Crime Shots. Henri Conrad
eingestellt.«
Diedrich schüttelte den Kopf.
»Was muss sie noch tun, damit du es endlich begreifst? Selbst wenn sie dich im Bett erschlägt, nimmst du sie noch in Schutz!«
Alfred versuchte zu grinsen.
»Du übertreibst, Diedrich. Isolde hat mich besucht, weil sie sich Sorgen macht.«
»Ich hoffe, du bist hier für ein paar Tage in Sicherheit«, er erhob sich, weitere Patienten warteten. »Ich schaue morgen wieder nach dir, falls du noch lebst.« Er grinste breit.
Alfred saß auf dem Sofa, die Hand in einer Schiene. Isolde hatte es sich neben ihm gemütlich gemacht.
»Schau dir dieses Vieh an! Erster Platz, dass ich nicht lache. Drei Punkte besser als Simba von Ursula. Ein Witz!«
Seit zwei Stunden saß sie nun neben ihm … seit zwei Stunden Gezeter über den Wettbewerb in Kleve. Hauskatzen, Rassekatzen, Punktrichter, Wertungsmafia, Betrug und Ungerechtigkeit.
»Schau dir diesen Kopf an. Mein Dämon war viel besser, viel ausgewogener«, sie hielt ihm das Album hin.
»Du hast ja Recht, aber wenn du dich immer so darüber aufregst, bekommst du irgendwann einen Herzinfarkt. Du kennst es doch, es ist immer das Gleiche.«
»Du gönnst mir die Wettbewerbe nicht. Es ist die einzige Freude in meinem Leben«, sie zog einen Schmollmund. Dreißig Jahre zu spät.
»Ich gönne sie dir, aber dieser Stress ist nicht gut für dein Herz.«
»Du behandelst mich wie eine alte Frau, ich bin nicht mal sechzig. Im Gegensatz zu dir.«
Alfred schwieg und ließ es über sich ergehen, bis das Telefon ihn erlöste.
»Al, schau doch mal hier. An der Terrassentüre die Verriegelung ist gebrochen. Das musst du reparieren!«, vorwurfsvoll stach ihr Finger in die Luft.
»Hast du die Türe zugeschoben?«, Alfred besah sich den Schaden.
»Alles muss ich gewesen sein«, beleidigt drehte sie sich um. »Ich muss zu Ursula!«
Er schluckte die Antwort herunter, es war ohnehin sinnlos. Alfred holte sein Werkzeug und reparierte die Verriegelung. Seine Hand schmerzte noch, aber er konnte sie schon wieder recht gut gebrauchen.
Endlich Ruhe, dachte er, als Isolde das Haus verließ. Endlich konnte er entspannen, die Sauna wartete schon auf ihn. Als er die Reparaturen abgeschlossen hatte, zog er sich aus und begab sich in den geheizten Raum.
Herrlich hier alleine zu liegen, die Hitze spüren, das Prickeln auf der Haut nach einem Aufguss. Er hing den Gedanken nach, dachte an seinen Beruf als Studienrat, seine große Liebe Angelika, und an die Verführung durch Isolde, die ihn nie mehr gehen ließ.
Der Sand im Glas war abgelaufen, Zeit Pause zu machen. Er stand auf und öffnete die Tür. Vielmehr versuchte er, sie zu öffnen. Alfred rüttelte daran, drückte, schlug dagegen. Nichts! Er warf sich gegen das Holz, Schmerz durchzuckte seine Hand, die Erschütterung lief in Wellen durch den Arm, doch die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Schweiß lief ihm in Strömen über den Körper, nicht nur wegen der Hitze.
Ruhe bewahren, nicht viel bewegen, die Zeitschaltuhr würde nach drei Stunden abschalten. Alfred legte sich auf die Liege, schloss die Augen und versuchte ruhig zu atmen. Die heiße Luft begann in den Lungen zu schmerzen, das Blut pochte in seinen Schläfen. Er lauschte, kein Geräusch, das darauf schließen ließ, dass Isolde wieder da wäre. Von Ursula kam sie selten schnell zurück, warum also ausgerechnet heute? Das Atmen fiel ihm schwerer, der Mund wurde trocken, immer etwas mehr. Eine Dreiviertelstunde verging. Er drehte das Glas der Sanduhr wieder um, rot rieselte der Sand gemächlich durch den engen Schlund.
Das Pochen in den Schläfen wurde stärker, er bekam Kopfschmerzen. Seine Zunge fühlte sich dick an, das Schlucken fiel ihm schwer. Langsam stieg Panik in ihm auf, Angst schlich sich ein. Er stand auf, schlug mit den Fäusten gegen die Tür. Dumpf hallte es in der Sauna und durchs Haus.
Isolde saß in ihrem Sessel, und bewunderte die Perserkatzen in ihrem neuen Buch. Gewiss, es gab auch andere Rassekatzen, aber an Schönheit und Ausstrahlung konnte es keine mit einer Perserkatze aufnehmen. Sie genoss die Farbenpracht der Tiere, das seidige Fell und die strahlenden Augen. Natürlich war keine so schön wie Baroness, Isolde freute sich auf den großen Zuchtwettbewerb in Köln. Samstag und Sonntag nur Katzen und Menschen die Katzen liebten, himmlisch!
Wollte Alfred nicht endlich mit dem Lärm aufhören? Das Gepolter nervte sie, immer machte er bei allem einen solchen Lärm. Ein Mann eben, sie verzog das Gesicht.
Endlich Ruhe, wurde auch Zeit, dachte sie, nachdem die Geräusche aus der Sauna erstarben.
Schweißüberströmt lag Alfred auf dem Boden, den Rücken gegen die Tür gelehnt. Bunte Ringe drehten sich vor seinen Augen, das Herz raste. Die heiße Luft brannte in den Lungen, der Mund war trocken und seine Gedanken verschwammen. Vor seinen Augen wurde es schwarz und er ohnmächtig.
Es klingelte an der Haustüre, widerwillig erhob sich Isolde. Immer diese Störungen, bestimmt einer dieser bäuerlichen Nachbarn der wieder Äpfel oder Pflaumen loswerden wollte. Sie öffnete. Schlimmer noch, Diedrich stand vor der Türe.
»Ach, Dr. DVD«, sie wusste, dass er diese Bezeichnung nicht mochte, bei den Jugendlichen stand sie hoch im Kurs. »Langeweile? Oder wolltest du wissen, ob Alfred noch lebt?«, spöttisch blickte sie ihn an.
»Hallo Isolde«, Diedrich ignorierte die Anspielungen, »Alfred macht mir halt Sorgen. Ich bin aber hier, weil ich ihn zum Fliegertreffen abholen wollte.«
»Du meinst, ihr wollt spielen gehen?«, hämisch blickte sie ihn an. »Alfred muss im Keller sein, er hat jede Menge Lärm gemacht. Wer weiß, was er sich wieder ausgedacht hat. Aber ich will es gar nicht wissen«, sie drehte sich um und ließ Diedrich einfach stehen. Diedrich van Doerp ging die Treppe hinunter. In der kleinen Werkstatt brannte kein Licht, auch das große Kaminzimmer mit der Bar auf der Rückseite war dunkel. Nur der kleine Flur war erleuchtet. Er ging zum Ende der Diele und öffnete die Türe. Der Relaxraum vor der Sauna empfing ihn mit heller Beleuchtung.
»Alfred? Bist du in der Sauna?«, Diedrich klopfte an die massive Holztüre, sie war warm. Keine Antwort, er öffnete die Türe, heiße Luft schlug ihm entgegen. Alfred lag auf dem Boden, der Puls war flach und kaum zu fühlen.
»Isolde! Einen Krankenwagen, schnell!«, Diedrich zog Alfred aus der Sauna, hievte ihn auf eine der dortigen Liegen.
Mit nassen Tüchern kühlte er seinen Freund, sein überhitzter Körper drohte zu kollabieren.
»Du erinnerst dich an nichts?«, Dietrich sah Alfred fragend an. »Wie lange warst du in der Sauna?«
»Ich weiß nur noch, dass Isolde ihre Freundin besuchte. Ich habe die Terrassentüre repariert und bin dann in die Sauna. Als ich raus wollte, klemmte die Türe. Mehr weiß ich nicht, da wird alles dunkel in der Erinnerung.«
Alfred lag im Bett, bleich und matt. Eine Kochsalzlösung hing an einem Ständer neben dem Bett, und ein dünner Schlauch führte zu seinem Arm.
»Isolde sagt, sie wäre zwei Stunden weg gewesen. Kurz bevor ich kam, sei sie erst wiedergekommen«, Zweifel klangen in der Stimme von Dr. van Doerp.
»Du glaubst ihr nicht.«, keine Frage, eine Feststellung.
»Alfred, die Saunatüre kann nicht klemmen. Sie muss verriegelt gewesen sein. Wer anderes als Isolde hätte es tun können?«, fragend blickte er seinen Freund an.