Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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Brust hing er seine Plate, das Schwert durfte nicht fehlen – für alle Fälle. Als er hinaustrat, sein Pferd satteln zu lassen, dämmerte am fernsten Horizont der Morgen, während die Sterne über ihm noch bleich schimmerten.

      Der Stallknecht erzählte, daß das Fräulein ihn geweckt und vor einer Stunde schon mit dem polnischen Grauschimmel den Hof verlassen habe. Hans trug ihm auf, dem Kämmerer zu sagen, daß er in seiner Abwesenheit auf die Wirtschaft achthaben solle. Wenn man nach ihm frage, solle es heißen, er sei auf die Märkte geritten, Vieh zu kaufen.

      Er ritt in scharfem Trabe den geradesten Weg nordwärts auf Burg Roggenhausen zu. Vor dem Dorfe Grutte holte er einen Fußgänger ein, der eine schwere Armbrust über der Schulter trug. Bald erkannte er den Waldmeister.

      Wohin, Alter? fragte er. Er wußte es nur zu gut.

      Das kümmert niemand, war die rauhe Antwort.

      Der Junker ritt im Schritt neben ihm her. Warum tragt Ihr Euch hier auf der Landstraße mit der schweren Armbrust?

      Der Alte lachte. Ich bin ein Jäger und gehe auf die Jagd.

      So weit reicht nicht Euer Revier, Waldmeister.

      Mein Wild streicht weit herum. Ich bin einem Edelhirsch auf der Fährte, den ich schon einmal in Schußweite hatte.

      Ihr geht mit schlechten Gedanken um, Waldmeister.

      Mit finsteren Gedanken, das ist meine Art.

      Hans überlegte, ob er ihn merken lassen solle, daß er von seinem Vorhaben wisse. Aber er war nicht sicher, was der Alte dann tat, und zu Fuß brauchte er doch immer doppelte Zeit, mußte ihm also einen weiten Vorsprung lassen. Er sagte daher nur: Kehrt nach Hause zurück, Gundrat, und seht in Eurem Walde nach dem Rechten.

      Der Alte schüttelte unwillig das graue Haupt und setzte seinen Weg fort.

      Hans gab es auf, ihn anders zu stimmen. Er grüßte ihn und jagte davon, daß der Staub hinter ihm hoch aufwirbelte. Bald verschwand er dem Waldmeister aus den Augen.

      38. DER ZWEITE DIENST

       Inhaltsverzeichnis

      Der Hochmeister residierte wieder in der Marienburg. Im Schlosse und in der Stadt hatten noch immer die Bauhandwerker reichlich Beschäftigung. Wittinnen mit Ziegeln und Feldsteinen schwer beladen lagen im Nogatstrom. Ein Teil des Stadtangers war zu Zimmerplätzen eingerichtet, und die Äxte hämmerten da von früh bis spät, das Sparrenwerk zu den Dächern der neuerbauten Häuser herzustellen. Immer mehr schwanden die Holzbaracken, in denen man sich nach Aufhebung der Belagerung begnügt hatte, und machten stattlichen Gebäuden mit gewölbten Lauben Platz. Am Turm der Pfarrkirche hingen die Gerüste der Maurer, die neue Ziegel in die Kugellöcher einfügten, und hoch oben hantierten die Dachdecker. Jenseits des Flusses ließ der Orden den Kaldenhof neu aufbauen. Aber auch im Schlosse selbst und in der Vorburg waren die Reparaturen noch lange nicht beendet.

      Auch jetzt bewohnte Heinrich von Plauen nicht die dem Hochmeister bestimmten Prunkgemächer im mittleren Schlosse. Seinem einfachen Sinne sagte es nicht zu, fürstlich hofzuhalten und seine Lebensweise von der seiner Ritter mehr als dringend nötig zu entfernen. Er hatte einige Zimmer im Hochbau inne neben denen der obersten Gebietiger, die er so schnell zur Seite haben konnte, und hielt sich im mittleren Schlosse meist nur auf, wenn er fremde Botschafter aufzunehmen oder mit den Sendboten der Städte zu verkehren hatte.

      Von dem heiteren Leben, das in der Marienburg unter seinen Vorgängern geherrscht hatte, und von dem fürstlichen Glanz ihrer Hofhaltung war jetzt wenig zu spüren. Plauen hatte zu Festen keine Zeit. Er arbeitete unablässig mit seinen Schreibern, beriet mit dem Großkomtur Hermann Gans, mehr noch mit Behemund Brendel, dem Oberst-Tresler, der Geld verschaffen sollte und doch schon alle Hilfsquellen erschöpft hatte. Häufig fand sich auch Albrecht von Tonna, der Oberst-Trappier, von der Christburg ein und blieb dann tagelang, um dem Meister die Bestände an Ausrüstungsgegenständen aller Art aus den Registern vorzuweisen und mit ihm zu beraten, wie die Lücken auszufüllen seien. Briefe waren bald an den König von Ungarn, bald an den König von Böhmen, an den Deutschmeister, an die Reichsfürsten, geistliche und weltliche, an die Hansestädte, die sich Danzigs wegen schwer beruhigen konnten, oder auch an den Landmeister von Livland zu schreiben, der den Großfürsten von Litauen scharf beobachten sollte, damit man nicht überrascht werde. Boten des Königs von Polen, der wegen Erfüllung der Friedensbedingungen drängte und immer neue Winkelzüge machte, oder Abgesandte des Meisters an ihn waren immer unterwegs.

      Dazu beaufsichtigte Plauen gern selbst die ritterlichen Übungen, die er angeordnet hatte, die jüngeren Glieder des Ordens kriegstüchtiger zu machen, und ungern versäumte er den Gottesdienst in der Kapelle zu den Gezeiten. Sein Leben war Sorge und Arbeit, und selten schlief er nachts länger als vier oder fünf Stunden.

      Betrat der Hochmeister die Vorburg, um dort nach dem Rechten zu schauen, so versäumte er nicht leicht, ins Gießhaus einzutreten, das jetzt größer ausgebaut und nach den Weisungen des wackeren Ambrosius mit allem trefflich versehen war, was zur Herstellung großer Geschütze erforderlich schien. In seinem Auftrag war der Gießmeister nach Nürnberg gereist, um sich in den dortigen berühmten Werkstätten selbst zu überführen, wie weit man inzwischen in der Gießkunst Fortschritte gemacht habe. Ambrosius verbesserte danach sein eigenes Verfahren, setzte auch unablässig seine Versuche fort, durch allerhand Mischungen von Metallen ein brauchbares Material zum Gusse zu gewinnen, meinte aber, die Büchsen leisteten schon, was sie leisten könnten, und er wollte sich's wohl übernehmen, eine ganz fehlerfrei herzustellen, die nicht zehn Pferde von der Stelle bewegen könnten. Das sei eben der Übelstand, daß die Rohre, wenn sie auch geradeaus mächtig wirkten, sich schwer transportieren und auf ihrem Standpunkt richten ließen. Der wird bei Fürsten und Städten wohlangesehen sein, sagte er, der eine Vorrichtung erfindet, wie man die Büchsen auf freiem Felde gebraucht, ohne sie abladen und aufladen zu dürfen, und wie man sie mit wenig Menschenkraft nach allen Himmelsrichtungen wendet, jedes beliebige Ziel zu treffen. Da können nur Hebel und Schrauben helfen. Abends saß er dann vor einer schwarz angestrichenen Holztafel und zeichnete mit Kreide darauf allerhand wunderliche Figuren, die außer ihm niemand verstand.

      Neben dem Gießhause hatte Ambrosius eine geräumigere Wohnung, die der Hochmeister gar freundlich hatte einrichten lassen, damit es dem Nürnberger auch ferner bei ihm gefalle. Zwei Stübchen waren für Waltrudis bestimmt, mit schönen Ledertapeten bekleidet und mit weichen Decken ausgelegt, auch mit hübsch geschnitzten Möbeln von Eichenholz gut versehen. In dem ersten hatte sie ihr Arbeitstischchen am Fenster stehen und den Spinnrocken daneben, der künstlich von verschiedenem Holz gearbeitet war. Auf dem Tische stand ein Kästchen zu allerhand Nähzeug, das Ambrosius für sie auf des Meisters Bestellung aus Nürnberg hatte mitbringen müssen. Auf dem Deckel war mit Schildpatt, Perlmutter und Silber ein Heiligenbild zierlich ausgelegt, und innen zeigten sich viele kleine Fächer und bewegliche Schachteln, daß es jedem Mädchen eine Freude sein mußte, Ordnung zu halten. In dem zweiten Stübchen stand das Bett, das mit einem Himmel von blauem gesterntem Zeuge faltig überdeckt war, so daß Frau Ambrosius meinte, sie schlafe wie eine Prinzessin. An der Wand hing ein kleiner Spiegel von venezianischem Glase, der so glatt und eben geschliffen war, daß sich das Bild dessen, der hineinschaute, gar nicht verzerrte, und die Waschschale auf dem niedrigen Bänkchen und die Wasserkanne daneben waren von getriebenem Metall, wie man solche Stücke sonst nur in den Taufkapellen oder bei fürstlichen Herrschaften sah. Der Hochmeister hatte sie von seinem Erbgut hergeliehen nebst einem Kästchen von arabischer Arbeit, in dem sich Elfenbeinkämme, Spangen, Ringe und mancherlei Nadeln befanden. Die Gießmeisterin hatte sich längst daran gewöhnt, Waltrudis als eine nahe Verwandte Plauens anzusehen, die dieser zärtlich liebte und dauernd in seiner Nähe haben wollte. Sie behandelte sie nicht wie eine Tochter, so gern das Mädchen sich zu allen häuslichen Diensten erbot und überall zusprang, aber auch nicht wie eine vornehme Fremde, die sich nur zum Besuche aufhielt. Es hatte sich ein gut freundschaftliches Verhältnis herausgebildet, das beide Teile befriedigte. Die kluge Frau merkte wohl, daß ihr Mann mancherlei Vorteile hatte, die er nicht alle seiner amtlichen Tätigkeit dankte, und gab sich alle Mühe, sie


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