In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber. Augustin Wibbelt

In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt


Скачать книгу
und großmütig, und ich habe mich auch artig bedankt. Nachher sah ich freilich, dass die Nuss taub war; das wird sie wohl übersehen haben.

      Frau Eichhörnchen ist eine reiche Frau. Sie hat außer ihrer Wohnung drei bis vier Vorratshäuser, und die sind jeden Herbst gefüllt mit Nüssen und Eicheln und Bucheckern, bis oben voll. Sie spaziert dann von einer Kammer zur anderen und isst sich ganz tüchtig durch den Winter. Vor der Kälte fürchtet sie sich auch nicht, denn sie schafft sich jeden Winter einen neuen Pelz an. Er ist nicht ganz so kostbar wie der, den Junker Marder trägt, aber doch hübsch und warm. Mit Kleidern und Pelzen wird überhaupt ziemlich viel Staat getrieben im Walde. Neulich begegnete ich dem kleinen Fräulein Wiesel, das trug einen schneeweißen Pelz, war aber auch so stolz, dass es meinen Gruß nicht einmal erwiderte.

      Übrigens, ich ernte auch im Walde. Meistens lebe ich von der Hand in den Mund. Was war das für ein Pläsier zur Erdbeerzeit! Jeden Morgen zog ich zur Waldlichtung und holte mir eine ganze Schüssel voll. Man spürte den Duft schon von Weitem, und wenn man näherkam, sollte man glauben, eine gute Fee habe einen ganzen Sack voll Rubinen ausgeschüttet.

      Frau Amsel fand sie auch sehr gut, und erst Frau Schnecke! Die ging gar nicht mehr fort und schmatzte den ganzen Tag an den süßen, roten Beeren herum. Nun, sie hatte ihr Haus ja auch bei sich und konnte auf der Stelle zu Bett gehen, wenn sie wollte. Waldbeeren und Brombeeren sind auch gut, aber Erdbeeren sind doch noch besser. Meine sieben Zwerge sind ganz närrisch darauf.

      Die kleinen Kerle helfen mir wacker bei der Gartenarbeit und beim Einsammeln von Nüssen und verlangen gar keinen Lohn dafür. Ich muss ihnen nur bei jedem Neumonde den Bart etwas zustutzen und frisieren, denn sie sind ja ein bisschen eitel. Sie stehen dann nachher eine geschlagene Stunde am Waldteich und bespiegeln sich und drehen ihre Schnauzbärtchen. Wenn ich nächstens einmal in die Stadt komme, will ich ihnen einen kleinen Spiegel mitbringen. Oder ihr könnt mir einen besorgen. Ein Waldbruder passt nicht in die Stadt. Vielleicht hält man mich da für einen Bären und sperrt mich in einen Zoologischen Garten.

      Ich ernte auch Pilze und trockne sie für den Winter. Das ist nahrhafte und leckere Kost, aber man muss sie kennen. Die Schönsten sind nicht immer die Besten.

      Wie ich neulich mit meinem Korb daherkam, stand Herr Fliegenpilz am Wege und lachte mich schon von Weitem an und seinem purpurroten Hut.

      »Nehmt mich mit, Waldbruder«, sagte ich, »ich bin der Schönste von allen.«

      Aber ich habe ihm eine lange Nase gemacht und geantwortet: »Bleib, wo du bist! Du kommst mir nicht in meinen Topf, du Teufelskerl!« Seitdem sieht er mich nicht mehr an, mir ist es einerlei.

      Ich traf damals auch den Meister Grimbart, den Dachs. Er lag vor seinem Bau und sonnte sich.

      »Waldbruder«, gähnte er und gähnte vor Faulheit, »warum macht Ihr Euch das Leben schwer und schleppt Euch allerlei Sachen zusammen? Seht mich mal an!« Dabei drehte er sich herum und zeigte seinen dicken Specknacken.

      »Macht es wie ich! Ich fresse mich den Sommer über dick und fett, und wenn der Winter kommt, gehe ich zu Bett und schlafe. Ich zehre vom eigenen Fett bis zum Frühjahr.«

      Diese Methode ist allerdings bequem. Ich sagte ihm aber: »Eins schickt sich nicht für alle, Meister Grimbart! Ich kann nicht gut so lange schlafen, und dann sieht so ein dickes Bäuchlein auch nicht gut aus für einen Waldbruder.«

      Die Waldhochschule

      Diesmal kann ich euch ein Ereignis berichten, das jedenfalls euer besonderes Interesse erregen wird. Es ist die kürzlich erfolgte Gründung unserer Waldhochschule.

      Da macht ihr Augen, nicht wahr? Damit ihr den rechten Respekt bekommt, will ich euch auch gleich sagen, dass euer Waldbruder einstimmig zum Leiter der Schule erwählt worden ist. Da es nun eine Hochschule ist – unter dem tun wir es nicht –, so bin ich also Hochschuldirektor und kann Anspruch machen auf den Titel »Magnifizenz«. In meiner Bescheidenheit habe ich mir diesen Titel aber verbeten, und ihr dürft mich nach wie vor einfach »Waldbruder« nennen. Nur Frau Eule, die große Stücke auf das gelehrte Wesen hält, redet mich hartnäckig mit Magnifizenz an. Sie lässt es sich nicht nehmen. Dafür erwartet sie aber auch, dass man sie »Frau Dekanin« tituliert. Sie bekleidet nämlich die Dekanswürde in der juristischen Fakultät, das will sagen, in der Abteilung für Rechtsgelehrsamkeit.

      Von Frau Eule ist die Idee, eine Waldhochschule zu gründen, ausgegangen. Ich hatte deshalb auch vorgeschlagen, ihr den Ehrentitel »Universitäts-Mutter« zu geben. Das hat sie aber abgelehnt, doch hört sie es gern, wenn man jene Ehrenbezeichnung gebraucht, die dem Dekan zusteht, nämlich »Spektabilität«. Das heißt soviel wie Ansehnlichkeit, während Magnifizenz Großmächtigkeit bedeutet. Ich habe den Eindruck, dass Frau Eule den Titel Spektabilität deshalb so sehr liebt, weil er durch seinen Klang lebhaft an Speck erinnert. Speck isst sie nämlich sehr gern.

      Die Gründung ging nicht ganz glatt vonstatten. Frau Eule hatte schon einige Male geäußert, es sei bedauerlich, dass die Bildung bei uns im Walde viel zu wünschen übrig ließe, von Wissenschaft ganz zu schweigen. »Außer Euch und mir«, sagte sie, »gibt es kaum einen, der lesen und schreiben kann, und was das Rechnen anbetrifft, so können die meisten nicht bis drei zählen. Frau Amsel zum Beispiel merkt es gar nicht, wenn der Häher ihr ein Ei aus dem Neste stibitzt, solange noch ein oder zwei darin bleiben. Und Frau Meise weiß niemals, wie viele Kinder sie hat. Die Person treibt allerdings auch große Verschwendung mit dem Kindersegen.«

      »Nun«, sagte ich, »der kleine schwarze Taumelkäfer auf dem Waldteiche schreibt doch sehr flott und macht die schönsten Schnörkel, indem er auf der Oberfläche des Wassers herumfährt. Man nennt ihn ja auch das Schreiberlein.«

      Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: »Ach, der kann ja selbst nicht lesen, was er schreibt, und andere Leute können es auch nicht.«

      Nach kurzem Besinnen fuhr sie fort: »Was wäre das für ein Gewinn für die Wissenschaft, wenn jedes Geschöpf im Walde seine ausführliche Lebensbeschreibung verfassen würde. Dann würde auch viel dummes Zeug aus den Menschenbüchern verschwinden.«

      Das leuchtete mir ein, und halb im Scherz warf ich die Bemerkung hin: »Wenn schon, denn schon! Gründen wir eine Schule, dann müsste es gleich eine Waldhochschule sein. Man muss sich das Ziel hochstecken.«

      Frau Eule sah mich nachdenklich an, rückte ihre Haube zurecht, murmelte etwas vor sich hin und verabschiedete sich. Am nächsten Morgen, früh in der Dämmerung, klopfte sie an mein Fensterlein:

      »Waldbruder, ich habe gleich alles in die Wege geleitet. Heute Abend ist Versammlung zur Gründung einer Waldhochschule. Punkt acht Uhr am Unkenteich. Ihr übernehmt doch den Vorsitz?«

      Nun, man will ja nicht gern als ein Vertreter der Volksverdummung dastehen, und so sagte ich denn zu. Ich war sehr gespannt auf das Ereignis. Es fiel glänzend aus.

      Als ich um acht Uhr beim Unkenteich ankam, wimmelte es von Volk. Vorläufig konnte man eher an alles andere als an eine Hochschule denken, so ging das Gezwitscher und Geplapper durcheinander. Als ich um Ruhe bat, verstummte alles und sperrte Maul oder Schnabel auf. Ich eröffnete die Versammlung, legte kurz den Plan der beabsichtigten Gründung vor und erteilte Frau Eule das Wort. Sie putzte die Brille, spuckte etwas Mäusewolle aus und hielt dann einen langen, scharf durchdachten Vortrag über den Nutzen der Wissenschaft, erstens im Allgemeinen, zweitens im Besonderen, drittens im Walde. Die meisten Vögel schliefen während des Vortrages ein, wurden aber wieder wach, als sich eine lebhafte Debatte anknüpfte. Frau Häsin fragte, ob an der neuen Schule auch Kochunterricht gegeben würde. Frau Eule verneinte es, stellte aber in Aussicht, dass eine Vorlesung gehalten werden sollte über Nahrungsmittelchemie, was Frau Häsin wenig zu interessieren schien.

      »Ich meine«, sagte sie, »die Zubereitung des Winterkohls wäre viel wichtiger. Er liegt meinem Manne immer so schwer im Magen.«

      »Du musst ihn auch gut durchfrieren lassen«, bemerkte Frau Kanin und fragte dann, ob an der Schule auch Handarbeit gelehrt würde. »Denn«, sagte sie, »die Kinder verschleißen schrecklich viele Socken, und die jungen Mädchen lernen gar kein


Скачать книгу