Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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seine Weigerung indem sie sich sagte: man denkt eben, ich bin ein Dienstmädchen, das Glück gehabt hat mit einem Herrn aus der Gesellschaft. Und sie fand diese Komödie köstlich.

      So gingen sie in allerhand gewöhnliche Kneipen, setzten sich in verräucherte dunkle Löcher, auf wackelige Stühle an einen alten Holztisch. Eine dichte Rauchwolke, in der noch vom Mittag her der Geruch von gebackenen Fischen schwebte, lagerte über dem Lokal. Blousenmänner saßen da vor ihrem Glas und gröhlten. Und der Kellner blickte ganz erstaunt das seltsame Paar an, als er den Kirschschnaps vor sie hinstellte.

      Zitternd vor Furcht und Entzücken nippte sie den roten Saft mit kleinen Schlückchen und blickte ängstlich und aufgeregt um sich. Jeder Schnaps, den sie trank, kam ihr wie ein Verbrechen vor, jeder Tropfen der brennenden gepfefferten Flüssigkeit, der ihr die Kehle hinabrann, machte ihr unendliches Vergnügen, die Freude am sündhaften Genuß der ververbotenen Frucht.

      Endlich sagte sie halblaut:

      – Wir wollen gehen.

      Und sie gingen. Sie lief schnell, mit gesenktem Kopf und kleinen Schritten wie eine Schauspielerin, die die Bühne verläßt, und ging so zwischen den Zechern hindurch, die, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, ihr mit argwöhnischen, unzufriedenen Blicken nachschauten. Und wenn sie dann draußen stand, seufzte sie erleichtert auf, als ob sie einer furchtbaren Gefahr entronnen wäre. Manchmal fragte sie zitternd Duroy:

      – Was würdest Du thun, wenn man mich hier beleidigte?

      Er antwortete in renommistischem Ton:

      – Nu Donnerwetter, ich würde Dich verteidigen!

      Und glückselig preßte sie seinen Arm, vielleicht mit dem unbestimmten Wunsch, angegriffen und von ihm verteidigt zu werden, mit dem Wunsch, zu erleben, wie die Männer sich ihretwegen schlügen – sogar solche Kerle mit ihrem Geliebten.

      Aber als diese Ausflüge zwei, sogar drei Mal in der Woche einander folgten, wurden sie Duroy lästig, der nebenbei seit einiger Zeit noch große Not hatte, sich auch nur die zehn Franken zu verschaffen, die jedesmal Wagen und Getränke kosteten.

      Er hatte es jetzt sehr sauer, es wurde ihm schwerer auszukommen als zu der Zeit, wo er Eisenbahnbeamter gewesen. Da er während der ersten Monate seines Journalistentums ohne zu rechnen darauf los gewirtschaftet hatte, immer in der Hoffnung am nächsten Tage viel Geld zu verdienen, hatte er nun alle Möglichkeiten sich Geld zu verschaffen und alle Hülfsquellen erschöpft.

      Das einfache Mittel, sich an der Kasse Vorschuß geben zu lassen, war schnell verbraucht. Er hatte bei der Zeitung sein Gehalt schon vier Monate im voraus erhoben, dazu sechshundert Franken Zeilenhonorar. Dann war er noch Forestier hundert Franken schuldig, Jacques Rival, der sehr freigebig war, dreihundert Franken, und eine Menge kleiner Schulden, die er sich gar nicht einzugestehen wagte, nagten an ihm, von zwanzig Franken bis herab zu hundert Sous.

      Er hatte Saint-Potin gefragt, wie er es anstellen könnte, noch hundert Franken aufzutreiben. Aber obgleich jener ein erfindungsreicher Kopf war, wußte er kein Mittel. Und Duroy war außer sich über dieses Elend, das er stärker empfand als früher, weil er mehr Bedürfnisse hatte. Eine stille Wut gegen alle Welt kochte in ihm. Und seine unausgesetzte Erregung entlud sich bei jeder Gelegenheit, in jedem Augenblick, wegen der unbedeutendsten Dinge.

      Manchmal fragte er sich, wie er es nur fertig gebracht, im Durchschnitt tausend Franken monatlich zu verbrauchen, ohne irgend welche Ausschweifung oder besondere Ausgabe. Und er stellte bei sich fest, daß allerdings, wenn man ein Frühstück für acht Franken mit einem Diner zu zwölf Franken, das er irgendwo in einem großen Restaurant auf dem Boulevard eingenommen, zusammenzählte, schon ein Zwanzigfrankenstück herauskam; zählte man dann bloß noch zehn Franken Taschengeld dazu, was sich so verkrümelt, wirklich ohne daß man weiß, wo es bleibt, so gab das schon dreißig Franken. Und dreißig Franken täglich wiederum ergaben am Monatschluß neunhundert Franken und dabei war noch nicht einmal Kleidung, Wäsche, Schuhmacher eingerechnet.

      So hatte er also am vierzehnten Dezember nichts mehr in der Tasche und sah keine Möglichkeit, Geld aufzutreiben.

      Da machte er das, was er früher schon oft gethan, er aß nicht zu Mittag, und die Nachmittage brachte er auf der Redaktion zu bei der Arbeit, wütend und allerlei Gedanken umherwälzend.

      Gegen vier Uhr bekam er ein Stadttelegramm seiner Geliebten des Inhalts:

      »Wollen wir zusammen essen und dann eine kleine Bummelreise machen?«

      Er antwortete sofort:

      »Essen unmöglich.«

      Dann überlegte er sich, daß es doch thöricht sei, nicht die schönen Stunden mitzunehmen, die sie ihm schenkte, und fügte hinzu:

      »Erwarte Dich neun Uhr in unserer Wohnung.«

      Und nachdem er einen der Zeitungsjungen mit der Nachricht fortgeschickt, um den Preis des Telegramms zu sparen, dachte er nach, wie er es anstellen könnte, um sich ein Abendessen zu verschaffen.

      Um sieben Uhr war er noch nicht schlauer geworden, und ein fürchterlicher Hunger peinigte ihn. Da kam er auf eine ganz verzweifelte List: er ließ seine Kollegen einen nach dem andern fortgehen, und als er allein war, klingelte er. Der Redaktionsdiener, der noch da geblieben war, erschien:

      Duroy stand da, suchte nervös in den Taschen und sagte kurz:

      – Hören Sie mal, Foucart, ich habe mein Portemonnaie zu Hause liegen lassen und ich muß im Luxembourg essen, borgen Sie mir doch mal fünfzig Sous, daß ich die Droschke bezahlen kann.

      Der Mann zog drei Franken aus der Tasche und fragte:

      – Herr Duroy, wollen Sie nicht mehr?

      – Nein, das genügt, danke sehr.

      Nachdem Duroy die Silberstücke empfangen hatte, lief er die Treppe hinab und ging in eine Garküche, wo er an Tagen, wenn es ihm schlecht ging, zu landen pflegte.

      Um neun Uhr erwartete er im kleinen Salon, am Kamin sitzend, seine Geliebte.

      Sie kam, war sehr angeregt, heiter und frisch von der kalten Luft.

      – Weißt Du was, sagte sie, wir wollen doch erst noch ein bißchen herumbummeln und um elf kommen wir wieder her. Es ist so schönes Wetter draußen.

      Er antwortete brummig:

      – Wozu denn fortgehen, hier ist es sehr gemütlich!

      Sie sagte, ohne den Hut abzusetzen:

      – Ach, es ist so wunderschöner Mondschein heute, es ist wirklich köstlich, heute abend spazieren zu gehen.

      – Das kann schon sein, aber ich mag nicht.

      Er hatte das wütend gesagt, sie fühlte sich gekränkt und fragte:

      – Was hast Du denn? Warum bist Du denn so grob? Ich möchte gern noch einen Spaziergang machen, weshalb ärgert Dich denn das so?

      Verzweifelt sprang er auf:

      – Es ärgert mich nicht. Es langweilt mich einfach, na!

      Widerstand erregte sie; Unhöflichkeit brachte sie außer sich, und sie sagte mit Verachtung, mit gedämpfter Wut:

      – Ich bin nicht gewohnt, daß man so mit mir spricht, dann gehe ich allein fort. Adieu!

      Er merkte, daß die Sache anfing ernst zu werden, ging lebhaft auf sie zu, nahm sie bei den Händen, küßte sie und stammelte:

      – Verzeih’ doch, liebes Kind, ich bin heute abend sehr nervös, sehr erregt, weißt Du, ich habe Unannehmlichkeiten, Widerwärtigkeiten im Beruf.

      Sie antwortete ein wenig milder, aber noch nicht ganz versöhnt:

      – Das geht mich nichts an. Und ich dulde nicht, daß Du Deine schlechte Laune an mir auslässest.

      Da umarmte er sie und zog sie zum Sofa:

      – So höre doch, mein kleines Tierchen, ich wollte Dich ja nicht kränken. Ich habe nicht überlegt, was ich sagte.


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