Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans

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eine Stunde nur, richtet euch danach.«

      Die Stimme ließ sich nicht wieder hören. Nur verworrene Rufe von Rallain her.

      Der Ingenieur in Sainte Marie umklammerte den Hörer, als wolle er ihn zerbrechen.

      Eben noch warf die flackernde Kerze der Notbeleuchtung unsichere Reflexe durch den Raum. Jetzt glühten die elektrischen Lampen wieder auf. Volle Helligkeit flutete durch das Gemach. Jetzt brannten auch die großen Lampen auf dem Zechenhofe wieder.

      Narrten ihn seine Sinne? Trieb jemand sein Spiel mit ihm?

      Er schrie nochmal in den Apparat.

      Keine Antwort mehr. Er stand starr. Die Knie wankten unter ihm. Unfähig, einen Entschluß zu fassen.

      Die Muschel des Apparates noch mechanisch gegen das Ohr gepreßt. Nur das Dröhnen rauschender Wassermassen, die dort in Rallain in die Zentrale des Kraftwerkes einbrachen. Ein Gurgeln… ein Brausen… dumpf und immer dumpfer. Mit grauenhafter Deutlichkeit vernahm er hier alle Einzelheiten der Katastrophe, die sich dort abspielte.

      Jetzt erreichten die Wasser dort oben das Mikrofon. Überschwemmten es, verdarben es. Der Apparat lag tot und stumm.

      Der Ingenieur preßte die Fäuste in die Augen. Er fürchtete, wahnsinnig zu werden… schon zu sein. Das brennende Licht. Strom. Woher der?

      »Eine Stunde!« hatte die unbekannte Stimme gesagt. »Eine Stunde gebe ich euch Strom.«

      Seine Augen hingen an dem großen Schalthebel.

      Generalalarm?

      »Eine Stunde gebe ich euch Strom.« Als ob die Stimme nochmals ertönt wäre. Da riß er den Hebel herum, stürzte aus dem Raum. Dort… kam dort nicht ein Mann auf den Hof gestürzt… ein zweiter… ein dritter nach ihm? Leute vom Kraftwerk, die hierhergestürzt kamen. Vom rasenden Lauf erschöpft, durch die Katastrophe erschüttert und verwirrt, kamen sie daher. Mit aufgerissenem Mund, mit erhobenen Händen taumelten sie auf den Ingenieur zu.

      Was ist hier? Strom? Das Kraftwerk zerstört? Von den entfesselten Wassermassen überflutet. Alles in dunkler Nacht.

      Hier Kraft?!… Licht?! Ein unfaßbares Wunder.

      Der Ingenieur lief zum nächsten Schacht. Da schnellte gerade die Förderschale empor. Aus ihren Türen entquoll der erste Satz der Belegschaft.

      Der Hebel für den Generalalarm. In der Sekunde war er herumgerissen, flammten an hundert Stellen tief unten in den Gruben die roten Lampen auf, schrillten die Glocken, die alles Lebendige zu den Förderschalen riefen.

      Rastlos arbeiteten die Maschinen. Schwer beladen kam Korb um Korb zutage. Schwarz quoll es aus den Schächten. Schwarz wimmelte es bald auf dem Zechenhofe.

      Immer größer die Menge hier, im wildem Aufruhr durcheinanderwogend, schreiend. Die Zeit verrann. Eine Viertelstunde nach der anderen. Der letzte Korb! Der letzte Mann der Belegschaft gerettet!

      Wenige Minuten noch… die Stunde war um! Finsternis… tiefste Nacht. Sekundenlange Stille unter den Tausenden.

      Ein gellender Schrei aus dem Munde des Ingenieurs durchbrach sie.

      Wie vom Blitz getroffen war er zusammengebrochen.

      »Ich will es versuchen!« Mit diesen Worten war Eisenecker aufgesprungen und in den Nebenraum gegangen. Der Oberst Gonzales blickte ihm erstaunt nach. Was wollte der Deutsche? Er hörte ihn sprechen… in das Telefon offenbar. Hörte einzelne Worte, konnte aber den Sinn nicht verstehen. Ein Lichtschein ließ ihn aufblicken. Es zuckte in den Lampen, und dann brannte das Licht wieder.

      Eisenecker kam zurück.

      »Also doch nur eine vorübergehende Störung im Kraftwerk, Don Frederego.«

      »Nein, Senor, das Kraftwerk von Rallain ist vollkommen zerstört!«

      »Unmöglich, Don Frederego… wie könnten dann die Lampen brennen?«

      »Ich gab den Strom!«

      Iversen hatte geendet. Mette, die neben ihm im Sande lag, richtete sich auf. Reichte Iversen die Hand.

      »Dank, Malte, tausend Dank.« Ungehemmt ließ sie die Tränen über ihre Wangen fließen. »Seit Monaten die erste frohe Stunde. Wenn Sie wüßten, wie schwer ich litt seit dem Tage, wo ich unfreiwillig Zuhörerin Ihres Gesprächs mit meinem Vater war. Das ganze Verhalten meines Vaters… wie gut und schön Sie es entschuldigen. Ich selbst vermag es nicht so, vermag nicht Ihre Gründe mir zu eigen zu machen. Und auch das, was Sie über Eisenecker sagten, wie Sie ihn verteidigten…«

      »Eisenecker… kennen Sie Friedrich Eisenecker?«

      Mette wandte den Kopf zur Seite, schaute lange über die weite blaue Fläche.

      »Ja… ich kenne ihn, kenne Friedrich Eisenecker… Es war zu der Zeit, als Warnum aufgebaut wurde, er dort tätig war…«

      Und dann erzählte sie ihm leise, tonlos, die Geschichte jenes Sommers.

      Sie hatte geendet.

      »Mette«, er reichte ihr die Hand, drückte sie fest. »Alles wird noch gut werden. Diese beiden Männer, jeder eine Herrscher-, eine Kraftnatur, nur erfüllt von dem Gedanken an ihre Arbeit, ihr Ziel, Gegner heute noch… einer, der die Segel streichen muß, einer, der Sieger sein wird… Eisenecker wird es sein. Bei ihm der höhere Geist, die größere Kraft, er der stärkere Mann. Und du, du wirst dem Sieger folgen, wenn er kommen wird, dich zu holen. Du vergaßest ihn nicht. Er! Der Mann, in dessen Leben die Liebe nur einmal tritt, der Mann, der nicht vergißt.« Er ergriff ihre Hand, küßte sie. »Wer könnte Mette Harder vergessen?«

      »Ah, treffen wir Sie hier, wir suchen Sie so lange schon am Strande.« Iversen schaute empor. Zwei Damen vor ihm. Mit Mühe unterdrückte er einen Ausruf des Erstaunens. Die beiden blonden Damen aus dem Villenvorort von Madrid. Mit einem Sprung war er hoch, half Mette auf.

      Nur mit halbem Ohr hörte er die vorstellenden Worte Mettes. Seine Augen hingen an der jüngeren der beiden.

      Modeste von Karsküll, so hieß sie also?

      Jolanthes Blick ruhte lange und forschend auf ihm. Kaum, daß sie auf das Geplauder Mettes achtete, die neben ihr herschritt. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf das lebhafte Gespräch, das zwischen Iversen und Modeste sich entsponnen.

      »Und Sie erkannten mich auch wieder, gnädigste Baronin?«

      »O gewiß, Herr von Iversen. Halfen Sie mir doch so freundlich, meinen Paß zu suchen. Sie wurden auch natürlich bald entlassen.«

      »Gewiß.« Es schwebte Iversen auf der Zunge, seine nochmalige Verhaftung zu erzählen, doch irgend etwas hieß ihn schweigen.

      Da kam es von Jolanthes Lippen zurück.

      »Ah, Sie waren auch in diesen Tagen in Madrid?«

      »Jawohl, meine Gnädigste, und hatte dort das Vergnügen, mit Ihrem gnädigen Fräulein Schwester auf der Straße verhaftet und zur Polizeiwache gebracht zu werden.«

      »Weshalb Sie natürlich Madrid in schlechter Erinnerung haben, Herr von Iversen.«

      »Nun ja«, erwiderte er lächelnd, »angenehm war meine Situation gerade nicht.«

      »Nun, Sie konnten sich doch legitimieren, Sie hatten doch Ihren Paß.«

      »Gewiß, aber hm…«

      »War er nicht in Ordnung, oder als was reisten Sie?«

      »Ich war… ich hatte einen Auftrag für ein großes deutsches Blatt, ein paar Zeitungsberichte über Madrid zu bringen und die dortigen Verhältnisse.«

      »Ah, Sie sind Korrespondent, Journalist.«

      »Hm, nur so mal bei Gelegenheit, nicht gerade von Beruf. Beruf… Mette, du weißt ja, versuchte mich so in allerlei Berufen schon.«

      In lebhafter Unterhaltung erreichten sie die Strandbrücke. Hier trennten


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