Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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mich auch nicht Haß oder Rachsucht gegen irgendwen, sondern was ich für meine Pflicht erachte, das tue ich. Gefalle es Ew. Gnaden, mir solches Vertrauen zu schenken.

      Der Hochmeister winkte mit der Hand und sagte: Sprich nur, sprich; wir wollen dir's nicht verdenken.

      Nun erzählte Hans, was er von des Komturs bösen Anschlägen wußte. Plauen lächelte anfangs ungläubig, als von Georg von Wirsberg die Rede war; er glaubte ihn besser zu kennen. Bald aber mußte er einsehen, daß sein junger Freund über vieles unterrichtet war, was nur jemand wissen konnte, dem der Komtur selbst sich eröffnet hatte. Es war ihm kürzlich ein Brief des Deutschmeisters zugegangen, in dem dieser anfragte, ob die Werbungen in Böhmen, Mähren und Schlesien mit seinem Willen geschähen. Auch war ihm heimlich geschrieben worden, daß Georg sich in des Königs von Böhmen Rat geschworen habe. Das hatte er für eine böswillige Verleumdung gehalten, die Werbungen aber sich zum Nutzen gerechnet. Nun bekam die Sache plötzlich ein ander Gesicht. Es war ihm ein Stich ins Herz, daß Wirsberg untreu sein sollte, aber er wagte nun doch nicht, dem Angeber das Wort abzuschneiden, sondern hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, und sein Blick verfinsterte sich mehr und mehr, da er wohl erkannte, daß etwas Wahres an dem Bericht sei.

      Als Hans geendet hatte, stand der Hochmeister eine Weile unbeweglich, ging dann auf ihn zu, legte ihm die schwere Hand auf die Schulter und sah ihn so scharf an, als ob er ihn durch und durch sehen wollte. Und wie gedenkst du das zu beweisen? fragte er ihn.

      Hans zuckte ein wenig zurück. Zu beweisen, gnädigster Herr?

      Bedenke, daß du einen Gebietiger des Ordens schwerster Schuld gegen sein Oberhaupt, daß du angesehene Landesritter schwerster Verbrechen gegen ihre Herrschaft anklagst. Meinst du, mir könne genügen, was du sprichst und was ich höre? Ich muß Beweise haben, wenn ich dir glauben und wenn ich handeln soll.

      Hans erschrak im Innersten. Durfte ich schweigen, wenn ich Beweise nicht zur Stelle schaffen konnte? fragte er. Ich selbst bin der Zeuge, und ich entbiete mich zu dem größten Eide auf unseres Heilandes Blut und seiner Mutter Schmerzen, daß ich die Wahrheit spreche. Laßt mich in die Kapelle vor den Altar führen, und ich will jedes Wort wiederholen.

      Plauen schüttelte das Haupt. Das würde mich bestimmen können, dir mehr zu glauben, wenn ich an deinem Worte zweifelte. Denen gegenüber aber, die du des Verrats beschuldigst, giltst du selbst als ein Verräter. Dein Zeugnis hat kein Gewicht. Es nutzt nicht einmal, daß ich dich ihnen nenne. Was soll also geschehen?

      Gilt Euch mein Wort nur so viel, gnädigster Herr, daß Ihr darauf hin eine Nachforschung halten lasset, so zweifle ich nicht, daß Euch in des Komturs Gemach Schriftstücke in die Hand fallen werden, die gegen ihn und seine Helfershelfer beweisend sind. Auch möchte es wohl gelingen, seinen Bruder Friedrich aufzufangen, der von allem weiß. Ich aber erbiete mich freiwillig zur Haft, bis Ihr meine Angaben richtig befunden habt, und will mit Schwert und Schild jedem auf Leben und Tod Rede stehen, der mich anklagen kann, daß ich ihn fälschlich bezichtigte.

      Das ist ein mannhaftes Wort! rief Plauen, seine Hand fassend. Ich will dich daran halten. Tue ich jemand Unrecht, so wisse, daß es dein Unrecht ist und daß du es zu verantworten hast hier und ewiglich. Finde ich's aber, wie du sagst, so sollst du eines fürstlichen Dankes gewiß sein; denn wahrlich, aus großer Gefahr hast du das Land gerettet! O Absalon, Absalon!

      Er drückte die Hand vor die Augen und preßte schmerzlich die Lippen Zusammen. So stand er eine Minute lang. Dann öffnete er die Tür und berief den Hauskomtur. Dieser da hat sich uns zur Haft gestellt, sagte er, bis sein Pfand gelöst ist. Weist ihm ein Gemach im Turme an und hütet ihn wohl. Doch soll er ritterlich Gefängnis haben und von meinem eigenen Tische Speise und Trank erhalten. Ersucht den Großkomtur, sich sofort zu mir zu bemühen. In einer Stunde sollen zehn Ritterpferde im Marstalle gesattelt stehen.

      Der Großkomtur erschien. Der Meister beriet mit ihm die notwendigen Schritte. Die zuverlässigsten von den Brüdern wurden ausgewählt. Herr Hermann Gans erbot sich selbst, mit ihnen nach Rheden zu reiten, den Komtur und die Rädelsführer unter den Eidechsen aufzuheben und unschädlich zu machen. Drei von den Brüdern sollten dann weiter über Thorn, um Friedrich von Wirsberg den Weg zu verlegen und die Söldner in des Meisters Auftrag zu verpflichten. Die Vollmachten wurden sogleich ausgestellt.

      An diesem Vormittag kam Ritter Wigand umsonst nach der Vorburg. Waltrudis hatte sich in ihr Stübchen zurückgezogen und ließ sich entschuldigen. Es war ihr nicht möglich, in so erregter Stimmung am Unterricht teilzunehmen, und das lautere Schlagen des Herzens sagte ihr, wie sehr das unverhoffte Wiedersehen sie erregt hatte. Ihr war froh zumut, als ob sich ein sehnlicher Wunsch nun erfüllen müßte, und doch sprach sie ihn vor sich selbst nicht aus. Sie wollte nur allein sein und niemand Rechenschaft geben dürfen, wenn sie zerstreut in die Ferne schaute oder lächelte oder eine Melodie vor sich hin summte, während sie das Rad am Rocken drehte und den feinen Faden auszog. Oft genug knotete er sich, aber darin sah sie keine schlimme Bedeutung.

      Sie hatte auch einen Gesellschafter, der sie nicht störte, das war ihr kleines Vögelchen. Das nahm sie nun auf die Hand, reichte ihm Futter, sprach mit ihm und gab ihm allerhand zärtliche Namen, die das Tierchen noch nie gehört hatte. Es war ihr Bedürfnis, irgendein liebes Lebendiges zu streicheln und zu liebkosen, zu herzen und zu küssen, und das Vögelchen konnte ja nichts verraten. Seinen Namen hatte es schon längst erhalten.

      Switrigal aber, als er erfuhr, daß Waltrudis ausbleiben würde, zeigte sich recht unwirsch und sagte auch für sich dem Lehrer ab. Er vermutete wohl, daß der Besuch daran schuld sei, und fühlte sich zurückgesetzt. Eine eifersüchtige Laune trieb ihn auf den Höfen und in den Ställen umher. Endlich ließ er sich ein Pferd satteln und jagte fort ins Land hinein, um erst am späten Abend zurückzukehren.

      Warum kam aber Junker Hans nicht wieder? Nachdem Waltrudis viele Stunden in den Nachmittag hinein geduldig gewartet hatte, wurde sie doch unruhig. Es trieb sie nun zur Gießmeisterin, und bald genug kam das Gespräch auf ihn. Ambrosius hatte sich nicht die Zeit gegönnt, abzuwarten, bis Hans von der Buche des Hochmeisters Gemach wieder verließ, und so wußte er nicht, was geschehen war. Nun durfte er sich's, den Frauen zu Gefallen, nicht verdrießen lassen, nochmals aufs Schloß zu gehen und Nachfrage zu halten. Als er dann berichtete, daß der Junker auf des Hochmeisters Befehl gefangengenommen und in den Turm gelegt sei, gab's große Bestürzung. Wer weiß, womit er sich vergangen hat? meinte Frau Ambrosius. Es ist jetzt eine schlimme Zeit und geschehen Dinge überall, die früher unerhört waren. Der Gießmeister hatte den Ring mit dem Eidechsenzeichen bemerkt und leitete von da her allerhand Befürchtung ab.

      Waltrudis aber verwies ihm solche Rede und sprach's zuversichtlich aus, daß er gewiß gut und treu sei und so jederzeit werde erfunden werden. Im Herzen war sie aber doch schwer beunruhigt. Er hatte von einem Geheimnis gesprochen. Hatte ihn das nun um seine Freiheit gebracht?

      Ritter Wigand wußte am nächsten Tage auch nicht mehr, als daß eilig etwas im Werk sein müsse. Früher, sagte er, geschah nichts Wichtiges, ohne daß das Kapitel befragt wurde, jetzt aber sind sich die Herren Gebietiger allemal selbst klug genug, und oft wissen sie nicht einmal von des Meisters Ratschlägen, sondern er bespricht sich heimlich mit wem er will, auch mit solchen, die der Brüderschaft nicht angehören, und es ist versteckte Klage darüber, daß er gern seine eigenen Wege geht. Weiß nicht, was daran zu loben oder zu tadeln ist – die Dinge sind eben nicht mehr wie ehedem, und die Menschen können es auch nicht sein.

      Waltrudis schmeichelte ihm das Versprechen ab, daß er versuchen wolle, den Gefangenen zu sprechen und ihm einen Gruß zu bringen. Er ist meines Bruders liebster Freund, sagte sie gleichsam zur Entschuldigung, da ist's wohl natürlich, daß ich um ihn besorgt bin.

      Er erhielt unschwer Erlaubnis, in des Hauskomturs Beisein den Junker zu sprechen und seine Bestellung auszurichten. Da sah er denn mit eigenen Augen, daß der Gefangene nicht streng gehalten wurde. Dessen Freude über des Fräuleins gütiges Gedenken war groß. Er zog den Ring mit der Eidechse vom Finger und sagte: Bringt ihr den Ring zum Zeichen, daß Ihr wirklich bei mir gewesen seid, und bittet sie, zu glauben, daß ich mich selbst zur Haft erboten habe, bis ein Versprechen gelöst worden. Ich hoffe, es soll sich bald zeigen, daß ich mit Ehren bestehe. Ich bin nicht in Sorge, und so mag sie's auch nicht sein. Der Ritter versprach


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