Das flüchtige Spiel. Wege und Umwege einer Frau. Emmy Ball-Hennings

Das flüchtige Spiel. Wege und Umwege einer Frau - Emmy Ball-Hennings


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Schultern, und sagte scharf und rauh:

      «Sie irren sich. Ich kann Sie nicht lieben, und ich will Sie nicht zur Frau.»

      «Weil Sie mich nicht lieben?»

      «Der Grund ist meine Sache. . . Nun ja, weil ich Sie nicht lieben kann.»

      «Das wäre gar nicht nötig. Es kommt darauf an, daß ich liebe.»

      «Wie? Was sagten Sie da?»

      «Nichts, gar nichts. Warum werden Sie so heftig? Ich habe Sie doch nicht kränken wollen, Herr Skule, oder habe ich es dennoch getan? Sind Sie mir etwa böse?»

      «Um Himmels willen, auch das noch!» schrie er erregt.

      Da sprang ich auf und war nun meinerseits recht schroff: «Gut. Ich gehe.»

      Wieder griff er nach meinen Händen, preßte sie an sich, daß sie mich schmerzten, stieß mich von sich:

      «Ja, gehen Sie nur, ich bitte Sie dringend darum. Ich muß allein sein.»

      «Adieu, Herr Skule.»

      «Wann kommen Sie wieder?»

      «Niemals! Sie können vollständig beruhigt sein.»

      «Beruhigt soll ich sein! Aber das ist ja zum Verrücktwerden. Bleiben Sie doch, ich flehe Sie an. . . Nein, gehen Sie nur. Es ist besser, wenn Sie gehen, aber wollen Sie mir nicht wenigstens die Hand zum Abschied geben?»

      «Die habe ich Ihnen zur Genüge angeboten.»

      Ich stand an der Tür, aber Herr Skule kam mit auffallend sicheren Schritten zur Tür geeilt und versperrte mir den Weg. Er sprach unheimlich leise: «So, die Hand haben Sie mir angeboten. Und wie ist es mit Ihrem Mund?»

      «Den kann ich schließen, Herr Skule:»

      «Das kann ich auch, Helga.»

      «Lassen Sie mich gehen.»

      «So, und da soll ich an Ihre Liebe glauben, wenn Sie mir nicht einmal einen Kuß geben können? Nun, Sie hätten mich ja schön belogen, wenn. . . nun ja.»

      «Hier ist mein Mund. Bitte. Ich kann nicht lügen.»

      Ich hielt mein Gesicht ganz nahe dem seinen. Dann ließ ich mich in den Arm nehmen und schloß die Augen.

      «Ich bin nicht so blind, wie Sie meinen, kleines Mädchen, und ich sehe viel weiter, als Sie ahnen können.» Und dann küßte er mich lange, aber ganz leise und zart. Es war der erste Kuß, den ich empfing.

      Zu unerfahren war ich, um seine Ablehnung zu begreifen. Fünf Jahre später begegneten wir einander in einer andern Stadt. Er war in Begleitung eines Freundes, der ihn führte. Dieser Freund nun machte mir in etwas auffälliger Weise den Hof, worüber. Herr Skule so wütend wurde, daß er seinem Führer eine Ohrfeige geben wollte, was ich noch rechtzeitig verhindern konnte. Die beiden Freunde gingen im Streit auseinander, und ich war schon aus diesem Grunde genötigt, mich um Skule anzunehmen. Wir blieben, bis ich den Freund wieder ausgesöhnt und über das bedauerliche Vorkommnis genügend aufgeklärt hatte, eine volle Woche beisammen. Als wir wieder auseinandergingen, klagte er in rührender Weise: «Ach, Helga, jetzt wär’s an der Zeit, daß wir einander heirateten.» Diesmal aber konnte ich nicht «Ja» sagen, doch blieben wir einander gute Freunde.

      Daß ich Skule mir einmal zum Manne wünschte, geschah vielleicht aus einer unbewußten Gefälligkeit meiner Mutter gegenüber. Allerdings bezweifle ich, ob sie von einer Verbindung mit einem blinden Manne, der doch dazu in dürftigen Verhältnissen lebte, entzückt gewesen wäre.

      Weil Skule mich nicht zur Frau wollte, hielt ich nicht viel von meiner weiblichen Anziehungskraft auf Männer. Das war indessen ein Trugschluß, wie sich sehr bald herausstellte.

      Es wird um den Glasbläser Mommsen geworben und was das mit sich bringt

      Man möge nicht meinen, daß meine Werbung um Skule ein Einzelfall geblieben ist. Nur Beharrlichkeit führt zum Ziele, aber auch nicht immer. Als Eheopfer hatte ich mir diesmal den Glashüttenarbeiter Mommsen ausgesucht, der sechs verlauste und zerzauste Kinder sein eigen nannte und sonst nicht viel. Seine Frau war ihm durchgebrannt, und ich hielt, es für das Gegebene, mich um den freigewordenen Posten zu bemühen.

      Es fiel mir bedeutend leichter als bei Skule, auch ging ich auf eine Weise vorsichtiger zu Werke. Mommsen war ein Nachbar von uns, und von ihm empfangen zu werden, bedurfte es weder Einführung noch vorheriger Anmeldung. Da brauchte ich nur in der Abendstunde um die Ecke zu biegen, Vereinsstraße, das zweite Haus gleich links, und ich hatte meinen Mann vor mir, in Lebensgröße und inmitten seiner Kinderschar, die allerdings während unserer Unterredung weggeschickt wurde.

      In der verwahrlosten Wohnung sah ich auf den ersten Blick, daß sich mir hier ein lohnendes Tätigkeitsfeld bieten würde. Es konnte sich um eine Vernunftehe handeln. Daß Mommsen gleich zu Anfang die vielen Kinder hatte, das war ja ein Glücksfall, mit dem ich in meinen kühnsten Träumen nie würde gerechnet haben. Was konnte es Dankbareres geben als Stiefmutter werden?

      Wir sprachen langsam das schwerfällige Niederdeutsch miteinander. Was brauchte ich überhaupt noch hochdeutsch zu sprechen? Schauspielerin wurde ich jetzt nicht mehr. Das heißt, ganz genau wissen konnte man es nicht. Hier bei Mommsen gab es vielleicht unmögliche Möglichkeiten.

      Mommsen war alles andere als blind. Er hatte große, fast zu große schwarze Augen, die ringsum sehr dunkel beschattet waren, das kam vielleicht vom Rauch des Feuers beim Flaschenschwingen. Er sah, wie fast alle Glasbläser, die es leicht auf der Lunge bekamen, etwas hager und leidend im Gesichte aus. Ein einfacher, netter Arbeiter, den man zunächst diskret bemitleiden mußte, daß er eine so zerstreute Frau hatte, die von sechs Kindern weg das Weite suchte, in der Welt spazierenfuhr und das Heimkommen offenbar vergaß.

      Ja, es sei eine Schande, murrte Mommsen verdrießlich. Schande, das sei vielleicht zuviel gesagt, Frau Mommsen hätte ihm doch wenigstens die Kinder dagelassen. Also konnte sie doch wohl nicht ganz und gar ein verkommenes Geschöpf sein.

      Mommsen starrte mich an, als wäre ich eine Erscheinung aus einer anderen Welt.

      Was er dann mit den Kindern machen solle, schrie er erregt und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die unabgeräumten Teller nur so klirrten.

      «Man immer sachte. Bliewen Se mal sühnig. Ja?»

      Energisch, wie es sich für eine künftige Mutter von sechs Kindern gehörte, legte ich über den Tisch hinweg meine Hand fest auf seine geballte Faust, um mir Ruhe zu verschaffen.

      «Nu seggen mal blots, wat wöll’n Se denn von mi? Wat schall ik maken ohne Fru?»

      «Aver Mommsen, kieken Se mi an. Bin ik viellicht en Katt? Bin ik nich ok ne Fru? Ik kann et warn, verlaten Se sek darup. Ich blieb hier un holl den Krom für Se uprecht.»

      «Aver Fröken, nix för ungod. Sind Se nich doch en beten appeldwatsch?»

      «Wenn Se dat meenen, laat wi de Sak unnerwegs.»

      «Ik wull Se nich too neeg kaam. Da nu ok nich. Möten Se sek denn verännern? Wat is blots los mit Se? Viellicht möten Se sek verännern und denken nu, ik bin de Richtige für Se.»

      «Dat sünd Se ok.»

      Nach und nach kam ihm mein Vorschlag nicht so uneben vor, zumal ich mich damit begnügen wollte, bei ihm Haushälterin auf Lebenszeit zu werden. Das war immerhin etwas, wenn auch nicht das Ganze.

      Was mich zu solchen Unternehmungen trieb? Ich trug ein starkes Verlangen, mich zu verpflichten, an einer verantwortungsvollen Stelle mich für immer zu binden. Hätte ich vom Wesen der Liebe zwischen Mann und Frau etwas verstanden, wäre es mir wohl kaum eingefallen, mich ohne weiteres einem Manne anzubieten. Die Liebe hielt ich für eine Sache des Willens. Eine Ehe schließen war eine Angelegenheit der Vernunft. Man heiratete aus Mitleid. oder aus sonst einem praktischen Grund. Ich sah die Ehe daraufhin an, wie groß das Wirkungsfeld war, das sich mir bieten würde, und


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