Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans
von Warnum.
Mit einer ärgerlichen Gebärde schob er ihn beiseite. Immer wieder! Keiner von der Gesellschaft, der Mut hat. Dieses übervorsichtige, feige Herumtasten.
Fernsteuerung. Der alte Vorschlag, wie überflüssig.
Er öffnete einen zweiten Brief mit dem Stempel Madrid. Von Iversen. Hm, nun, was würde der berichten? Wahrscheinlich ebenso inhaltslos wie die früheren Berichte auch. Was war mit Eisenecker, wozu dieses Herumfahren in der Welt? Der Mensch, die Erfindung, er mußte sie vollendet haben. Das heißt, auch das Letzte, das Höchste erreicht haben. Sonst!… Er säße sicherlich noch in seiner Heide. Ah… dieser Eisenecker und seine Arbeiten.
Der Barren Gold, ständig sein gleißender Glanz vor seinen Augen. Der Barren!… Wie ein Schlag von ungeheurer Wucht hatte ihn das getroffen. Wie ein Alp lastete es auf ihm. Zuerst glaubte er zusammenbrechen zu müssen. Schien doch alles, was er selbst, was seine Werke in jahrelanger Arbeit geleistet hatten, dadurch mit einem Schlage wertlos. Nur schwer hatte er sich wieder aufgerichtet, durchgerungen zu dem Entschluß, die Arbeiten in Warnum weiterzuführen.
Mit tausend Gründen immer wieder hatte er sich zu beweisen versucht, daß das Verfahren Eiseneckers auf denselben Grundlagen basierte wie die Arbeiten der Riggers-Werke und die Elias Montgomerys, daß auch er mit elektromagnetischen Feldern arbeitete. Montgomery! Das Schicksal seiner Erfindung. Ein Unstern schien darüber zu schweben. Der Apparat war gestohlen, geraubt. Von wem?… Wer hatte ihn? Aus welchem Grunde? Etwa um selbst damit zu arbeiten? Ausgeschlossen. Wo in der Welt gab es Physiker, die… ihm war keiner bekannt, der irgendwelche Aussichten gehabt hätte. Blieb also nur die Erklärung, der Zweck des Raubes war, Europa die Waffe aus der Hand zu schlagen… Der Gefahr, die den Riggers-Werken von Montgomerys Apparat gedroht hatte, glaubte er enthoben zu sein.
Aber Eisenecker… Das Gold, dieser verfluchte Barren, er schien allerdings der Beweis dafür, daß Eisenecker auf anderem, elektrostatischem Wege ans Ziel gekommen war. Und das wieder wollte und konnte Harder nicht zugeben. Schien es doch aller physikalischen Erkenntnis zu spotten.
Fast ein Menschenalter hindurch hatte er alle Möglichkeiten studiert, alle Wege zu ergründen versucht, die zum letzten Ziele, zur Gewinnung der Atomenergie, führen konnten. Das elektrostatische Verfahren unmöglich. Auch noch später, als er längst auf dem Wege Elias Montgomerys schritt, hatte er doch immer wieder diese andere Möglichkeit erwogen… immer wieder verworfen… unmöglich! Der Weg war nach dem Stande der Wissenschaft für jeden ausgeschlossen. Vielleicht, daß spätere Generationen ihn einmal gehen könnten.
Der Barren… der verfluchte Barren! Wo kam der her? Wie war der gewonnen? Wie ein unverrückbares, unüberschreitbares Hindernis störte dieser Goldklumpen immer wieder die Schußkette seines mathematischen, streng logischen Denkens.
Der Boy überreichte ihm eine Karte. Harder warf einen Blick darauf. Wie? Wer? Malte von Iversen. Er sprang auf, schritt selbst zur Tür, öffnete.
»Iversen, Sie hier? Eben noch las ich Ihren Bericht. Was ist! Sie haben Wichtiges zu melden, sicher, sonst undenkbar, daß Sie hier wären, Ihren Posten verlassen.«
Er schloß hinter Iversen die Tür.
»Setzen Sie sich, reden Sie!« Sein Blick hing erwartungsvoll an dem Besucher.
Iversen vermied es, Harder anzusehen. Seine Stimmung war offensichtlich nicht die beste.
»Sie erwarten etwas Wichtiges, Herr Harder. Wichtig gewiß, allerdings anders, als Sie erwarten. Um es vorwegzunehmen, Eisenecker ist bekannt, daß ich in Ihrem Auftrage ihn seit seiner Abreise überwachte.«
»Ah, wie unangenehm!… Ah, solche Ungeschicklichkeit! Wie war das möglich? Sie müssen die Schuld daran tragen, anders nicht denkbar. Wie konnte das passieren?«
»Gestatten Sie, daß ich etwas weiter aushole. Gewiß, die Ursache bin ich, aber schuldlos.«
Iversen gab dem Generaldirektor eine Schilderung jener Vorkommnisse auf der Polizeiwache in Madrid.
»Sie sehen«, schloß er, »daß irgendein Verschulden meinerseits nicht vorliegt. Ein unerklärlicher, mir heute noch unbegreiflicher Zufall muß da mitgespielt haben.«
Der Generaldirektor stand auf, schritt zum Fenster. Es kochte in ihm. Auch das noch! Er stampfte mit dem Fuß auf. Unerträglich, was heute alles auf ihn einstürmte. Und dann, um seinem Ärger irgendwie Luft zu machen, wandte er sich um, ging auf Iversen zu.
»Ihre Offizierslaufbahn war ja allerdings von kurzer Dauer. Aber immerhin, so viel müßten Sie wenigstens dabei gelernt haben, daß man seinen Posten nicht verläßt, ohne Weisung des Auftraggebers. Es bestand doch für Sie die Möglichkeit, mir das per Code mitzuteilen und mir damit Gelegenheit zu geben, meine Dispositionen zu ändern, eventuell einen anderen auf den Posten zu stellen.«
Iversen erhob sich, ging langsam auf Harder zu. »Herr Harder, Herr Generaldirektor, ich dachte, Sie suchten sich einen anderen, um Ihre Mißstimmung auf den abzuladen. Ich bin mir dessen wohl bewußt, was ich tat, habe es auch reiflich bedacht. Wenn ich’s tat, tat ich es in erster Linie Ihrethalben, in zweiter Linie Herrn Eiseneckers halber und dann erst meiner Person halber.«
Harder trat unwillkürlich einen Schritt zurück. »Sie!… Meinethalben!…«
»Gewiß, Herr Harder. Ich will versuchen, Ihnen meine Beweggründe auseinanderzusetzen. Sie erinnern sich, daß ich zunächst nicht geneigt war, Ihren Auftrag anzunehmen. Sie sprachen dann von dem großen Interesse, das Sie und die Riggers-Werke daran hätten, über alle Schritte, alles Tun Eiseneckers unterrichtet zu sein, wobei im Hintergrunde etwas dunkel angedeutet wurde, daß Eisenecker gegen die Vertragstreue verstoßen hätte.
Ich machte Ihnen schon damals in meinem Laienverstand Einwände, die Sie aber als belanglos verwarfen. Ich glaubte es auch.«
»Und welche Gründe hätten Sie heute, das nicht mehr zu glauben? Eiseneckers Gold? Dessen Herkunft? Wissen sie etwa was Neues, was anderes darüber?«
Iversen zuckte die Achseln. »Auf welchem Wege er das geschaffen hat, weiß ich auch jetzt nicht.«
»Also, was wollen Sie dann! Welche Gründe hätten Sie?«
»Gründe… Ich habe Friedrich Eisenecker kennengelernt.«
»Und was weiter?«
»Weiter nichts. Ich habe ihn gesehen, habe ihn sprechen hören, das hatmir genügt, um zu der Überzeugung zu gelangen, Eisenecker ist frei von Fehl. Der Mann die Riggers-Werke schädigen!« Er schüttelte mit dem Kopf.
Harder lachte höhnisch auf. »Ah, Sie unübertrefflicher Menschenkenner, Gedankenleser. Sie sahen ihn, hörten ihn, und alles, was ich sagte, war plötzlich wertlos.«
»Eine Frage, Herr Harder, offen und ehrlich. Von Ihrer Antwort wird es abhängen, ob ich mich schuldig bekenne. Sind Sie, Herr Generaldirektor Harder, ehrlich fest überzeugt davon, daß…« Mit einer wütenden Gebärde unterbrach ihn Harder.
»Wie, Sie wagen es, an der Aufrichtigkeit meiner Erklärung zu zweifeln!«
»Ich wage es, Herr Harder. Das Wort des Mannes, nicht das des Industriekapitäns, des Erfinders… das Wort des Mannes will ich von Ihnen. Haben Sie wirklich Grund, Eisenecker zu mißtrauen? Ein Mann, ein Wort.«
Iversens Augen senkten sich fest in die des Generaldirektors. Der stand… hielt den Blick nicht aus. Iversen drehte sich kurz um, schritt zur Tür.
»Ich weiß genug.« Er drückte sie auf, da trat ihm Mette entgegen.
»Ah, Herr von Iversen, welche Überraschung, Sie hier?« Der Gedanke an Eisenecker durchzuckte sie. War da irgend etwas Wichtiges, Schlimmes oder… Gutes? Ihr Blick flog von Iversen zu ihrem Vater. Der stand noch da, in der Mitte des Gemaches, schwer atmend, totenblaß, die Hände zur Faust geballt.
»Was ist, Vater, Herr von Iversen, was ist?« Sie schloß die Tür, stürzte auf ihren Vater zu, umschlang ihn.
»Vater, was ist dir? Herr von Iversen, was ist hier vorgefallen? Vater, ich bitte dich,