In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber. Augustin Wibbelt
In der
Waldklause
Erlebnisse des Waldbruders im ersten Jahre
Herbst
Herbst, du bist der rechte Mann!
Dass man gut spazieren kann,
Gehst du sacht mit leichten Schritten;
Färbst den Wald mit goldnem Schein,
Webst Marienfäden ein,
Und das Laub, das hingeglitten,
Gibst du als ein Winterbett
All den Würzlein, fein und nett.
Ach, wie bist du wohlgelitten!
Aber lass den Sturm zu Haus,
Sausebraus, sonst reiß ich aus
Und verkriech mich in die Klaus!
Herr Herbst hat eine offene Hand
Und streut die Früchte übers Land.
Wir sammeln seine guten Gaben,
damit wir was zu knuspern haben.
Und zieht der bunte Herbst ins Land,
Dann gilt es sammeln allerhand;
Bucheckern, Nüsse, haufenweise,
das gibt mir fette Winterspeise.
Der Färbermeister
Heute sollt ihr einen Augenschmaus haben. Kommt, wir steigen diese Anhöhe hinan. Oben öffnet sich eine freie Aussicht, und da habt ihr den Wald vor euch zu Füßen und könnt darüber hinwegschauen. Nun seht einmal das Farbenspiel in Grün, Gelb und Rot und dazwischen die schwarzen Tannen! Der Wald ist niemals schöner als im Herbst. Frau Sonne schaut durch die weißen Wolken und gibt uns die rechte Beleuchtung. Dann wird alles noch einmal so bunt.
Habt ihr es schon gewusst, dass Herr Herbst ein Färbemeister ist? Der Frühling ist von Beruf Gärtner, er pflanzt all die schönen Blumen. Der Sommer ist Koch, er kocht die Früchte reif mit süßen Säften und braucht keine Töpfe und kein Feuer. Frau Sonne geht ihm zur Hand mit ihren warmen Strahlen. Der Gärtner Frühling trägt einen bunten, kurzen Kittel und der Sommer einen schneeweißen, leichten Anzug, wie es für einen Koch passt. Auch eine weiße Mütze, die sehr proper aussieht. Aber der Herbst, das ist ein Mann!
Dieser Tage bin ich ihm begegnet, als ich gerade auszog, um Bucheckern zu sammeln. Frau Eichhörnchen hatte mir eine dicke, runde Buche bezeichnet, die besonders reichlich Frucht trägt.
Wie ich so den Waldweg entlangwandelte und ein Liedchen vor mich hin summte, stieg mir ein sonderbarer brenzliger Geruch in die Nase. Ich blieb stehen und schnüffelte in die Luft und brummte: »Wenn das nicht Rauch von Kartoffelkraut ist, dann will ich kein Waldbruder sein.« Da kam ein behäbiger Mann im Färberkittel mit allerlei Töpfen und vielen Pinseln, kurzen und langen, um eine Webbiegung und rief schon von Weitem: »Gut, dass ich Euch treffe, Waldbruder! Ihr könnt mir die Töpfe tragen. Ich bin schrecklich beladen und habe ungeheuer viel Arbeit zu tun.« Er sprach etwas undeutlich durch die Zähne, denn er hielt eine kurze Pfeife im Munde.
»Na«, sagte ich, »wo wollt Ihr denn hin, Meister Färber? Hier im Walde gibt es doch nichts anzustreichen.« Er stellte seine Töpfe auf den Boden und stopfte seine Pfeife. Er tat wirklich trockenes Kartoffelkraut hinein.
»Ich rieche es so gern«, schmunzelte er vergnügt, »ich bin nämlich der Herbst. Nichts anzustreichen im Walde? Da sollt Ihr Euch wundern. Hier, nehmt den großen Topf mit Gelb in die rechte Hand. Gelb brauche ich am meisten. In die linke nehmt den Topf mit Braun, der ist auch ziemlich schwer. Den Topf mit Rot hänge ich mir vorn ins Knopfloch, der ist leicht. Die anderen Töpfchen mit den Mischfarben hänge ich mir der Reihe nach vor den Leib in meinen Gürtel. So, nun kann es losgehen.«
Damit tauchte er seinen Pinsel in Gelb und fuhr über den Feldahorn. Sogleich leuchtete er wie eitel Gold. Dann fuhr er über die Eichen her mit Braun und spritzte etwas Rot auf die Brombeerblätter. Als wir zu den Buchen kamen, fasste er den längsten Pinsel mit beiden Händen und wischte und tupfte und spritzte und sprühte mit allen möglichen Farben. Ich hätte gar nicht gedacht, dass der behäbige Mann so flink sein könnte. Und dabei schwätzte er in einem fort und lachte dazwischen und paffte, dass der blaue Rauch lustig durch den bunten Wald wirbelte. Das graue Spitzbärtchen zuckte munter auf und ab, und seine gesunden roten Backen glänzten ordentlich vor Vergnügen.
»Waldbruder«, sagte er, »weil Ihr ein so guter Mann seid und mir so wacker helft, will ich Euch ein Pläsier machen. Ihr habt wilden Wein an Eurer Klause, der soll leuchten wie Purpur. Ich will mit der Farbe nicht sparen. Und die Dornsträucher daneben will ich Euch vergolden, dass es eine Pracht ist. Wenn Ihr wünscht, mache ich Euch auch einige bunte Tupfen auf Eure braune Kutte.«
Ich bedankte mich und sagte: »Die Kutte wollen wir lieber so lassen, wie sie ist, sonst lacht das ganze Waldgesindel mich aus.«
»Auch gut«, lachte er, »Braun ist eine schöne Farbe, ich mag sie gern leiden. Nur Grün kann ich nicht ausstehen.«
Ich meinte, dann würden wir noch viel Arbeit haben mit den Tannen, denn die wären alle noch grün.
Da zog er ein etwas verdrießliches Gesicht und brummte: »Über die Tannen ärgere ich mich jedes Jahr. Aber ich darf ihnen mit meinem Pinsel nicht nahekommen. Wisset, das liebe Christkind hat es mir verboten, es will zu Weihnachten einen grünen Baum haben. Ich habe mich untertänigst erboten, die Tanne so bunt zu malen wie einen Regenbogen, aber es wollte nichts davon wissen. Nun gut, die Menschen hängen schon allerlei bunten Flitter hinein in den Christbaum.«
Es fing an zu dunkeln, und der Herr Färbermeister machte Feierabend. Er spritzte seine Pinsel aus, dass die gelben und roten Tropfen nur so herumsprühten. All das kleine Kraut haschte danach und rief: »Mir auch! Mir auch!« Und wer einen farbigen Tupfer erwischt hatte, war ganz stolz.
»Aber«, sagte ich, »gehen wir denn nicht ins Feld?«
Er schüttelte mit dem Kopf: »Nein, da steht die junge