Das flüchtige Spiel. Wege und Umwege einer Frau. Emmy Ball-Hennings

Das flüchtige Spiel. Wege und Umwege einer Frau - Emmy Ball-Hennings


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wohltat.

      Dann kam sie auf ihren Sohn zu sprechen, und wie es sei, daß er einen Posten im Atelier Hollesen habe.

      «Aber wenn er nur eine nette kleine Frau finden würde.»

      Nun dachte ich nicht im entferntesten daran, daß Frau Bebenrot auf mich anspielen wollte. Ich antwortete höflich:

      «Aber Frau Bebenrot, Ihr Sohn braucht doch nur zu wählen. Jedes anständige Mädchen wird sich glücklich schätzen, ihn zum Manne zu bekommen. Er muß sich nur bemühen, anfragen.»

      Frau Bebenrot sah mich ungemein freundlich an, musterte mich und dann mein hübsches blaues Kleid, mein ein wenig verblaßtes Kornblumenkleid mit dem weißen Halskragen, den sie mir, da er verrutscht war, in mütterlicher Art ein bißchen gerade schob.

      «Finden sie nicht, daß mein Willi etwas zu alt zum Heiraten ist? Darüber wüßte ich gerne Ihre Meinung. Er ist schon vierzig Jahre alt. Wußten Sie das?»

      «Nein, das wußte ich nicht. So, er ist schon vierzig Jahre? Das hätte ich nicht gedacht. Er sieht bedeutend jünger aus.»

      «Nicht wahr?» erwiderte Frau Bebenrot mit mütterlichem Stolz. «Willi hat sich gut gehalten. Das kommt vom soliden Leben. Er ist sehr solide in jeder Hinsicht. Er ist ja ein frommer Mensch und geht jeden Sonntag, den Gott werden läßt, in die Kirche. Ja, was das anbetrifft, ist nichts an ihm auszusetzen. . . Nein, nein, nicht das mindeste. . . Wenn er sich nur etwas mehr gerade halten wollte. Er geht so schrecklich mit dem Kopf vornüber. Er ist ja nicht grad krumm. Nein, verwachsen an sich ist mein Willi nicht. Wie oft aber habe ich ihm gesagt: wenn du dich nur ein bißchen besser halten wolltest.»

      «Aber warum denn, Frau Bebenrot? Er ist doch über die Entwicklungsjahre hinaus. Lassen Sie ihn doch gehen, wie er Lust hat. Das geht doch keinen Menschen etwas an. Wie er geht, das muß man doch ihm überlassen. Es ist seine Privatsache.»

      «Macht Ihnen das nichts aus, wie ein Mensch geht? Er schleift ja auch ein bißchen mit den Füßen. Macht Ihnen das nichts aus?»

      «Nicht die Spur», versicherte ich lebhaft. «Die Hauptsache ist doch, daß er vorwärts kommt.»

      «Wie vernünftig, wie großzügig Sie denken», rühmte Frau Bebenrot, «wissen Sie, mein Willi kommt nicht nur auf seinen zwei Beinen, sondern auch sonst vorwärts. Sie haben ja recht, ein gerader Charakter ist mehr wert als eine gerade Haltung, die nur äußerlich ist. Es ist nämlich so, mein Willi möchte sich gerne selbständig machen. Ein kleines Atelier will er aufmachen mit zwei bis drei Assistenten. Er kann nämlich grad jetzt eine Erbschaft antreten und bekommt eine sehr ansehnliche Summe, aber nur, wenn er verheiratet ist. Das ist eine Klausel im Testament seines Onkels.»

      «Das verstehe ich weniger. Wie kann man über seinen Tod hinaus anderen Leuten Vorschriften machen, ob sie heiraten sollen oder nicht.»

      «Nun ja», seufzte Frau Bebenrot, «es ist dies aber die Bedingung des Onkels, und wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird das Geld nicht ausbezahlt.»

      «Dann werden Sie oder Ihr Sohn vielleicht auf das Geld verzichten müssen.»

      «Ach, Fräulein Helga, verzichten, das ist leichter gesagt als ausgeführt. Wir könnten das Geld so gut brauchen.»

      «Ja, Geld kann man immer brauchen», gab ich verständnisinnig zu. Es tat mir sehr leid, daß Frau Bebenrot und ihr Sohn so sehr auf das Geld angewiesen waren, aber ich konnte den beiden ja nicht helfen. Das Gespräch wurde mir ungemütlich, und ich suchte der Unterhaltung ein Ende zu bereiten, indem ich in zuversichtlichem Tone sagte: «Ihr Sohn wird sicher die passende Frau finden, aber er muß sich umsehen.»

      Wenige Tage später, und zwar ausgerechnet in der Dunkelkammer, sah Herr Bebenrot sich um, und zwar nach mir. Wir waren damit beschäftigt, eine Vergrößerung zu entwickeln. Hier, mitten im Finstern, sagte mir Herr Bebenrot, daß er mich schon lange gern habe, und ob es nicht möglich wäre, daß wir ein Paar würden, und ob er mich wohl um meine Hand bitten dürfe.

      Ich war verdutzt und sehr in Verlegenheit. Ausgerechnet hier mir einen Antrag zu machen, wo man die eigene Hand nicht einmal vor Augen sehen konnte. Dann schlug ich vor, wir wollten zunächst einmal unsere Arbeit verrichten, wir könnten ja später das andere besprechen. Dann bewegten wir mit vereinten Kräften die große viereckige Schale, in der sich allmählich das Bild zu entwickeln begann, hin und her.

      «Was für ein gräßlicher Kerl», flüsterte ich vor mir her, erschrocken auf das Bild starrend.

      «Meinen Sie vielleicht mich?» fragte Herr Bebenrot mit unglücklich-enttäuschter Stimme.

      «Gott bewahre», beruhigte ich ihn, «was denken Sie auch? Sie sind doch. . . aber sehen Sie doch nur dieses unmögliche Gesicht. Nein, so etwas. Dieses schlaffe, dicke, schläfrige Gesicht. Wie kann man so etwas nur vergrößern!»

      «Es ist doch der verstorbene Mann von Frau Fleth. Können Sie nicht verstehen, daß die Frau gern ein Andenken an ihren Mann haben will?»

      «Andenken ist gut. Das vergißt doch die arme Frau ihr Lebtag nicht, wie der Mann aussah. Das weiß sie doch in- und auswendig. Das braucht sie doch nicht erst an die Wand zu hängen. Und dann überlebensgroß.»

      «Wie herzlos Sie sprechen, Fräulein Helga.»

      «Ja, ich bin nun einmal so herzlos.»

      Das Bild war tatsächlich der reine Albtraum, und weil ich es nicht länger ansehen konnte, blickte ich unwillkürlich zu Herrn Bebenrot hinüber, den ich plötzlich im roten Licht im Verhältnis zu Herrn Fleth recht hübsch fand. Er sah so betrübt drein, und plötzlich dachte ich an seine Mutter und was sie mir alles erzählt hatte. Und hatte Frau Bebenrot mich nicht mit Guttaten überhäuft? Sie hatte mir Blumen aus ihrem Garten geschenkt, einen Kürbis, den Mutter eingemacht hatte. Und jetzt erst hatte ich eine Flasche Fliedersaft und ein Glas Gurken bekommen, und ein Häkelmuster hatte sie mir gezeigt, und. . . Das stand alles vor mir, und ich fühlte mich Frau Bebenrot zu Dank verpflichtet. War eine Gefälligkeit nicht der anderen wert? Freilich, heiraten war eine große Sache, aber Herr Bebenrot war ein musterhaft ordentlicher Mensch, an dem meine Mutter sicher ihre Freude haben würde. Wenn Mutter wüßte, was sich mir hier bot! Sie würde mir wahrscheinlich zureden. Die arme Frau Fleth! Womit hatte sie sich begnügen müssen? Und war ich denn etwas Besonderes? Nicht die Spur. Wann Herr Bebenrot wohl die Erbschaft ausbezahlt bekam? Vor oder nach der Heirat? Ich hätte ihn zu gerne gefragt, aber ich hätte dadurch verraten, daß seine Mutter mir anvertraut hatte, was los war.

      Ich befand mich an diesem Morgen wie inmitten einem meiner Nachtträume, in denen ich einer übertriebenen Schüchternheit nicht Herr werden konnte und zu allem ja und amen sagen mußte, was mir begegnete. Was Herr Bebenrot wohl von mir gedacht hat, als ich ihm erklärte, ja, ich wolle mich mit ihm verloben, eventuell, doch möge er mich zunächst über seine finanziellen Verhältnisse unterrichten? Er wurde blutrot, als fühle er sich ertappt, oder wähnte er mich am Geld so sehr interessiert? Nach und nach erzählte er mir dann dieselbe Geschichte, die ich von seiner Mutter her schon kannte, nur fügte er hinzu, daß von den dreißigtausend Mark, die er zu erwarten habe, zweitausend Mark Schulden für seinen seligen Vater abbezahlt werden müßten.

      «O, bitte, Herr Bebenrot, sprechen Sie nicht weiter. Sie sind mir doch keine Rechenschaft schuldig.»

      «Aber Sie haben doch vorhin selbst gewünscht, daß ich Ihnen Auskunft gebe, Fräulein Helga, und Ihre Genauigkeit gefällt mir gut.»

      «Sonst nichts?»

      Dieses Gespräch fand auf dem Balkon unseres Ateliers statt, am Samstagnachmittag. Irmelin und Lena hatten sich schon verabschiedet, und so konnten wir also unsere Verbindung mit allem dafür und dagegen in aller Ruhe besprechen.

      Wir saßen auf den leichten Korbstühlen und sahen uns beim Sprechen kaum an, sondern blickten auf das Häusermeer, das vor uns ausgebreitet lag.

      «Fräulein Lund, Sie müssen ja nicht meinen, daß es sich für mich ausschließlich um eine Interessenheirat handelt. Es ist Zufall, daß das eine zum andern


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