Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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Wigand. Der alte Herr war nicht abgeneigt, einen Versuch dieser Art zu wagen, und hatte sich bald seines Gelingens zu erfreuen. Täglich am Vormittage saß er nun im Wohnzimmer des Meisters Ambrosius am großen Tisch zwischen Switrigal und Waltrudis und trug ihnen vor, was für Länder in Europa wären, und was für eine Regierung ein jedes habe, wie die Fürsten hießen und deren Gemahlinnen, wie sie miteinander verwandt und verschwägert waren, welche Wappen sie und ihre vornehmsten Vasallen führten und welche Bedeutung alle die krausen Zeichen darin und darauf hätten. Auch erzählte er, wie man es in Krieg und Frieden mit dem Verkehr unter den Potentaten halte, wie man Gesandte schicke und beglaubige und welche Rechte man ihnen beilege, auch was das Heroldsamt zu sagen habe, wie man Fehde ankündige und was im Kriege und bei Turnieren für unritterlich gelte. Über alle diese Dinge und noch viele mehr wußte er gut Bescheid. Waltrudis schien aufmerksam zuzuhören, und wenn Switrigal auch öfter zu ihr hinüber als den Lehrer ansah, so blieb doch auch bei ihm einiges haften, und der Ehrgeiz, es dem Fräulein im Antworten gleichzutun, wirkte anstachelnd. Ihr müßt sorgen, Prinz, sagte sie ihm, daß einmal in Eurem Herzogtum Masowien eine recht christliche und ritterliche Regierung in Kraft sei, damit dieses Ordensland eine gute Stütze an ihr finde im Kampfe gegen die barbarischen und heidnischen Völker des Ostens.

      Ritter Wigand stimmte zu und sang des Ordens Lob. Helft mir dazu, Waltrudis, antwortete er, das Gesicht in beide Arme stützend und sie mit verlangenden Blicken anschauend. Sie aber wollte ihn nicht verstehen.

      So stand's in der Marienburg, als Hans von der Buche sich nach zweitägigem scharfem Ritt dort einfand. Er war am Abend angelangt und in der städtischen Herberge abgestiegen, man ließ ihn aber so spät nicht mehr in die Burg ein. Am nächsten Morgen kam er zwar in den Schloßhof, sah sich aber überall abgewiesen, da er erklärte, nur mit dem Herrn Hochmeister selbst sprechen zu wollen, auch keinem Geringeren sagen zu können, um was es sich handle, außer, daß größte Gefahr im Verzuge sei. Man hielt ihn für gestört und trieb ihn zuletzt vom Hofe. Da er nun sah, daß er sich hier vergeblich mühen und nur Zeit versäumen würde, ging er nach der Vorburg, um nach Meister Ambrosius zu fragen und ob der noch dort seine Wohnung habe.

      Er fand ihn im Gießhause, und es war große Freude des Wiedersehens. Der Meister führte ihn in seine Wohnung hinauf, und auch seine Frau bewillkommte den unerwarteten Gast aufs freundlichste. Als er nun aber zu erzählen anfing, wie es ihm seit dem Herbst ergangen und wie er seinen Hof wieder aufgebaut, da öffnete sich die Tür zur Seite und Waltrudis trat mit hochgerötetem Gesicht ein. Seid Ihr's wirklich, Herr Hans von der Buche? rief sie; hab' ich Euch doch gleich gemeint an der Stimme zu erkennen! Willkommen, willkommen!

      Sie reichte ihm die Hände hin und hielt eine Weile die seinigen fest. Er war sehr bewegt und konnte nicht sogleich Worte finden. Dann sagte er: Ich wagte gar nicht zu hoffen, daß ich Euch hier auf der alten Stelle noch antreffen würde. Oder – daß ich ganz aufrichtig bin – ich hoffte es wohl im stillen, wagte aber nicht, nach Euch zu fragen. Nun Ihr mich so begrüßt, ist mein Herz doppelt froh.

      Die Gießmeisterin, bei der er nun einmal einen Stein im Brett hatte, trug auf, was die Vorratskammer an Speisen und Getränk hergab. Er aber aß nur ein weniges und sagte: Ehrt mich nicht als Euren Gast. Denn in so teurem Andenken ich Euer Haus hielt und so sehr ich mich nach ihm sehnte – seinetwegen machte ich diese Reise nicht, sondern weil ich in einer dringenden Angelegenheit den Herrn Hochmeister zu sprechen habe. Ich kann Euch nicht mitteilen, was es ist, aber das möget Ihr wissen, daß ich ihm ein Geheimnis entdecken will, an dem das Heil und Unheil seiner Regierung, vielleicht seines Lebens hängt. Man will mich nicht zu ihm einlassen, da man mich nicht kennt. Deshalb bitte ich Euch, lieber Meister Ambrosius, begleitet mich ins Schloß und schafft mir eiligst Gehör. Ich kann nicht ruhig sein, bis ich diese Last von meinem Herzen habe.

      Tut das, Meister Ambrosius, bat Waltrudis; wenn Junker Hans versichert, daß sein Geschäft wichtig sei und Eile habe, so ist's gewiß so. Gebe Gott, daß Ihr meinem Wohltäter einen rechten Dienst erweisen könntet!

      Ich tu's nicht um Dank, sagte er, ihre Hand zärtlich drückend, aber ich hoffe, daß er meine Treue wohl erkennen soll.

      Ambrosius legte den Arbeitsrock ab und machte sich zum Ausgang bereit. Indessen hatte sich auch Switrigal im Gießhause eingefunden und nach ihm gefragt; es war verabredet worden, daß sie diesen Morgen auf die Mauer gehen wollten, damit der Prinz dort lerne, wie man die Büchsen aufstelle und richte. Nun kam er ihm nach in seine Wohnung und war augenscheinlich sehr unangenehm überrascht, dort einen jungen Herrn mit Waltrudis in vertrautem Gespräch zu finden. Ambrosius nannte die Namen beider, und Hans sprach auch einige höfliche Worte, wie sie bei solcher Begegnung mit einem Fürstensohne passend waren. Der aber zog sich mürrisch in die Fensternische zurück, kreuzte die Arme über der Brust, neigte den Kopf und spähte eifrig jedem Blicke nach, den Waltrudis dem Fremden schenkte. Sie ließ sich dadurch nicht beirren, Hans ganz so freundlich zu verabschieden, als es ihr ums Herz war.

      Unterwegs fragte der Junker den Gießmeister nach dem Prinzen aus. Es schien ihn doch ein wenig zu beunruhigen, als er hörte, in wie nahem Verkehr er mit dem Fräulein sei, und daß der Herr Hochmeister denselben offenbar begünstige. Aber das machte sich nicht durch Worte merklich, sondern nur durch das hastige Abspringen von einer Frage zur andern, so daß Ambrosius mit seinen Antworten schwer nachkommen konnte. Schließlich dachte er doch bei sich: von dem hat's keine Gefahr, ich bin gut aufgehoben in ihrem Herzen.

      Ambrosius ging gleich auf des Hochmeisters Gemach zu. Es hatte für ihn keine Schwierigkeit, Eintritt zu erlangen, und auf seine Bitte schickte Plauen denn auch den Schreiber hinaus, dem er eben den Brief diktierte, und hieß den Junker von der Buche eintreten. Das Fenster im Rücken, lehnte er gegen den Tisch, auf dem mancherlei Papiere gerollt und gefaltet lagen, und erwartete stehend die Meldung.

      Du hast mich um eine Unterredung ohne Zeugen bitten lassen, begann er, die grauen Augen fest auf ihn heftend. Danke es dem würdigen Ambrosius, der für dich gut steht, daß ich sie dir gewähre. Versprichst du mir, das, was du mir sagen willst, in Gegenwart eines meiner Gebietiger zu wiederholen, wenn ich es so verlangen müßte?

      Das verspreche ich, gnädigster Herr, antwortete Hans, die rechte Hand auf die Brust legend und sich verneigend. Aber prüfet erst selbst –

      Der Hochmeister unterbrach ihn: Ich sehe an deiner Hand einen Ring mit der Eidechse. Bist du im Bunde?

      Ich bin's, gnädigster Herr, seit meines Vaters Tode.

      Man warnt mich vor den Eidechsen. Er griff hinter sich, nahm ein Blatt auf, öffnete es und legte es wieder zurück. Der Schreiber hat sich nicht genannt, sagte aber, die heimlichen Zusammenkünfte fänden im alten Hause zu Buchwalde statt. Ist dem so?

      Ja, gnädigster Herr.

      Und wie soll ich dir Vertrauen schenken, wenn du zu des Ordens Widersachern stehst, Hans?

      Ew. Gnaden wollen mich hören und dann entscheiden, ob ich Ew. Gnaden guten Vertrauens würdig bin.

      Plauen antwortete nicht sogleich, sondern stützte nach seiner Gewohnheit, wenn er über etwas nachdachte, das Kinn in die Hand und strich den Bart unter demselben. Nach einer Pause begann er wieder: Du hast mir einmal eine wichtige Botschaft gebracht und bist Tag und Nacht geritten, um sie nicht zu verspäten. Hätte ich nicht von dir erfahren, was auf dem Tannenberger Felde geschehen, vielleicht wäre die Marienburg nicht gerettet worden und dieses Land dem Deutschen Orden verlorengegangen. Vielleicht! Denn Gott hat mehrere Wege, als wir kurzsichtigen Menschen erkennen können. Aber bei mir ist dir's unvergessen.

      So laßt mich glauben, gnädigster Herr, entgegnete Hans, daß Gott mich ohne all mein Verdienst ausersehen und gewürdigt, auch jetzt wieder in schweren Nöten, von denen Ihr nichts ahnt, gute Dienste Euch und Eurem Orden zu leisten. Wieder bringe ich eine Botschaft, die vieles wenden kann.

      So sprich denn!

      Gnädigster Herr, es könnte sein, daß Ew. Gnaden von großem Wert wäre, zu erfahren, was ich weiß, daß Ihr aber gleichwohl den Hinterbringer geringschätztet, weil ein edler Mann den Verräter nicht leiden mag, auch wenn er ihm nützt. So sage ich im voraus, daß ich nichts verrate, was ich geheimzuhalten versprochen habe mit Eid, Handschlag oder Manneswort, und daß ich nur aus aufrichtiger Liebe und Treue und


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