In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber. Augustin Wibbelt
Asche schaute mich mit großen Augen an. »Ich reite«, befahl der Prinz, »lebt wohl, Waldbruder! Mensa, der Tisch, aber niemals Hui vom Fleißbäumchen!« Fort brausten er wie die Wilde Jagd, das Kerlchen reitet wie der Teufel.
Das nächste Mal kam Prinzessin Puttel mit. Saß im grünen Kleidchen auf einem goldbraunen Rösslein, und goldbraun flatterte das Haar.
»Waldbruder«, rief sie, »mensa, der Tisch.« Das hatte die kleine Kröte schon gelernt. Und nun ging es über den Honigtopf her. Mit langen Strohhalmen sogen sie den süßen Saft in vollen Zügen und schmatzten vor Behagen.
»Ach, Latein ist süß«, rief das Prinzesschen, »ich komme jetzt immer mit.«
»Was sagt denn die Frau Königin dazu?«, fragte ich, »und die Frau Oberhofmeisterin?«
Da lachten sie beide. »Mama weiß nichts«, sagte Prinzessin Puttel, »und die Gelbrüssel haben wir eingesperrt in ihrem Turm, die faucht jetzt wie eine Katze.«
Ich machte ihnen Vorwürfe, aber das Prinzesschen ließ mich nicht ausreden. Sie sprang auf, tanzte durch die Blumen und blieb dann vor mir stehen, gerade wie ein Irrwisch in ihrem goldbraunen Haar.
»Waldbruder, was macht Ihr für Geschichten?« Sie drohte mit dem Fingerlein. »Wo steht das Fleißbäumchen mit dem Hui? Mein Bruder hasst es, und wir wollen es umhauen. Das ist es, nicht wahr?« Sie zeigte auf das Birkenbäumchen, das vor Angst zitterte.
»Das Beil!«, rief die Prinzess und zog ein blitzendes, silbernes Beil hervor.
»Gib her!«, schrie der Prinz und griff nach dem Beile. Das war mir denn doch zu arg. Ich stellte mich vor das Bäumchen und breitete beide Arme aus, es duckte sich ängstlich hinter meinem Rücken.
»Halt, Königliche Hoheiten«, rief ich, »daraus wird nichts. Dem Bäumchen wird kein Zweig geknickt; es sei denn, dass es freiwillig eine Rute hergibt für unartige Kinder.«
Da hättet ihr das Prinzlein sehen sollen. Es wurde feuerrot vor Zorn und hob das Beil gegen mich.
Prinzessin Puttel zog seinen Arm herunter und sagte: »Lieber Asche, mach keinen dummen Streich. Komm, wir wollen den groben Waldbruder verlassen.«
»Das wird wohl das Beste sein«, sagte ich ruhig. Alle beide waren wie der Wind auf den Pferdchen und wie der Sturm durch den Wald – weg! Ich dankte Gott, als sie fort waren, und dachte, da mag ein anderer Prinzenerzieher sein. Ich tue nicht mehr mit. Heute noch schreibe ich einen Brief und kündige die Stunden auf. Küster Kuckuck kann ihn zum Schloss tragen.
Aber die Gelbrüssel kam mir zuvor. Nach zwei Stunden erschienen die beiden weißen Tauben und brachten einen Brief von der Frau Oberhofmeisterin, der also lautete: »Ehrwürdiger, aber wenig hofmäßiger Waldbruder! Herr Professor Schwalbenschwanz, der zurzeit hier weilt, hat durch eine Prüfung festgestellt, dass Prinz Asche sehr wenig Fortschritte im Latein gemacht hat. Auch hat das Betragen des Prinzen nicht gewonnen, seit er in der Waldklause verkehrt. Vor Kurzem war sogar ein ungebührliches Benehmen gegen eine der obersten Hofchargen zu beklagen. Ich bin deshalb beim König vorstellig geworden. Seine Majestät haben huldvoll geruht, Herrn Professor Schwalbenschwanz zum Prinzenerzieher zu ernennen. Somit seid Ihr Eures Amtes in Gnaden entbunden. Reichsfreifrau Aldaberta von Gelbrüssel, geborene Gräfin von Katzenkrall, Oberhofmeisterin.«
Den Brief rahm ich mir ein. Gestern kam Prinz Asche mit dem Möhrchen hier vorbeigeritten.
Er rief über den Zaun: »Waldbruder, Ihr seid ein grober Mann mit Eurem Birken-Hui, aber Professor Schwalbenschwanz ist hundertmal schlimmer – mensa, der Tisch! Juchhe!«
Damit warf er eine Handvoll Goldstücke in den Garten. Ist doch ein nettes Kerlchen, und jetzt bekommt euer alter Waldbruder eine neue Glocke.
In der
Waldklause
Erlebnisse des Waldbruders im ersten Jahre
Sommer
Ach, Frau Sonne meint es gut,
Kocht und schürt die heiße Glut
Und hantiert in ihrer Küche,
Backt im Feld das braune Brot,
Kirsch‘ und Erdbeer‘ schmoren rot,
Lieblich duften die Gerüche.
Das gibt sicher guten Schmack,
Doch ich schwitz‘ in meinem Sack,
Und mein Mut geht in die Brüche.
Nun, so komm! Das Bächlein schreit:
»Hab‘ ein kühles Bad bereit,
Ist dazu die rechte Zeit!«
Herr Sommer heizt gehörig ein,
Er heizt mit lauter Sonnenschein.
Was nützt das Rennen und das Schwitzen?
Im Schatten lässt sich lieblich sitzen.
Die Sonne brennt, die Luft ist schwül,
Im grünen Walde weht es kühl,
Das Bächlein hält zu jeder Zeit
Ein frisches Bad für euch bereit.
Mondnacht
Diesmal habe ich ein kurioses Abenteuer zu erzählen! Setzt euch dort in den Schatten, die Sonne brennt schon recht tüchtig.
Halt! Der kleine Junge da trinkt zu hastig aus der kalten Quelle, das tut nicht gut. Trinkt nicht aus der Mütze, sondern aus der hohlen Hand. Dann ist das Wasser etwas angewärmt, und ihr trinkt nicht zu schnell. Nun gebt Acht!
Gestern Nacht wurde ich plötzlich wach. Als ich die Augen aufschlug, sah ich dem Monde gerade in das große, weiße Gesicht. Und als ich noch genauer hinschaute, merkte