In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber. Augustin Wibbelt

In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt


Скачать книгу
wie eine mächtige Orgel. Die Sonnenstrahlen hüpfen durch die Zweige nieder bis zu den stillen Waldblumen und streicheln ihnen über das fromme Gesicht. Das Moos brennt wie grünes Feuer. Und es ist so still, dass man die Käferchen krabbeln hört im Laub. Wenn man ganz angestrengt lauscht, hört man die dicke Hummel husten. Sie ist gestern in den Bach gefallen und wäre ertrunken, wenn ich ihr nicht herausgeholfen hätte. Jetzt hat sie einen leichten Schnupfen. Sie will mir auch zum Danke ein Eichelnäpfchen voll Honig schenken. Ihr dürft einmal daran lecken, wenn ihr mich besucht. Zuweilen weht auch ein leises, tiefes Atmen herüber, dann geht der liebe Gott durch den Wald.

      Ja, es ist wunderschön, aber etwas fehlt mir noch. Es ist zu einsam. Ich muss ein bisschen Leben um mich haben. Am liebsten habe ich Kinder. Lustige, kleine Trabanten, mit denen ich ein wenig plaudern kann. Wollt ihr mich nicht zuweilen auf ein Stündchen besuchen kommen in meiner Waldklause? Wenn ihr bange seid vor meinem langen Barte, dann schneide ich ihn wieder ab. Aber er tut euch nichts. Es ist kurzweilig hier, und ich weiß viele Geschichten, schöne Märchen, die man kaum glauben kann, und Gedichte, die sich ganz geschickt reimen, und Rätsel, die man aufknacken muss wie Nüsse, und lustige Spiele. Auch ein paar gute Lehren gebe ich euch dazu, aber nicht zu viel. Was meint ihr nun, wollt ihr zu dem alten Waldbruder kommen, dann und wann auf ein Stündchen?

      Ihr denkt wohl, der Weg sei zu weit und schwer zu finden. Keine Sorge, die Sache ist ganz einfach. Ich habe mir ein Luftschiff gekauft, das soll euch abholen und zurückbringen – wuppdich, seid ihr hier, und wuppdich, seid ihr wieder zu Hause. Es ist ein feines Luftschiff, rosenrot angestrichen; darum habe ich es »Morgenrot« getauft. Herauspurzeln wird keins, denn die Bänke sind stark mit Pech bestrichen. Es ist aber Glückspech und lässt zur rechten Zeit los, macht euch keine Flecken. Frau Holle hat mir dies Pech geschenkt, das ist eine gute alte Tante von mir. Hunger braucht ihr bei mir nicht zu leiden. Ich habe mir ein Tischleindeckdich bestellt. Der Schreiner sagt, morgen wäre es fertig; es ist aber teuer gewesen.

      Dass mir nur die Knaben keinen Unfug machen und mein Füchslein in den Schwanz kneifen oder gar meinem Häslein das Fell über die Ohren ziehen! Sonst kommt der Knüppel-aus-dem-Sack, der lauert immer hinter meiner Klausentür. Die Mädchen werden schon artig sein, dürfen aber nicht allzu viel plappern. Sonst wird meine Nachbarin, Frau Einsamkeit, verdrießlich. Singen und springen dürft ihr, so viel ihr wollt. Dabei werdet ihr gute Gesellschaft haben. Frau Nachtigall hat viele neue Lieder eingeübt und die Eichhörnchen allerlei Reigentänze. Sogar das Schnecklein hat verlauten lassen, es wolle mittanzen. Ich fürchte aber, dass es etwas langsam geht, denn es will sein Häuslein nicht zu Hause lassen.

      Also, liebe Kinder, kommt zum Waldbruder!

      In der

      Waldklause

       Erlebnisse des Waldbruders im ersten Jahre

       imageWinterimage

       Drei Gedichte

       Willkommen!

       Das Märchen

       Mein Patenkindchen

       Fastnacht

       Die Entdeckung

       Verdruss

      Winter

       In den langen Stiefeln schwer

      Stapft der König Winter her,

      Weiß der Pelz und rot die Nase.

      Blanke Brücken baut er flink,

       Und auf seinen Hauch und Wink

      Blumen blüh’n am Fensterglase,

       Deckt die Welt zur guten Ruh

      Weich mit weißen Decken zu.

       Doch in meinem Kohl der Hase

      Hoppelt sachte hin und her,

       Weiß, ich habe kein Gewehr –

      Lass ihn! Hunger macht Beschwer.

      Herr Winter ist ein guter Mann,

      Der gar gewaltig schneien kann,

       Da muss man schön zu Hause bleiben

      Und sich daheim die Zeit vertreiben.

      Im Winter gibt es Eis und Schnee,

      das tut mir aber gar nicht weh.

       Ich mach‘ ein Feuerlein und hause

      Vergnügt in meiner warmen Klause.

image

      Willkommen!

      Seid ihr alle da, Buben und Mädchen, groß und klein? Das freut mich, und nun sollt ihr mir herzlich willkommen sein in meiner Klause.

      Ihr schaut euch um und denkt, wo ist denn der grüne Wald? Es ist ja alles kahl, und der Wind pfeift scharf durch die Baumstämme. Ja, liebe Kinder, es ist Wintertag, auch in meinem Walde. Aber das macht nichts; es ist hier auch im Winter lustig. Nur herein in meine Klause, da drinnen brennt ein warmes Feuer. Nur herein, so viele ihr seid, ihr habt Platz genug! Mein Haus wird nie voll, so kunstvoll hat der Baumeister es gebaut. Es findet sich immer noch ein behagliches Eckchen, wo man unterschlüpfen kann.

      So, nun will ich noch einen Armvoll Tannenzapfen aufs Feuer werfen. Das prasselt so lustig, und die Funken sprühen dann wie goldene Garben in die Höhe. Ihr müsst nicht erschrecken, wenn es zuweilen dahinten in der Ecke unheimlich knappt. Das tut Frau Eule mit ihrem dicken Schnabel. Der hohle Baum, in dem sie wohnte, ist neulich bei dem großen Sturm umgefallen. Sie war sehr betrübt, da sie obdachlos war, und hatte vergebens bei Frau Eichhörnchen angeklopft. Die hat ihr mit dem buschigen Schweif um die Ohren gefegt und gesagt, sie solle sich zum Kuckuck scheren. Herr Kuckuck ist aber verreist und kommt erst nächsten Sommer wieder. Da habe ich der Muhme Eule Quartier gegeben in meiner Klause, und zum Dank fängt sie mir die überflüssigen Mäuse weg, die mir mein bisschen Speck auffressen wollen. Nur meinen drei weißen Mäuslein darf sie nichts tun. Die wohnen dort in dem alten verschlissenen Holzschuh und sollen euch gleich eine kleine, feine Komödie vorspielen. Sie spielen am besten das Stück von der geduldigen Genoveva und können dabei so rührend piepen, dass sogar Frau Eule anfängt zu schluchzen. Gestern hat sie geweint, dass die Tränen nur so ins Feuer zischten. Sie hätte es beinahe ausgelöscht.

      Hört ihr, da kratzt es an der Tür, und da flattert es vorm Fenster. Das sind meine Bettelleute. Meister Lampe mit den langen Ohren guckt schon durch die Ritzen. Seine Beine sind noch einmal so lang geworden und sein Bäuchlein noch einmal so dünn; er hat in den letzten vierzehn Tagen ganze drei Pfund abgenommen. Ich gebe ihm eine schöne gelbe Rübe zum Abknabbern. Und die kleinen Meisen sind auch da; sie kriegen eine Speckschwarte. Am besten hat es noch mein Rotkehlchen. Seht, da oben sitzt es auf dem Zapfen und äugt neugierig zu uns herunter. Es hat mir versprochen, dass es den Winter über bei mir bleiben will, um mir die Zeit zu vertreiben. Dafür bekommt es alle Tage satt Brotkrümchen.


Скачать книгу