Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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und der Ritter von Schwebisdorf mit vierundzwanzig Spießen, Herr Polke von Kittlitz mit neun, die Gebrüder Roland und Heinz von Schellendorf mit siebzehn, Friedrich und Hans von der Heide mit fünfzehn Spießen, und so viele andere mit mehr oder minder Spießen. Auch kam ein Ritter von Eulenburg mit sechsunddreißig Spießen, und der edle Wenzel von Dohna hatte eine große Zahl von Soldhauptleuten mit ihren Rotten zusammengebracht und herangeführt. Von Schlochau her sprengten Hans und Friedrich von Schlieffen mit ihren Fähnlein nach dem Haupthause zur Hilfe. Zuletzt kamen noch Meißner Ritter, die auch in der Schlacht gewesen waren, und boten ihre Dienste an. Wer nennt die Namen aller dieser tapferen Führer? Jeder Mann tat seine Pflicht.

      So freudig aber auch der Komtur jeden neuen Streiter begrüßte, der ihm ein tapferes Herz und eine starke Hand entgegenbrachte, keinen empfing er mit so froher Empfindung als seinen Vetter aus der älteren Linie, der auch, wie er, Heinrich hieß. Er kam aus Deutschland und hatte dem Meister einige Fähnlein zuführen wollen, traf aber zu spät zur Schlacht ein und gesellte sich nun seinem Vetter in der Marienburg zu. Bei ihm war auch ein Bruder des Komturs und ebenfalls mit ihm gleichen Namens, ein Deutschordensritter. Er war wohl acht Jahre jünger als der Komtur, ein streitlustiger, entschlossener, derb zufahrender, leicht zorniger und stolzer Herr, von dem noch viel die Rede sein soll. Der Komtur liebte ihn brüderlich und schenkte ihm großes Vertrauen; er wußte, daß er sich auf ihn in der Not verlassen könne wie auf sich selbst. Es hatte in den Konventen, denen er zugeordnet, stets viel Klagen über seine Gewalttätigkeit und sein herrisches Wesen gegeben. Ein so unbequemer Kumpan er aber deshalb auch im Frieden sein mochte, jetzt, in schwerer Notlage, hatte er gerade die Eigenschaften, die ein Führer über eine Horde zusammengerafften, rasch verwilderten Volkes gebrauchte. Schon bei den Zurüstungen zur Verteidigung fand Plauen an ihm eine feste Stütze.

      Während dieses hastigen, unruhigen Treibens der ersten Tage brachte glücklich Hans von der Buche den ihm anvertrauten Schatz in die Marienburg ein. Er atmete leichter auf, als er mit Waltrudis über die Zugbrücke und durch das hochgewölbte Tor ritt. Gott sei gelobt, sagte er, wir sind am Ziel, und Euch ist unterwegs nichts Übles widerfahren! Ich habe mein Wort gelöst.

      Ihr aber bringt eine Wunde mit, antwortete sie. Warum stelltet Ihr Euch auch den Strolchen zur Wehr, statt zu entfliehen, wie ich tat?

      Sie hätten Euch eingeholt, versicherte er, und dann mit uns beiden leichtes Spiel gehabt. Aber die Schramme ist nicht der Rede wert.

      Das Tor war gänzlich verfahren; sie mußten eine Weile warten, bis sie in den Hof konnten. Ängstlich sah das schöne Mädchen zu, wie Männer und Weiber einander überhasteten, ihre Habe zu bergen, und führte das Pferd ganz dicht an die Mauer, um nicht im Wege zu sein. Sobald eine Lücke entstand, faßte der Junker ihren Zügel und zog sie hindurch.

      Da waren sie nun im Burghof, aber niemand wollte ihnen eine erbetene Auskunft geben oder sie zurechtweisen. Hatte doch ein jeder mit sich selbst genug zu tun. Hans lenkte von dem Wagenzuge, der nach der Vorburg ging, seitwärts ab und suchte nach dem Hochschlosse eine Stelle auf, an der wenig Verkehr war. Ich muß Euch für kurze Zeit verlassen, Fräulein, sagte er besorgt, dem Herrn Komtur unsere Ankunft zu melden. Bleibt solange hier mit den Pferden und gebt keine Antwort, wenn man Euch anreden sollte, damit man das Weib nicht an der Stimme erkennt. Ich eile, wie ich kann.

      Er durfte wohl annehmen, daß die Gestalt sie nicht verraten werde. Waltrudis hatte das Haar fest zusammengeflochten und einen großen Klapphut darüber gedeckt. Wenn sie den Kopf senkte, schützte er auch das Gesicht. Um die Schulter trug sie einen weiten Reitermantel, der die weibliche Kleidung völlig verbarg. Man konnte sie für einen jungen Burschen halten, der die Pferde seines Herrn zu hüten die Aufgabe hätte.

      Junker Hans fand sich nur mühsam in der weitläufigen Burg zurecht. Da er nach dem Komtur fragte, mußte man ihn wohl beachten; aber man schickte ihn hierhin und dorthin, bis er endlich in einem Wehrgange des rechten Schlosses den Gesuchten in einem Haufen von allerhand Kriegsvolk stehen sah, seine Befehle austeilend und Berichte entgegennehmend.

      Er wartete eine Weile außerhalb des Kreises, in der Hoffnung, daß Plauen ihn bemerken und heranrufen werde. Das geschah aber nicht, obgleich dessen Blick öfters über ihn hinglitt. Endlich faßte er sich ein Herz, drängte sich durch die Schar und grüßte. Rief ich Euch? herrschte der Komtur ihn an. Ihr seht, daß ich beschäftigt bin.

      Gestattet nur, gnädiger Herr, daß ich Euch melde –

      Wißt Ihr etwas vom Feinde?

      Nein, gnädiger Herr.

      Das andere hat Zeit.

      Aber wohin befehlt Ihr –?

      Wartet! Der Komtur wandte sich von ihm ab und seinen Begleitern zu. Die Beratung hatte ihren Fortgang. Es handelte sich darum, auf welche Weise die Stadt am besten in Brand zu setzen sei ohne Gefahr für das Schloß. Man trat an die dreieckigen Lichtöffnungen in der Mauer und erörterte die Vorschläge eines älteren Mannes, der dem Komtur stets zur Seite blieb.

      Es war der Gießmeister Ambrosius.

      Hans von der Buche stand wie auf Kohlen, wagte aber nicht, sich zu entfernen, zu leicht konnte der Augenblick versäumt werden, in dem ihm der Komtur seine Anweisungen zu erteilen geneigt war. Endlich löste sich der Kreis; die einzelnen gingen rechts und links zu den ihnen aufgetragenen Geschäften. Nun sprach der Komtur abseits einige Worte heimlich mit dem Gießmeister und schritt dann eilig am Junker vorüber. Er sprach kein Wort, wies aber mit der Hand auf jenen.

      Ambrosius trat heran und nannte seinen Namen. Er sei bereit, das junge Fräulein bei sich aufzunehmen, obschon ihm der Besuch in dieser schweren Zeit nicht gerade gelegen komme. Auch hat da meine Frau ein Wörtlein mitzureden, fügte er bedenklich hinzu.

      Sie wird das Fräulein nicht abweisen, bemerkte Hans zuversichtlich. Aber folgt mir schnell, lieber Herr. Waltrudis ist ohne Schutz und sicher schon vor Angst vergangen bei diesem langen Warten. Hoffentlich ist ihr nichts Übles begegnet.

      Seine Besorgnis war sehr begründet.

      Längere Zeit hatte man den Menschen mit den beiden Pferden ganz unbeachtet gelassen. Dann aber fand sich auf dem Platze ein Mann ein, der offenbar durch kein dringendes Geschäft in Anspruch genommen war, sondern Muße hatte, bald hier und bald dort den Zuschauer abzugeben. Sein Aussehen war wenig vertrauenerweckend; die Kleidung, die er trug, mußte aus der Garderobe verschiedener Herren zusammengelesen sein. Auf dem Kopfe saß ein Hut, dessen Krempe an der einen Seite aufgenommen und mit einem Kreuz von Blei befestigt war, das auf geistlichen Ursprung deutete. Zu der abgeschabten Schlitzhose paßte nicht das nach polnischer Art zugeschnittene Wams, und der an mehr als einer Stelle durchlöcherte braune Mantel wieder konnte einmal einem ehrsamen Bürger gehört haben, der sich genau nach Meister Winrichs Kleiderordnung richtete. Ein schwarzer Bart verdeckte den größten Teil des häßlichen Gesichts; das eine Auge schielte stark.

      Diesem Strolch mußte der Reiter mit den beiden Pferden wohl aufgefallen sein. Nachdem er ihn eine Weile beobachtet und umgangen hatte, näherte er sich dann auf Zickzackwegen, musterte die Tiere und ihr Geschirr und suchte bald auch ein Gespräch anzuknüpfen. Von woher seid Ihr, fragte er, und auf wen wartet Ihr?

      Es folgte darauf keine Antwort.

      Er wiederholte die Frage in polnischer Sprache mit nicht besserem Erfolg.

      Seid Ihr taub oder stumm, junger Herr, rief er nun zudringlicher, oder haltet Ihr mich für einen Narren? Ich denke, eine Frage ist einer Antwort wert!

      Dabei bückte er sich und war bemüht, dem Reiter unter den Hut zu sehen. Ein verdammt junges Bürschchen, sprach er vor sich hin; wahrscheinlich von einem Gutshofe in der Nachbarschaft. Wer gehört aber zu dem zweiten Pferde? Er klopfte den Hals des Tieres. Ihr seid weit geritten, und die Wege sind staubig. Dem Gaul wäre ein Platz an der Krippe lieber als hier auf dem Hofe, wo zwischen den Steinen nicht einmal ein magerer Grashalm aufkommt. Hübsches Geschirr! Die Kinnkette ist sauber gearbeitet, und die Schnallen scheinen von Silber zu sein. Seht einmal die zierliche Rosette oben am Stirnriemen! Und wenn ich nicht blind bin – wahrhaftig, da sitzt eine Eidechse drauf! Ei, ei, Junker, seid Ihr von da zu Hause, wo diese Tierchen so hoch angesehen sind, daß man sie in allerhand Metall formt und als Zierat trägt? Ich


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