Crime Shots. Henri Conrad
ist nicht gut, wir leben aneinander vorbei. Aber sie hat alles, was sie will. Warum also sollte sie mich umbringen wollen?«
Diedrich schaute ihn lange an.
»Isolde lebt in ihrer eigenen Welt, darin ist kein Platz für dich, kein Platz für Menschen wie mich, kein Platz für den Niederrhein. Sie will weg, weg von dir, weg aus Kerken.«
»Sie hat nie gesagt, dass sie mich verlassen will. Sie liebt den Niederrhein nicht so wie ich, aber wir leben schon so lange hier.«
Ungläubig blickte er Diedrich an.
»Sie hat hier nie ihr Zuhause gefunden, die Menschen behagen ihr nicht. Isolde hält sich für etwas Besseres, etwas Besonderes, das hier nicht beachtet wird. Sie und Ursula halten sich für feine Damen unter einer Horde Bauern«, Dr. van Doerp hielt inne und schaute in ein leeres Gesicht. »Sieh mal Alfred, wir haben studiert, wir haben einen angesehenen Beruf, selbst uns sieht Isolde als Bauern. Wir sind am Niederrhein geboren, er ist unsere Heimat, wir gehören hier hin. Für Isolde sind und bleiben wir einfältige Bauern.«
Alfred senkte den Blick, Diedrich hatte Recht, es fiel ihm schwer, sich das einzugestehen. Er stand Isolde im Weg, ein Bauer der einer Königin den Weg versperrt. Wie beim Schach, schoss es ihm durch den Kopf. Im Spiel hatte der Bauer keine Chance, meistens.
Das Taxi bog von der ›B 9‹ ab, vorbei am Driessenhof fuhr es nach Stenden hinein. Alfred ließ den Fahrer halten, er war zu Hause. Ein seltsames Gefühl meldete sich in seiner Magengegend, was würde ihn erwarten?
Ursula und Isolde saßen im Wohnzimmer beim Kaffee zusammen, und diskutierten lautstark über ihre Lieblinge. Für das Wochenende stand in der Dortmunder Westfahlenhalle der erste Weltkatzenkongress an, eine große Präsentation und die Vorstellung einer neuen Züchtung.
Hätte sie Alfred nicht begrüßt, sie hätten wohl keine Notiz von ihm genommen.
»Ach, hast du dich genug ausgeruht?«, Isolde lächelte zuckersüß.
»Ich muss mich noch schonen, mein Körper war völlig dehydriert. Eine halbe Stunde länger und du hättest dir den Krankenwagen sparen können.«
»Die Ärzte sagten so etwas, aber die reden oft von Dingen, die sie nicht verstehen«, mit einer wegwerfenden Bewegung unterstrich sie ihre Aussage. »Aber was soll schon so ein bisschen Hitze bewirken? Du gehst doch oft in die Sauna, kann also nicht so schlimm gewesen sein.«
Der Blick zu Ursula sprach Bände.
»Wenn du meinst, du musst es ja wissen! Deine Realschulbildung ist ja allumfassend!«
Isolde lief blutrot an, das hatte gesessen. Was bildete sich der Kerl bloß ein, so mit ihr zu reden? Für einen kurzen Moment war sie überrascht und sprachlos. Alfred schnappte sich seinen Modellflieger und war auch schon verschwunden, bevor sie ihren Mund wieder öffnen konnte.
Diedrich wartete schon mit seinem Wagen und Alfred verstaute den Modellflieger im Kofferraum. Sie fuhren das kurze Stück über die Landstraße Richtung Geldern, Weiden und Wiesen rechts des Weges. Kurz vor Nieukerk lag das Gelände der Modellflieger. Eine langgestreckte Wiese, frisch gemäht und leuchtend grün. Sie parkten das Auto am Rande der Straße. Nur Markus Elsen und Leo Elbers waren schon da. Sie saßen in ihren Gartenstühlen und werkelten an ihren Fliegern.
»Morgen ihr Langschläfer«, der tiefe Bass von Markus dröhnte herüber.
»Selber Morgen, ihr seid doch bestimmt von gestern übrig geblieben«, grinste Diedrich breit.
Ein fröhliches Lachen war die Antwort.
»War klar, Herr Doktor.«
Die beiden Neuankömmlinge packten ihre Sachen aus, Alfred seinen Dreidecker, er war feuerrot und frisch lackiert. Diedrich hatte den Sikorsky-Kampfhubschrauber mitgebracht, seine neueste Errungenschaft.
Leo und Markus mussten die Modelle ausgiebig begutachten, fachmännische Diskussionen entbrannten und es war fast Mittag, bevor sich der erste Flieger in den blauen Himmel erhob.
Der Tag flog dahin, die Modellflieger zogen ihre Bahnen durch die klare Luft, und ein paar Schaulustige leisteten ihnen Gesellschaft.
Der Kaffee in den Thermoskannen ging zur Neige, die Sonne begann den Himmel in rosa Watte zu verwandeln und es wurde kühler.
Der letzte Flieger schwebte herein und landete sicher auf dem Grün. Alfred war in Gedanken mitgeflogen, wie gerne hätte er die schöne niederrheinische Landschaft von dort oben gesehen. Fliegen war immer sein Traum gewesen, die Freiheit zu genießen, die ein Vogel hatte. Vor Jahren hatte er es mal Isolde beiläufig beim Kaffeetrinken auf der Terrasse erzählt.
»Ich würde gerne einmal mit den Ultraleicht-Fliegern mitfliegen, drüben von der UL-Wiese. Am Wochenende ist dort Tag der offenen Tür.«
Isolde war ausgerastet, sie hatte ihn angeschrien und hysterisch geworden. Er hatte das Thema nie wieder angeschnitten.
Alfred tauchte aus seinen Gedanken auf und begann den Flieger zu verstauen. Der Abend kam, Wolken trieben von Westen über das Land. Die Niederländer schickten schlechtes Wetter, dachte Alfred und schaute weiter in den Himmel.
Nach einer Weile packten sie zusammen, stiegen in Diedrichs Wagen und fuhren zurück zu Alfreds Haus.
Wie friedlich war es, die Türe zu öffnen und keine Katzen zu sehen. Und natürlich keine Isolde. Erst Sonntagnacht kam sie zurück, ein ganzes Wochenende Entspannung. Er konnte Heimwerken und Basteln, Rod Steward und Joe Cocker hören, sich Dr. Stratmann ansehen und niemand würde ihn stören. Konnte es nicht immer so sein? Der Gedanke gefiel ihm. Versonnen saß er im Sessel und streichelte Aras Kopf.
Es war Mitternacht, die Glocke von St. Thomas schlug zwölf Mal. Alfred lag im Bett, seine Gedanken kreisten um die Fliegerei. Die Welt war schön, viel schöner war sie von oben. Ganze Bildbände mit Luftaufnahmen hatte er verschlungen, wie toll musste seine Heimat von oben sein.
Er hörte die Haustür, Isolde kehrte heim. Leise Schritte auf der Treppe, die zu ihrem Zimmer führten. Kein Wort, kein Blick in seine Richtung, kein »Hallo ich bin da«, nur völliges Desinteresse. Alfred hatte nichts anderes erwartet, hätte Isolde sich anders verhalten, wäre er verwirrt gewesen.
Es war Morgen, aber es wurde nicht hell. Der Wind trieb Wolkenberge vor sich her, graue Riesen, die sich ineinanderschoben, der Sonne keine Chance ließen und die Welt in ein trübes Licht tauchten. Nieselregen fiel vom Himmel, unhörbar und stetig.
Isoldes Stimmung stand dem Wetter in nichts nach. Sie würdigte Alfred keines Blickes, in einen Ausstellungskatalog vertieft trank sie Kaffee und Baroness hatte sich auf ihrem Schoß zusammengerollt.
»Guten Morgen, wie war deine Ausstellung?«
»Was ist an diesem Morgen gut?«, kam es spitz zurück. »Baroness hat nur 87 Punkte bekommen. Eine Frechheit!«
Sollte er sein Bedauern äußern? Sollte er lügen? Alfred setzte sich an den Tisch, er ließ sich das Frühstück schmecken. Sie musterte ihn stumm, und beobachtete, wie er seinen Teller leerte.
»Aras muss ans Feld, bis später«, sagte Alfred, nachdem er aufgegessen hatte, und erhob sich.
»Bei dem Wetter? Igitt! Du bist verrückt«, sie schüttelte sich. »Ich bin verspannt vom Wochenende, und ich werde gleich ein Bad nehmen.«
»Viel Spaß«, seine gute Laune irritierte Isolde, »ich gehe eine große Runde, und vielleicht trinke ich noch im Bauerncafé in Rahm einen Kaffee.«
»Wenn