Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans
Ibn Ezer schon Gelegenheit, den Apparat zu sehen?«
»Noch nicht, Baronin. Er soll morgen den ersten Versuch daran machen.«
»Und wenn es ihm nicht gelingt, Sire, nicht sogleich gelingt?«
»Dann«, die Züge des Kalifen verfinsterten sich, »muß der Apparat nach Ägypten geschafft werden, wo Ibn Ezer alle Hilfsmittel zur Verfügung hat. Und dann…kann es vielleicht viele Monate dauern, bis das Geheimnis gelöst wird. Wir müssen uns bescheiden. Können wir vorläufig die Kräfte des Apparates nicht bedienen, so ist doch auch Europa die Möglichkeit verschlossen, das Geheimnis zu lösen.«
»Sollte es nicht möglich sein, Sire, den einen oder den anderen durch hohe Summen zu bestechen und sie zu gewinnen, für uns zu arbeiten?«
»Unmöglich! Diesen Gelehrten ist mit Gold nicht beizukommen. Außerdem, die Zahl der Leute, die das Verfahren wirklich beherrschen können, ist gering. In erster Linie der Oberingenieur auf Warnum und natürlich der Generaldirektor Harder.
Der weilt übrigens zur Zeit in Biarritz. Sie werden vielleicht Gelegenheit finden, ihn kennenzulernen, wenn Sie selbst demnächst nach Biarritz kommen.«
Jolanthe starrte sekundenlang in das verlöschende Kaminfeuer. Eine Idee war in ihr aufgezuckt. Als hätte sie die Gegenwart des Kalifen vergessen, warf sie sich in den Sessel zurück und schloß die Augen.
Zitterndes Zucken der Gesichtsmuskeln verriet das angestrengte Nachdenken.
Abdurrhaman starrte mit verhaltendem Atem auf die Gestalt Jolanthes, die wie von hypnotischem Schlaf befallen regungslos in dem Sessel lag… endlich hob sich ihre Brust unter tiefen befreienden Atemstoßen. Sie strich sich leicht mit den Händen über Stirn und Schläfen, ihre Augen öffneten sich, gingen suchend in die Runde, bis sie den Blick Abdurrhamans trafen. Ein stilles, leises Lächeln legte sich über ihr Gesicht. Langsam erhob sie sich, stand vor dem Kalifen.
»Ein Plan, Sire. Ein neuer Plan. Er wird vielleicht zunächst bizarr… unmöglich erscheinen. Aber das Unmögliche hat mich bei großen Unternehmungen stets am meisten gereizt. Eine verzweifelte Situation erheischt verzweifelte Mittel.
Das Mittel, das zu versuchen ich vorschlage, ist, ich sage es offen, verzweifelt. Schlägt es fehl, dürften die Folgen nicht angenehm sein. Aber es wird nicht fehlschlagen, es wird gelingen, muß gelingen.«
Abdurrhaman grub seine fieberhaft glänzenden Blicke in die ruhigen, entschlossenen Züge Jolanthes.
»Sie spannen meine Erwartungen aufs höchste. Ein Mittel!… Sie wissen es?… Doch ehe ich höre… ich scheue, um einen Erfolg zu erzielen, vor nichts… Ihre Person aber, Baronin Jolanthe, darf dabei nicht im geringsten gefährdet sein!«
Ein flüchtiges Rot schoß über Jolanthes Gesicht, ihre Blicke gingen ausweichend zur Seite.
»Die Besorgnis um meine Person, Sire… dürfte nach dem Plan, den ich mir erdacht, unnötig sein. Ich selbst werde ganz im Hintergrunde bleiben.«
»Dann bitte ohne Umschweife, Baronin! Ich ertrage die Spannung nicht länger. Ihr Plan ist?…«
»Ist… das Geheimnis des Apparates durch den lösen zu lassen, dem es von allen Physikern der Welt am leichtesten gelingen würde… durch… Harder, den Generaldirektor der Riggers-Werke.«
Abdurrhaman trat einen Schritt zurück, starrte Jolanthe ratlos an.
»Baronin… Baronin Jolanthe, ich verstehe Sie nicht. Aber ich kann nicht annehmen, daß Sie scherzen. Ihre Idee ist so ungeheuerlich… ich weiß nicht…«
Der Kalif schritt schwer atmend im Gemach auf und nieder.
»Sire, darf ich bitten, mit mir zu dem Apparat zu gehen.«
Der Kalif erhob sich und folgte wortlos Jolanthe.
Im Bibliothekszimmer eine schwere Truhe maurischer Arbeit. Der Kalif öffnete, schlug den Deckel hoch. Da stand das Erbe Montgomerys. Der unscheinbare Kasten, in dem das Welträtsel der Atomenergie gelöst war.
Wie von einem inneren Drange getrieben, hob Abdurrhaman den Deckel des Apparates. Seine Augen starrten wie gebannt auf das Gewirr der Drähte und Spulen. Seine Finger glitten zag, vorsichtig über die winzigen Hebel und Schrauben. Jolanthe folgte mit leisem befriedigtem Lächeln jeder Bewegung des Kalifen.
»Nun möchte ich meinen Plan kurz entwickeln, Sire. Harder ist in Biarritz. Ich werde seine Bekanntschaft machen. Wir werden zusammen Ausflüge machen. Ein Ausflug geht in die baskischen Berge. In dem noch immer unruhigen Grenzgebiet wird die Gesellschaft überfallen und auf spanisches Gebiet entführt. Derartige Überfälle mit dem Zweck, Lösegeld zu erpressen, sind dort schon mehrfach vorgekommen. Harder wird in schonendster Weise nach einem sicheren Ort gebracht. Der Apparat ist, das muß die Voraussetzung für alles andere sein, von spanischen Patrioten entwendet, um mit seiner Hilfe Spanien zu befreien! Die erforderlichen Personen für die Rollen der spanischen Patrioten werden sich finden lassen. Das alles… ich habe die Einzelheiten noch nicht genügend durchdacht… doch das ist alles nicht schwierig.
Erst wenn das erreicht ist, beginnt die Schwierigkeit. Harder und der Apparat!
… trotzdem… ich fühle es… ich habe die Gewißheit, daß es gelingen wird. Der Apparat wird von den sogenannten spanischen Patrioten… es müssen sehr gewandte Leute sein, die auch einen guten Namen tragen… Harder in die Hand gegeben. Wie sich Harder auch sonst zu dem Bisherigen stellen mag, in dem Augenblick, wo er den Apparat Montgomerys in der Hand hat, vergißt er jedes Bedenken. Seine eigenen Arbeiten… ich hörte, sie sind noch weit vom Abschluß entfernt. Sein Gelehrtenehrgeiz wird der Versuchung unterliegen.
Ich sehe ihn… den Apparat flüchtig betrachten. Sehe ihn mit immer größer werdendem Interesse die Einzelheiten studieren, sehe ihn mit allen seinen Kräften darauf stürzen, sein Geheimnis zu lösen, ihn in Tätigkeit zu setzen… Und dann sehe ich…«
Jolanthe hatte den Oberkörper weit nach vorn geneigt und sah dem Kalifen fest in die Augen.
»Weiter! Weiter!« drängte Abdurrhaman. Erregung sprach aus seinen Zügen.
»…sehe ich den Tag kommen, wo das Geheimnis gelöst ist, der Apparat arbeitet. Wir im Besitze der Atomenergie!… die Welt uns Untertan!«
»Jolanthe!« Abdurrhaman rief es mit erstickter Stimme. Er beugte sich über ihre Hände, preßte seinen Mund darauf. Sie zuckte vom Kopf bis zu den Fußspitzen. Sie sah ihn mit weitgeöffneten, entrückten Augen an. Dann senkte sie die Augen nieder und blieb unbeweglich.
»Jolanthe! Wie soll ich dem Schicksal danken, das Sie mir gab. Sie müßten über Kräfte herrschen, die Ihnen gleichen. In ihrer Nähe schwinden alle Sorgen. Keine Gefahren, kein Hindernis, das schreckt. Sagen Sie mir, was ich für Sie tun kann!«
Er wollte sich wieder über ihre Hände beugen. Sie entriß sie ihm, trat zurück, stand da wie eine bleiche Flamme.
Mit einem heißen Blick umfing sie seine ganze Gestalt, zeigte ihm ihre unbegrenzte, flammende Leidenschaft. Sie stand da, fast körperlos, ganz tiefgeheimste Seele, ihr Innerstes unverhüllt seinen Blicken preisgegeben.
Ein Schauer ging durch die Glieder des Kalifen. Er wollte sprechen. Das Wort erstarb ihm auf den Lippen. Er wollte zu ihr eilen und hatte nicht die Kraft, einen Schritt zu tun…
Die Scheite im Kamin fielen prasselnd zusammen. Ein Funkenregen stob in das Gemach. Durch die plötzliche Unterbrechung der Stille, die wie das Ende einer Bezauberung war, aufgerüttelt, wandte er sich instinktmäßig ab.
»Kommen Sie! Wir wollen sofort das Erforderliche mit dem Fürsten besprechen.«
Schwer atmend kamen die Worte aus seinem Munde. Jolanthe lächelte mühsam. Ihr Herz klopfte gegen ihre erstarrte Brust wie ein Hammer. Dunkler Schatten umgab sie. Müden, schweren Schrittes folgte sie dem Voranschreitenden.
Ein sonniger Julimorgen in Biarritz. Auf dem breiten, flachen Badestrand und den Uferpromenaden ein mondänes Leben und Treiben. Tief stahlblau das