Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
hatte sich neben sie gesetzt und betrachtete sie mit erwachter Neugierde, mit der Neugier eines Liebhabers von Nippsachen. Sie war reizend, von einem zarten, warmen Blond, wie zum Küssen gemacht, und er dachte: na, sie ist mir unbedingt lieber wie die andere. Er zweifelte gar nicht an seinem Erfolge, er brauchte nur die Hand auszustrecken, meinte er, um sie zu nehmen, wie man eine Frucht pflückt. So sagte er entschlossen:
– Ich bin nicht gekommen, weil es besser für mich war.
Sie verstand nicht.
– Was, warum?
– Warum? Erraten Sie’s nicht?
– Nein, gar nicht.
– Weil ich Sie liebe. Nur ein bißchen, ein bißchen, aber es sollte nicht schlimmer werden.
Sie schien weder erstaunt, noch empört, noch geschmeichelt zu sein, sie hatte noch immer dasselbe gleichgiltige Lächeln und antwortete ganz ruhig:
– Ach, Sie können trotzdem kommen, mich liebt nie einer lange.
Er war noch mehr über den Ton erstaunt, als über die Worte und fragte:
– Warum?
– Weil’s ganz unnütz ist und das merkt jeder bald. Wenn Sie mir Ihre Befürchtung früher mitgeteilt hätten, hätte ich Sie beruhigt und im Gegenteil Ihnen geraten, möglichst häufig zu kommen.
Er rief pathetisch:
– Ja man kann doch nicht seinen Gefühlen befehlen!
Sie wandte sich zu ihm:
– Lieber Freund, für mich ist ein Verliebter aus der Reihe der Lebenden gelöscht, für mich wird er ein Idiot und nicht nur das, sondern geradezu gemeingefährlich. Mit Leuten, die mich lieben oder die wenigstens behaupten, es wäre so, gebe ich jeden nähern Verkehr auf; einmal langweilt es mich und dann sind sie mir einfach verdächtig, wie ein toller Hund, der plötzlich einen Anfall bekommen kann. Darum lasse ich sie eine moralische Quarantäne durchmachen, bis ihre Krankheit vorüber ist. Vergessen Sie das nicht. Ich weiß wohl, bei euch ist die Liebe nur eine Art von Mahlzeit, bei mir dagegen würde sie wie ein heiliges Abendmahl sein, und das paßt nicht in die Religion der Männer. Sie wollen den Buchstaben, ich den Geist. Aber sehen Sie mich einmal genau an ….
Sie lächelte nicht mehr, sie hatte einen ruhigen, kalten Ausdruck, und nun sagte sie, jedes Wort einzeln betonend:
– Ich werde niemals, niemals Ihre Geliebte sein. Hören Sie! Alle Bemühungen sind ganz unnütz und würden Ihnen sogar schaden. Na – nun denke ich, ist die Operation gemacht. Und nun frage ich Sie: wollen wir gute Freunde sein, aber wirkliche Freunde, ohne jeden Hintergedanken?
Er hatte begriffen, daß hier jeder Versuch fruchtlos sein würde, darum fügte er sich sofort und streckte ihr erfreut, daß er sich diese Frau zur Bundesgenossin gemacht, beide Hände entgegen:
– Gnädige Frau, ich gehöre Ihnen, wie Sie’s wünschen!
Sie fühlte aus seiner Stimme die Aufrichtigkeit seiner Gedanken und gab ihm beide Hände.
Er küßte sie eine nach der andern, dann sagte er ganz ruhig, indem er den Kopf hob:
– Weiß der Teufel, wenn ich so eine Frau wie Sie gefunden hätte, wäre ich glücklich gewesen, die zu heiraten!
Diesmal war sie gerührt, diese Worte thaten ihr wohl, wie jeder Frau, der ein Kompliment einmal zu Herzen geht. Und sie warf ihm einen jener flüchtigen dankbaren Blicke zu, die uns zu Sklaven der Frauen machen.
Na er nun keinen Übergang fand, um sich zu unterhalten, so sagte sie mit weicher Stimme, indem sie einen Finger auf seinen Arm legte:
– Und ich werde gleich mein neues Verhältnis zu Ihnen, als Freundin, beginnen. Hören Sie einmal, lieber Freund Sie sind ungeschickt!
Sie zögerte und fragte:
– Kann ich ganz offen reden?
– Gewiß!
– Ganz offen?
– Ganz offen!
– Nun – wissen Sie was, machen Sie doch einmal Frau Walter einen Besuch. Sie schätzt Sie sehr, machen Sie sich einmal niedlich bei ihr. Der können Sie die schönsten Komplimente sagen, aber sie ist eine anständige Frau, absolut anständig. Auch bei der ist gar keine Hoffnung, sie zu gewinnen. Aber es ist viel schlauer, Sie lassen sich häufig da sehen. Ich weiß, daß Sie bei der Zeitung jetzt noch in einer untergeordneten Stelle sind. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben, Walters sind gegen alle ihre Redakteure gleich liebenswürdig. Glauben Sie mir, gehen Sie hin!
Er sagte lächelnd:
– Danke, Sie sind wirklich ein Engel! Mein Schutzengel.
Dann sprachen sie von etwas anderem.
Er blieb lange Zeit, er wollte ihr zeigen, daß er sich freute, bei ihr zu sein. Und als er ging, fragte er noch:
– Also nicht wahr, wir sind Freunde?
– Natürlich!
Da er gemerkt hatte, wie sein Kompliment vorhin ihr Eindruck gemacht, so fügte er hinzu:
– Und wenn Sie jemals Witwe werden sollten, bitte mich vorzumerken.
Dann ging er schnell davon, um ihr keine Zeit zu lassen,, böse zu werden.
Frau Walter einen Besuch zu machen, genierte Duroy ein wenig, denn er war von ihr gar nicht gebeten worden zu kommen, und er wollte doch keine Unschicklichkeit begehen. Der Chef war sehr wohlwollend gegen ihn, schätzte seine Dienste und verwendete ihn bei schwierigen Aufträgen besonders gern. Warum sollte er diese Gunst nicht benutzen, um sich in seinem Hause einzuführen?
Er ging also eines Tages, als er zeitig aufgestanden war,, in die Markthalle, wo gerade eine Versteigerung stattfand, und kaufte für etwa zehn Franken zwanzig Stück wundervolle Birnen.
Er packte sie sorgfältig in ein Körbchen, um den Anschein zu erregen, als wären sie ihm zugeschickt worden, und gab sie dem Portier von Walters mit seiner Karte, auf die er geschrieben:
Georg Duroy bittet Frau Walter ergebenst, diese Früchte die er heute morgen aus der Normandie bekommen hat, von ihm annehmen zu wollen.
Am nächsten Morgen fand er in seinem Briefkasten auf der Redaktion, in einem Couvert die Karte der Frau Walter, die “Herrn Georg Duroy angelegentlichst dankte, und jeden Sonnabend empfing.”
Am folgenden Sonnabend ging er hin.
Herr Walter bewohnte am Boulevard Malesherbes ein Doppelhaus, das ihm gehörte und von dem er, als sparsamer und praktischer Mann, die eine Hälfte vermietet hatte.
Ein Portier, dessen Loge zwischen den beiden Eingängen lag, öffnete sowohl für den Besitzer, als für den Mieter, sodaß jede Hälfte den Eindruck eines vornehmen, herrschaftlichen Hauses machte, da der Portier wie der Schweizer in einer Kirche angezogen war, mit Kniehosen und weißen Strümpfen, einem reichbetreßten Rock mit Goldknöpfen und scharlachroten Aufschlägen.
Die Empfangsräume lagen im ersten Stock. Vor ihnen befand sich ein Vorsaal mit stoffüberkleideten Wänden, und schweren Portièren.
Zwei verschlafene Diener saßen dort; der eine nahm Duroys Überzieher, der andere seinen Stock, dann öffnete er eine Thür, schritt voraus, trat zur Seite, ließ ihn eintreten und rief seinen Namen in das leere Zimmer.
Der junge Mann blickte sich verlegen nach allen Seiten um. Dann sah er im Spiegel eine Gruppe von Menschen, scheinbar sehr weit entfernt sitzend. Er irrte sich zuerst in der Richtung, wohin er gehen sollte, da ihn der Spiegel getäuscht. Dann schritt er noch durch zwei Salons, in denen sich niemand befand und war in einer Art von Boudoir, das mit blauer goldgeblümter Seide bespannt war. Dort unterhielten sich vier Damen, halblaut, an einem runden Tische sitzend, auf dem der Thee stand.
Trotz der Sicherheit, die Duroy durch das Pariser Leben gewonnen, und vor allen Dingen durch seinen Reporterberuf, der ihn immer mit hervorragenden Persönlichkeiten