Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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dem Hut durch den Schleier hindurch.

      Anderthalb Stunden später brachte er sie zum Droschkenhalteplatz an der Rue de Rome zurück. Als sie in der Droschke saß, flüsterte er ihr zu:

      – Dienstag um die selbe Zeit! Sie sagte:

      – Um dieselbe Zeit Dienstag.

      Und da es dunkel geworden war, zog sie seinen Kopf in den Wagen und küßte ihn auf die Lippen. Als der Kutscher sein Tier angetrieben hatte, rief sie:

      – Adieu, Liebling!

      Und der alte Schimmel zog in müdem Trabe den alten Kasten davon.

      So kam drei Wochen lang alle zwei bis drei Tage, bald morgens, bald abends, Frau von Marelle zu Duroy.

      Als er eines Nachmittags auf sie wartete, entstand auf der Treppe ein großer Lärm, sodaß er den Kopf zur Thür heraussteckte. Ein Kind heulte, und eine wütende Männerstimme rief:

      – Was heult denn dat verfluchte Wurm da!

      Die kreischende, verzweifelt klingende Stimme einer Frau antwortete:

      – Dat Saumensch, dat immer zu den Zeitungsschreiber ruffkommt, hat Nikolaus uf de Treppe umjeschmissen. So’ne Frauenzimmer, die nich mal ufpassen un die Kinder aus dem Weje jehen können, sollte man mal jehörig uf den Kopp kommen!

      Duroy zog sich erschrocken zurück, denn er hörte das Rauschen eines Kleides und einen eiligen Schritt auf der Treppe unter ihm.

      Gleich darauf klopfte es an seiner Thür, die er eben wieder geschlossen. Er öffnete; Frau von Marelle stürzte ins Zimmer, verzweifelt, außer Atem und rief:

      – Hast Du’s gehört?

      Er that, als wüßte er von nichts:

      – Nein, was?

      – Wie sie mich beschimpft haben?

      – Wer denn?

      – Die gräßlichen Leute, die unten wohnen!

      – Aber nein – was ist denn nur?

      Sie fing an zu schluchzen und konnte nicht sprechen.

      Er mußte ihr den Hut abnehmen, ihr das Kleid aufmachen, sie aufs Bett legen, und ihr die Schläfen mit einem nassen Taschentuch reiben. Sie stöhnte. Als ihre Aufregung sich etwas gelegt hatte, entlud sich ihre ganze empörte Wut.

      Sie wollte, daß er sofort hinunterginge und sich mit ihnen schlüge, sie tötete.

      Er sagte:

      – Aber das sind Arbeiter, grobe Flegel; man könnte höchstens zur Polizei gehen und dann würde Dein Name festgestellt, Du würdest arretiert werden. Mit solchen Leuten muß man sich nicht einlassen.

      Sie ging auf etwas anderes über:

      – Wie wollen wir’s jetzt anfangen. Ich kann nicht mehr hierher kommen.

      Er antwortete ganz einfach:

      – Ich ziehe aus.

      Sie meinte:

      – Ja aber das wird doch lange dauern.

      Dann plötzlich hatte sie einen Einfall und sagte, wieder heiterer werdend:

      – Nein, weißt Du was, ich hab’s gefunden. Laß mich nur die Geschichte machen, Du brauchst Dich um gar nichts zu kümmern. Ich schicke Dir morgen früh einen Rohrpostbrief.

      Nun lächelte sie im stillen über ihren Plan, den sie nicht verraten wollte und hatte tausend Liebesworte und Scherze.

      Aber sie war sehr erregt, als sie die Treppe wieder hinunterging und stützte sich mit aller Kraft auf den Arm ihres Geliebten, so zitterten ihr die Kniee.

      Doch sie begegneten niemandem.

      Am andern Tage um elf Uhr, als der Briefträger ihm den versprochenen Rohrpostbrief brachte, lag er noch im Bett, da er spät aufzustehen pflegte.

      Duroy öffnete und las:

      »Stelldichein fünf Uhr Rue de Constantinople 127. Laß Dich in die Wohnung führen, die Frau Duroy gemietet hat. Es küßt Dich

      Clo.«

      Punkt fünf Uhr trat er beim Portier eines großen Hauses, in dem möblierte Wohnungen zu vermieten waren, ein und fragte:

      – Hat Frau Duroy hier eine Wohnung gemietet?

      – Jawohl.

      – Bitte, führen Sie mich hin.

      Der Mann, der wohl an heikle Lagen, bei denen Vorsicht von Nöten, gewohnt war, blickte ihn scharf an, dann suchte er den Schlüssel im großen Schlüsselbunde und fragte:

      – Sie sind doch Herr Duroy?

      – Gewiß.

      Und er öffnete eine kleine Wohnung, die aus zwei Zimmern bestand, der Portiersloge gegenüber im Erdgeschoß.

      Der Salon, dessen großblumige Tapete ziemlich neu war, enthielt Mahagonimöbel mit grünlichem, gelbgemusterten Rips überzogen. Den Boden deckte ein bescheidener, geblümter Teppich, der so dünn war, daß man den Fußboden darunter fühlen konnte.

      Das Schlafzimmer war so klein, daß das Bett drei viertel des Raumes füllte; es stand im Hintergrund und reichte von einer Wand bis zur andern, ein großes Bett, wie man es in den möblierten Wohnungen findet, mit schweren, blauen Rips-Vorhängen und einem Federbett mit rotem Seidenüberzug, der einige verdächtige Flecken zeigte. Duroy blickte sich beunruhigt und mißvergnügt um, indem er bei sich dachte: die Wohnung wird mich ein Heidengeld kosten. Da muß ich schon wieder pumpen. Das ist wirklich ein verrückter Gedanke!

      Die Thür ging auf und Clotilde stürmte wie ein Wirbelwind herein, mit rauschenden Röcken. Sie öffnete die Arme und rief glückselig:

      – Ist das nicht nett! Nu sag mal, ist es nicht nett? Und keine Treppe! Gleich unten im Parterre! Man kann zum Fenster heraus und herein, ohne daß der Portier einen sieht. O, hier werden wir uns lieb haben!

      Er küßte sie kalt, er wagte nicht, die Frage, die ihm auf den Lippen brannte, zu thun.

      Sie hatte auf das runde Tischchen, das in der Mitte des Zimmers stand, ein Paket gelegt. Sie öffnete es und zog daraus Seife, eine Flasche Eau de Lubin, einen Schwamm, eine Schachtel mit Haarnadeln, einen Stiefelknöpfer und ein Brenneisen hervor, um die Spitzen ihrer Haare wieder zu kräuseln, die immer aufgingen.

      Und es machte ihr einen Riesen-Spaß, einzurichten und für jeden Gegenstand seinen Platz zu suchen.

      Sie sagte, während sie die Fächer aufzog:

      – Ich muß ein bißchen Wäsche mitbringen, um im Notfall wechseln zu können; das wird sehr angenehm sein. Wenn ich zum Beispiel Besorgungen mache und regne dabei in der Stadt ein, dann komme ich her, um mich zu trocknen. Wir müssen jeder einen Schlüssel haben und einer muß in der Portierloge bleiben, falls wir unseren vergessen. Ich habe auf ein viertel Jahr gemietet, natürlich auf Deinen Namen, denn ich konnte doch meinen nicht angeben.

      Da fragte er:

      – Nicht wahr, Du sagst mir’s, wann ich zahlen muß.

      Sie antwortete ganz einfach:

      – Ja – aber es ist ja bezahlt!

      Er sagte:

      – Da bin ich’s also Dir schuldig?

      – Nein Liebchen, das geht Dich nichts an, den kleinen Scherz erlaube ich mir!

      Er that, als wäre er böse:

      – Nein, nein, das gebe ich nicht zu!

      Sie kam zu ihm, flehte und legte ihm die Hände auf die Schultern:

      – Ich bitte Dich, Georg, es macht mir ja soviel Spaß, soviel Spaß! Gerade, daß es mir gehört, unser kleines Nest, nur mir! Das kann Dich doch nicht kränken? Weshalb denn? Ich möchte das zu unserer Liebe beitragen. Sag ja, bitte, sag ja!


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