In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber. Augustin Wibbelt

In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt


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heißt du denn?«

      Die Antwort kam ganz feierlich heraus: »Ich heiße Hypsidius Wibbelti.«

      Da fiel es mir ein. Es war früher einmal ein ganz gelehrter Pater bei mir gewesen, der immer auf der Jagd ist nach den winzig kleinen Moostierchen. Er kennt sie alle mit Namen, diejenigen ausgenommen, die noch gar keine Namen haben, weil noch kein Mensch sie entdeckt hat. So hat er auch in dem Moose an meiner Kirchenmauer ein unbekanntes Moostierchen gefunden. Weil er ein sehr höflicher Mann ist, hat er mir die Ehre angetan, es nach mir zu taufen. Gesehen hatte ich dies Patenkindchen noch nie, es ist auch nur ein Fünftel von einem Millimeter lang.

      »Bist du denn das kleine Krüperchen«, so fragte ich, »das der gute Pater Gilbert entdeckt hat?«

      Da wurde das kleine Ding patzig und murrte: »Pater Gilbert hat mich allerdings aufgefunden, aber ein Krüperchen bin ich nicht, wenn ich auch nicht so ein ungeschlachter Riese bin wie du.«

      »Wir wollen uns nicht zanken, liebes Patenkindchen«, sagte ich, »aber ich möchte dich gern einmal sehen. Wo bist du denn?«

      »Hier«, piepte es ganz fein, »mach deine großen Glotzaugen doch besser auf!«

      Da kam die gute Frau Eule mir zu Hilfe. Sie lieh mir ihre grüne Bille, und als ich sie über meine eigene setzte, da sah ich wirklich den klitzekleinen Hypsidius Wibbelti. Ach, du lieber Himmel, wie winzig klein war er doch! Er hatte ein walzenförmiges Körperchen von brauner Farbe, bedeckt mit kleinen Warzen. An den sechs kurzen Beinen sah ich je zwei Krallen. Fünf Gürtel wie kleine Tonnenbänder hatte er sich um den Leib geschlungen. Schön war er gerade nicht, aber das habe ich dem kleinen Ding nicht gesagt, um es nicht verdrießlich zu machen. Auch die allerkleinsten Moostierchen sind ein bisschen eitel, gerade wie kleine Mädchen. Als ich mit dem Finger das Moos glattstrich, fing es an zu schreien: »Nimm doch den dicken Baumstamm weg! Oder willst du mich umbringen?«

      Ich sagte: »Das ist kein Baumstamm, das ist mein Zeigefinger.«

      »Einerlei«, piepte es, »nimm das wüste Ungetüm weg!«

      Ich war nun ganz behutsam und fragte: »Warum hast du mich noch gar nicht besucht? Wohnst doch so nahe vor meiner Klause!«

      Da murrte es: »Ich habe dich schon dreimal angerufen, als du vorbeigingst; aber du hast mich nicht gehört! Ihr habt so grobe Ohren!«

      Ich sagte: »Nun sei artig, kleiner Hypsidius Wibbelti! Und dann sag‘ mal, ist es dir draußen nicht zu kalt?«

      Da lachte er laut auf: »Hier in deiner Klause ist es freilich schön warm. Das gefällt mir wohl besser. Aber das bisschen Frost macht mir gar nichts. Ich ziehe mich zusammen und schlafe. Dem Pater Gilbert bin ich aber böse. Er hat mich einmal in 150 Grad unter null gebracht, und dabei ist mir eine Zehe erfroren am rechten Vorderfuße. Ich bin aber doch lebendig geblieben.«

      Ich wunderte mich über diese Zähigkeit und sagte: »Wie kannst du dann die Sommerhitze aushalten, wenn die grelle Sonne auf deinen Stein prellt?«

      Da lachte es wieder: »Oh, das tut mir auch nichts. Ich werde staubtrocken und schlafe wieder, bis ein Regen fällt und mich anfeuchtet. Dann werde ich wieder wach und strecke mein Beinchen.«

      »Na«, sagte ich, »wenn wir das auch so könnten, dann könnten wir viel Holz und Kleider sparen und Essen dazu.«

      »Ihr könnt auch nichts vertragen«, sagte der kleine Wicht verächtlich.

      »Was isst du denn?«, fragte ich.

      »Ich esse den süßen grünen Brei in den Moospflänzchen. Oh, der schmeckt lecker! Willst du ihn mal probieren?«

      Ich bedankte mich und sagte, ich hätte schon gefrühstückt und augenblicklich gar keinen Appetit.

      »Dann bringe mich wieder auf meinen Stein zurück«, sagte der Hypsidius, und ich tat ihm seinen Willen.

      Ihr müsst das Tierchen aber nicht stören, liebe Kinder! Es schläft jetzt wieder.

      Fastnacht

      Im Walde geht es oft anders zu als in der Welt, mitunter gerade umgekehrt. In der Welt feiert man Fastnacht vor der Fastenzeit, im Walde ist die Fastenzeit vor Fastnacht. Denn wenn erst Fastnacht ist, wird das Wetter schon besser, und die Tiere und Vögel finden wieder Futter. Vorher aber, um Weihnachten und Neujahr, wenn der Boden hartgefroren ist oder dicker Schnee liegt, dann ist Fastenzeit im Walde. Fastnacht aber feiert man zur richtigen Zeit, wie es sich gehört, und diesmal war die Fastnachtsfeier besonders lustig und endete besonders traurig. Ich muss euch das mal erzählen.

      Weil ich noch ein Neuling bin in Waldsachen, so wusste ich nicht, wie es mit der Fastnacht dort gehalten wurde. Ich erkundigte mich gelegentlich bei meinen sieben Zwergen, die mir gerade Holz spalteten und recht fleißig bei der Arbeit waren.

      »Ja«, sagte der Erste und strich steinen grauen Bart, »Fastnacht wird gefeiert, aber es ist nicht weit her. Die Eichhörnchen machen sich Hüte aus Nussschalen und Bärte aus Flechten und Moos. Voriges Jahr hat Frau Elster großes Aufsehen erregt. Sie hat nämlich irgendwo einen Pfauenfeder gestohlen und sich in den Schwanz gesteckt. Und wenn Meister Grimbart, der Dachs, guter Laune ist, dann spaziert er wohl durch den Wald und trommelt mit zwei Tannenzapfen auf seinem dicken Bauch. Genug, die Sache ist ziemlich armselig, und die meisten kümmern sich nicht drum.«

      »Na«, meinte ich, »es gibt ja auch sonst Pläsier genug im Walde«, und ging in meine Klause.

      Die kleinen Knirpse fuhren fort, das Holz zu spalten, aber zwischendurch steckten sie immer die Köpfe zusammen und schwätzten und nickten. Als sie nun abends nach Hause gehen sollten, klopften sie an meine Tür und kamen mir mit einem feinen Plane, den sie unter sich beraten und fix und fertig überlegt hatten. Es sollte diesmal eine schöne Fastnacht gefeiert werden; sie wollten es schon machen, aber ich müsste mittun.

      »Das kommt ganz darauf an«, sagte ich, »als Waldbruder kann ich doch nicht den Narren und Gecken spielen.«

      Das wollten sie auch nicht verlangen, antworteten sie; es solle vor der Waldklause ein Zirkus gezeigt werden, und ich müsste der Zirkusdirektor sein und alles erklären.

      »Und was für Tiere sollen denn auftreten?«, fragte ich.

      »Lauter Haustiere«, war die Antwort, »denn das ist etwas Neues im Walde, also Hund und Katze und Ziege und so weiter. Ihr müsst die Tiere erklären, Waldbruder, und hinterher machen wir allerlei Spiel und Ulk.«

      Das Ding gefiel mir gar nicht übel. Ich konnte mir nur nicht denken, woher sie die Masken bekommen wollten. Sie sagten, das sei ihre Sache; ich solle nur rechtzeitig einladen zum Besuch. So schickte ich den meinen Vizeküster Häher und unsern Polizeidiener Specht durch den Wald und ließ bekanntmachen, dass am Rosenmontag, morgens um zehn Uhr, eine Zirkusvorstellung vor der Waldklause sein würde, Eintritt frei.

      Schon um neun Uhr waren alle Plätze besetzt, vom Boden an bis auf die höchsten Zweige der Bäume. Meine Zwerge erschienen und marschierten in die Hütte. Jeder trug ein Päckchen unter dem Arme, nur der Jüngste nicht. Er hatte es unterwegs verloren und weinte bitterlich.

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      »Es ist jammerschade«, sagte der Älteste, »er sollte das Lamm sein und kann so schön bäh sagen.«

      Ich tröstete ihn und sagte, er könne durch den Türspalt gucken, wenn die anderen spielten.

      Nun hätte es bald Streit gegeben. Sie hatten nämlich für mich eine lange Nase mitgebracht, die ich vorbinden sollte, und das wollte ich nicht.

      »Waldbruder«, sagte der älteste der Zwerge, »das wird Euch bedeutend verschönern. Seht, die Tiere haben fast alle längere Nasen als Ihr, und dann erst die Vögel mit ihren Schnäbeln! Die sind Euch weit über.«

      Ich ließ mich bereden und band die Nase vor, sie war lang wie ein Storchenschnabel. Und richtig, als ich heraustrat, erhob sich ein Schrei der Bewunderung.

      »Ach,


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