchte, der dem alten Simon irgend einen Befehl gab, so nahm sie ihre Geduldsarbeit wieder auf und sagte sich:

      – Das ist nun alles aus! Und eine Thräne fiel auf die Finger, die die Nadel bewegten.

      Auch Rosalie, die früher so lustig gewesen und immer sang, hatte sich ganz verändert. Ihre runden Wangen hatten die Farbe verloren und waren ganz eingefallen, ganz grau. Johanna fragte sie öfters:

      – Bist Du krank, Rosalie?

      Das Mädchen antwortete jedes Mal:

      – Nein, gnädige Frau! Dabei stieg ihr leise das Blut in die Wangen und sie machte sich schnell davon.

      Statt zu laufen und zu springen wie sonst, schleppte sie sich müde hin. Sie schien sogar nicht mehr eitel zu sein, denn sie kaufte den herumziehenden Händlern, die ihr irgend ein Seidenband, eine Spitzen-Krause, ein Kettchen oder sonst ihre flimmernden Waren zeigten, nichts mehr ab. Das große Haus klang ordentlich hohl, es war tot wie ein Sarg mit seiner langen Front, auf der der Regen lange, graue Striche hinterließ.

      Gegen Ende Januar fiel Schnee. Von weitem sah man schon, vom Norden her, über das dunkle Meer dicke Wolken kommen, und das Herabrieseln der weißen Flocken begann. In einer Nacht war das ganze Land eingehüllt, und am Morgen alle Bäume mit jenem eisigen Flaum überzogen.

      Julius verbrachte, in hohen Stiefeln, angezogen und aussehend wie ein Rauhbein, seine Tage im Wäldchen. Dort lag er hinter dem Graben in der Haide versteckt und spähte nach den Wandervögeln aus. Ab und zu klang ein Schuß durch das eisige Schweigen der Felder, ganze Schwärme von schwarzen Raben flogen erschrocken auf und kreisten um die großen Bäume.

      Johanna ging in tötlicher Langeweile manchmal auf die Terrasse. Ganz von weitem, wie ein Echo, kamen dann Töne vom fernen Leben herüber, über die schweigende Ruhe dieses weißen Leichentuches.

      Und doch hörte sie nichts weiter als eine Art Schnarchen der fernen Flut und unausgesetzt das leise Niedersinken des Schnees.

      Und die Schneedecke wuchs und wuchs beim unaufhörlichen Fallen des dichten, leichten weißen Mooses.

      An einem jener fahlen Morgen saß Johanna unbeweglich in ihrem Zimmer und wärmte sich am Feuer die Füße, während Rosalie, die sich täglich mehr veränderte, langsam das Bett machte. Plötzlich hörte sie hinter sich einen Schmerzensseufzer. Ohne den Kopf zu wenden, fragte sie:

      – Was hast Du denn?

      Das Mädchen antwortete wie immer:

      – Nichts gnädige Frau! Aber ihre Stimme klang wie erloschen.

      Johanna dachte schon wieder an andere Dinge, als sie Plötzlich merkte, daß das junge Mädchen sich nicht mehr bewegte. Sie rief:

      – Rosalie! – Nichts rührte sich. Da dachte sie, sie wäre hinaus gegangen und rief lauter:

      – Rosalie! Sie wollte eben den Arm ausstrecken, um zu klingeln, als dicht neben ihr ein tiefer Seufzer klang, sodaß sie zusammenfuhr.

      Das Mädchen saß mit starren Augen, totenblaß an der Erde, die Beine ausgestreckt, den Rücken gegen die Bettwand gestemmt.

      Johanna trat zu ihr:

      – Was hast Du denn? Was ist Dir?

      Rosalie antwortete nicht, machte keine Bewegung. Sie heftete nur auf ihre Herrin einen Blick wie irrsinnig und keuchte, als wäre sie von fürchterlichen Schmerzen gepackt; dann plötzlich streckte sie sich aus, sodaß sie auf den Rücken fiel, und mit zusammengebissenen Zähnen unterdrückte sie einen Verzweiflungsschrei.

      Da bewegte sich etwas unter dem Kleid, das über ihre auseinandergerissenen Beine gespannt war, und man hörte einen eigentümliches Geräusch, wie ein Plätschern, einen erstickten Schrei, dann erklang plötzlich ein lautes Miauen wie von einer Katze, ein zarter doch schon schmerzlicher Schrei, der erste Schmerzensruf des Kindes, das ins Leben tritt.

      Plötzlich begriff Johanna, was vor sich ging, lief erschrocken an die Treppe und rief ihren Mann:

      – Julius! Julius!

      Er antwortete von unten:

      – Was ist denn los?

      Sie konnte kaum die Worte hervor bringen:

      – Ach, die Rosalie……

      Julius kam herbeigestürzt; zwei Stufen auf einmal nehmend stürmte er ins Zimmer, hob mit einer Bewegung das Kleid des Mädchens auf und endeckte ein fürchterliches, kleines Stück Fleisch, erstickt schreiend, ganz klebrig, das zwischen zwei nackten Beinen zappelte.

      Er richtete sich mit bösem Ausdruck auf und stieß seine erschrockene Frau hinaus:

      – Das geht Dich nichts an, geh doch, schick mir Ludwine und den alten Simon.

      Johanna ging zitternd in die Küche hinab, dann trat sie, da sie nicht wieder hinauf zu gehen wagte, in den Salon, in dem, seitdem die Eltern abgereist waren, nicht mehr geheizt wurde, und wartete ängstlich, was da kommen sollte. Bald sah sie den Diener, der eiligst hinausgestürzt war und nun mit der Witwe Dentu, der Hebamme der Gegend zurückkam. Da klang auf der Treppe eine große Bewegung, als ob man einen Verwundeten trüge, und Julius kam, um Johanna zu sagen, daß sie nun wieder hinauf könnte. Sie zitterte, als ob sie irgend einen furchtbaren Unglücksfall erlebt hätte, setzte sich wieder ans Feuer und fragte:

      – Wie geht es ihr denn?

      Julius lief, mit seinen Gedanken beschäftigt, im Zimmer auf und ab, der Zorn schien in ihm zu kochen, und er antwortete zuerst nicht, dann blieb er nach ein paar Sekunden stehen und sagte:

      – Was gedenkst Du mit dem Mädchen zu thun?

      Sie begriff nicht, sie blickte ihren Mann an:

      – Wie so denn? Was willst Du damit sagen? Ich weiß nicht!

      Plötzlich wurde er wütend und schrie:

      – Wir können doch den Bastard nicht im Hause behalten!

      Da war Johanna ganz verwirrt und empört, und nach langem Schweigen sagte sie:

      – Aber lieber Freund, vielleicht könnte man ihn zu einer Ziehfrau geben.

      Er ließ sie nicht ausreden:

      – Ja, und Wer soll


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