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ließ sich bitten und lehnte mit erregtem Ausdruck ab. Endlich gab er nach und fand es im stillen eigentlich ganz richtig.

      Und als sie gegangen war, brummte er, indem er sich die Hände rieb und sich nicht weiter fragte, woher ihm gerade heute diese Meinung käme:

      – Sie ist doch riesig nett!

      Ein Paar Tage später bekam er wieder einen Rohrpostbrief des Inhalts:

      »Mein Mann kommt heute abend von der sechswöchentlichen Dienstreise zurück. Wir müssen also acht Tage Pause machen. Ich bin trostlos, mein Liebling!

      Deine Clo.«

      Duroy war ganz erstaunt, er dachte wirklich gar nicht mehr daran, daß sie verheiratet sei. Den Mann hätte er gern mal gesehen, nur einmal, um zu wissen wie er wäre.

      Indessen wartete er geduldig die Abreise des Mannes ab, besuchte aber inzwischen zweimal die Folies-Bergère und beschloß die betreffenden Abende bei Rahel.

      Dann kam eines Morgens ein neues Telegramm mit den vier Worten:

      »Heute fünf Uhr Clo.«

      Beide erschienen etwas früher zum Stelldichein. Sie fiel ihm mit großem Liebesungestüm um den Hals und küßte ihn leidenschaftlich, dann sagte sie:

      – Wenn Du’s willst, kannst Du mich nachher, nachdem wir uns ordentlich geliebt haben, in irgend ein Restaurant zum Essen führen. Ich habe mich frei gemacht.

      Es war gerade in den ersten Tagen des Monats, und obgleich sein Gehalt längst vorgegessenes Brot war und er Von einem Tage zum andern von dem Gelde lebte, das er sich hier und da verschaffen konnte, hatte Duroy doch zufällig etwas bei sich. Und es war ihm angenehm, daß sich die Gelegenheit fand, mal etwas für sie auszugeben. Er sagte:

      – Natürlich, Liebchen, wohin Du willst.

      Gegen sieben Uhr gingen sie also nach dem äußeren Boulevard. Sie lehnte sich auf seinen Arm und flüsterte ihm ins Ohr:

      – Wenn Du wüßtest, wie glücklich ich bin, mit Dir auszugehen, ich fühle Dich so gern an meiner Seite!

      Er fragte:

      – Willst Du zum alten Lathuile?

      Sie antwortete:

      – Nein, das ist zu gut. Ich möchte mich amüsieren! Es kann ein bißchen gewöhnlich sein, weißt Du – so ein Restaurant, wo kleine Commis und Arbeiterinnen verkehren. Ich habe die Kneipen so gern. Ach wenn wir doch aufs Land gekonnt hätten!

      Da er aber ein Lokal dieser Art in der Gegend nicht kannte, so irrten sie auf den Boulevards herum und traten endlich in eine Weinstube, wo man in einem Extrazimmer etwas zu essen bekommen konnte. Durch die Fensterscheiben hatte sie zwei kleine Mädchen ohne Hut gesehen; ein paar Soldaten ihnen gegenüber.

      Im Hintergrunde des engen, langen Zimmers saßen drei Droschkenkutscher beim Essen, und ein Mensch, dessen Beruf man nicht recht angeben konnte, rauchte seine Pfeife, während er, die Hände im Gürtel seiner Hose, sich auf einen Stuhl flezte, den Kopf hintenüber gegen die Stuhllehne gelegt. Sein Rock sah aus wie eine ganze Fleckensammlung, und in den bauchartig angeschwollenen Taschen sah man einen Flaschenhals, ein Stück Brot, irgend etwas in eine Zeitung gewickelt und ein Bindfadenende, das heraushing. Er hatte dichtes, gekräuseltes Haar, das ganz grau war vor Schmutz. Seine Mütze lag an der Erde unter dem Stuhl.

      Clotildes Eintritt erregte, wegen ihres eleganten Äußeren, Aufsehen. Die beiden Paare hörten auf zu flüstern, die drei Kutscher zu diskutieren, und der Raucher nahm die Pfeife aus dem Mund, spuckte und blickte sie an, indem er ein wenig den Kopf zu ihnen wandte.

      Frau von Marelle flüsterte:

      – Das ist sehr nett hier, hier befinden wir uns Wohl. Ein anderes Mal verkleide ich mich als Arbeiterin.

      Und ohne Verlegenheit, ohne Ekel, setzte sie sich an den Holztisch, der glänzte von Fettflecken und auf dem man noch die Spuren verschütteter Getränke sah, weil er nur durch den Kellner einmal flüchtig mit der Serviette abgewedelt ward. Duroy genierte sich ein wenig. Er schämte sich etwas und suchte einen Haken, um seinen Zylinder daran zu hängen. Da er keinen fand, stellte er ihn auf einen Stuhl.

      Sie aßen Ragout, ein Stück Hammelkeule und Salat. Clotilde meinte:

      – Ach ich habe das zu gern, ich habe eigentlich einen plebejischen Geschmack! Mir gefällt’s hier besser als im Café Anglais.

      Dann sagte sie:

      – Wenn Du mich ganz glücklich machen willst, so nimm mich jetzt auf den Tanzboden mit. Ich kenne ein sehr spaßiges Lokal ganz nah von hier, es heißt: »Zur weißen Königin.«

      Duroy fragte erstaunt:

      – Wer hat Dich denn dorthin gebracht?

      Er sah sie an, gewahrte, wie sie rot ward, ein wenig verlegen, als ob die plötzliche Frage eine zarte Erinnerung in ihr wach gerufen. Sie zögerte nur einen Augenblick, wie es Frauen manchmal thun, so kurz, daß man es kaum merkt und antwortete:

      – Ein Freund.

      Dann machte sie eine Pause und fügte hinzu:

      – Er ist tot.

      Sie schlug mit natürlichem Ausdruck der Trauer die Augen nieder.

      Und Duroy dachte zum ersten Mal an all das, was er aus dem vergangenen Leben dieser Frau nicht wußte, und sann nach. Sie hatte gewiß schon Liebhaber gehabt. Aber welche? Aus welcher Gesellschaftsschicht? Und eine unbestimmte Eifersucht, eine Art Feindschaft stieg in ihm empor, gegen sie, gegen alles, was er nicht wußte, gegen alles, was ihm von diesem Herzen und diesem Menschendasein nicht gehörte. Er sah sie an; das Geheimnis dieses stummen, hübschen Köpfchens, das vielleicht in diesem Augenblick an den anderen, an die andern mit Bedauern dachte, quälte ihn. Ach, er wäre zu gerne in ihre Vergangenheit eingedrungen, um darin zu wühlen, alles zu erfahren, alles zu wissen!

      Sie sagte noch einmal:

      – Willst Du mit mir in die »Weiße Königin« gehen? Das wird ein richtiges Vergnügen!

      Er dachte: ach was geht mich die Vergangenheit an. Ich bin schön dumm, mich darum zu kümmern. Und lächelnd antwortete er:

      – Aber gewiß, liebes Kind.

      Als sie auf der Straße standen, fing sie wieder ganz leise mit jenem geheimnisvollen Ton an, in dem man Geständnisse macht:

      – Ich habe bis jetzt nicht gewagt, Dich darum zu bitten, aber Du weißt gar nicht, wie gern ich tolle Jungenstreiche mache und dorthin gehe, wo man als anständige Frau nicht hingehen kann. Weißt Du, wenn erst Karneval ist, verkleide ich mich als Student. Ich sage Dir, als Student bin ich furchtbar komisch!

      Als sie den Ballsaal betraten, schmiegte sie sich an ihn, etwas ängstlich, aber doch zufrieden, und betrachtete mit Entzücken die Mädchen und Zuhälter, und ab und zu sagte sie wie wenn sie sich gegen eine mögliche Gefahr schützen wollte, indem sie auf einen ernst und unbeweglich dastehenden Polizisten deutete:

      – Der Schutzmann da sieht aber stramm aus.

      Nach einer Viertelstunde hatte sie genug und er brachte sie nach Hause.

      Von da an unternahmen sie Ausflüge in alle möglichen verdächtigen Lokale, wo sich das Volk amüsiert. Und Duroy entdeckte bei seiner Geliebten eine unglaubliche Leidenschaft für diese fidelen Bummelreisen.

      Sie kam zu ihrem gewöhnlichen Stelldichein, im Waschkleide, ein Zofenmützchen auf dem Kopf; aber trotz der zierlichen und gesuchten Einfachheit ihres Anzuges behielt sie Fingerringe, Armbänder und Brillant-Ohrringe, und wenn er sie anflehte, sie abzulegen, sagte sie:

      – Ach was, man wird sie doch für Glas halten.

      Sie glaubte, sie wäre vorzüglich verkleidet, obgleich sie in Wirklichkeit sich nur wie der Vogel Strauß versteckt hatte. So gingen sie in die anrüchigsten Lokale.

      Sie wollte durchaus, daß Duroy sich als Arbeiter anziehen sollte, aber er wehrte sich dagegen und behielt seinen gewöhnlichen Boulevardanzug,


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