Das flüchtige Spiel. Wege und Umwege einer Frau. Emmy Ball-Hennings

Das flüchtige Spiel. Wege und Umwege einer Frau - Emmy Ball-Hennings


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mußte lächeln: «O, nein, das Geld muß kein Charakterfehler sein.»

      «Sehen Sie. Es ist doch sehr angenehm, etwas Geld zu haben.»

      Das mußte ich zugeben. Doch hätte ich gehört, daß Geld allein nicht glücklich mache.

      Hierauf erwiderte er, daß er mich nicht bedrängen wolle, und ich möge mir die Sache bis morgen überlegen.

      Das hörte ich gern. Es war wenigstens ein kleiner Aufschub.

      Dann lud er mich ein, am nächsten Morgen mit ihm in die Kirche zu kommen, und zwar in die Klosterkirche. Ich sagte zu, und wir beschlossen, allenfalls in der Kirche gemeinsam für unser Glück zu beten.

      Am nächsten Morgen, als ich meiner Mutter sagte, daß ich ausnahmsweise in die Klosterkirche gehen wolle, fragte sie mich im scherzhaften Spott, warum ich denn so gar weit pilgern müsse und ob mir unsere kleine Bethlehemskapelle nicht mehr genüge. Ob hinter diesem Kirchgang nicht eine andere Geschichte stecke?

      «Was denkst du von mir?» fragte ich gekränkt zurück. «Wenn man in die Kirche geht, geht man in die Kirche.»

      «So, so, ich dachte nur, du gehst vielleicht auf den Südermarkt zum Morgenkonzert.»

      Mir war nicht nach Morgenkonzert zumute.

      «Es soll ein so guter Prediger an der Klosterkirche sein.»

      Zu meinem Schrecken sagte Mutter: «Ich hätte Lust mitzukommen. Ich möchte mir die Predigt auch anhören.»

      «Ich will dir einen Vorschlag machen, Mutter. Geh du in die Bethlehemskapelle und ich gehe in die Klosterkirche, und nachher erzählen wir einander, was wir gehört haben. Wäre dir das recht?»

      Mutter willigte ein, aber ich glaube nur, weil sie merkte, daß ich sie an diesem Morgen nicht brauchen konnte. Wer weiß, wie es gekommen wäre, wenn sie dabeigewesen wäre und ich ihr verfrüht meinen eventuell zukünftigen Mann hätte vorstellen müssen. Noch heute bin ich meiner Mutter dankbar, daß sie so vernünftig war, daheim zu bleiben,

      Herr Bebenrot erwartete mich an der Kirchentüre. Er war völlig in Schwarz gekleidet und hatte schon zum voraus ein feierliches Gesicht aufgesetzt. Er sah mich tiefernst an, wie ein Pastor etwa die Konfirmandin ansieht. Am liebsten wäre ich weggelaufen, aber wenn man das B vermeiden will, darf man das A nicht sagen.

      In der Klosterkirche fand ich es recht angenehm, daß Männer und Frauen hier nicht beisammensitzen dürfen, und der Kirchendiener hat darauf zu achten, daß keine Frauensperson auf die Männerseite geht und umgekehrt. Zunächst wollte ich in aller Unschuld mich neben Herrn Bebenrot setzen, als auch schon der Kirchendiener mich sanft am Arm nahm und mir mahnend zuflüsterte: «Sie dürfen auf keinen Fall beisammenbleiben.»

      O, das machte nichts. Es war recht so. Dann saß ich also auf der Frauenseite, warf aber doch hin und wieder einen Blick auf die Männerseite, wo mit mir in derselben Reihe Herr Bebenrot gradaus vor sich hinträumte. Er sah aus wie ein langes schwarzes Gesangbuch, dann wieder wie ein Sargdeckel, und solcher Vergleiche konnte ich mich leider nicht erwehren. «Sie dürfen auf keinen Fall beisammenbleiben», ging es mir durch den Kopf. Wie wurde ich nur den Mann los, ohne ihn zu verletzen? Da saß er jetzt, ganz in Andacht versunken, und hatte keine Ahnung, was mir durch den krausen Kopf ging. Er tat mir leid. Wenn ihm doch der liebe Gott ein nettes Mädchen zuschicken wollte, mit dem er recht glücklich werden konnte. Ich gönnte ihm das Glück so sehr, wenn ich es nur nicht grad teilen mußte.

      Es wurde das herrliche Lied gesungen:

      «Eins ist not, ach, Herr, dies eine,

      Lehre mich’s erkennen doch.

      Alles andre, wie’s auch scheine,

      Ist ja nur ein schweres Joch.»

      Der liebe Gott möge mir verzeihen, daß ich bei jedem Wort nur an meine irdischen Verhältnisse denken konnte, und beim schweren Joch nur an eine Ehe mit Herrn Bebenrot. Ich wußte ja ganz genau, was ich nicht wollte, aber es würde schwer sein, es ihm begreiflich zu machen. Wie sag ich’s nur Herrn Bebenrot?

      Der Pastor empfahl und legte die Worte aus: «Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird euch alles andere zufallen.»

      Und «alles andere» war Herr Bebenrot, mein Bräutigam und dreißigtausend Mark, die wir vielleicht noch verspekulieren würden. Ach, alles andere, es lag mir gar nichts daran. Vielleicht war meine Freundin Guschi Krümel die Richtige für Bebenrot. Ob sich das nicht einfädeln ließe? Fieber Gott, schenk ihm das Glück, doch laß mich für diesmal ledig bleiben.

      Als wir uns vor der Kirchentüre wieder trafen, war ich so nervös und erregt, daß ich dem Weinen nahe war. Herr Bebenrot sah mich so treuherzig und besorgt an:

      «Hat die Predigt Sie so angegriffen, Fräulein Helga? Es war herrlich, nicht wahr?»

      «Ach, Herr Bebenrot, das ist es leider nicht. Es ist etwas anderes, was mich beschäftigt. Bitte, gehen wir abseits, wo weniger Menschen sind.»

      Auf dem Südermarkt, an dem wir vorbei mußten, wenn ich heimwollte, waren noch viel mehr Menschen als vor der Kirche. Hier spielte das Stadtorchester «Lohengrin».

      Alljährlich naht vom Himmel eine Taube,

      um neu zu stärken seine Wunderkraft. . .

      Das lenkte eine Weile ab, und wir hörten zu, jeder das Gesangbuch unterm Arm.

      Als das Stück aus war, gab’s ein großes Gedränge, und mit Mühe erreichten wir den Holm, wo es stiller war. Beim großen Konfektionsgeschäft von Mau und Andresen blieb ich stehen und erklärte, hier auf die Straßenbahn warten zu wollen, ich müsse rasch nach Hause, ich habe meiner Mutter versprochen, ihr die Predigt zu erzählen, und er, Herr Bebenrot, habe wahrscheinlich dasselbe vor.

      «Wie denn? Wünschen Sie, daß ich Sie nach Hause begleite?»

      «Nein, nein, nein danke. Sie haben mich nicht recht verstanden. Sie müssen zu Ihrer Mutter, und ich zu meiner Mutter.»

      Herr Bebenrot sah melancholisch auf die vier flott gekleideten Herren, die als Musterbeispiele der Eleganz siegessicher im Schaufenster standen. Jeder der Herren lächelte selig vor sich her, als sei das Leben ein Vergnügen sondergleichen. Herr Bebenrot blickte verloren und betrübt drein. Er tat mir so furchtbar leid, aber ich mußte ihm doch meinen Entschluß mitteilen.

      «Herr Bebenrot, Sie kennen nicht zufällig Fräulein Krümel?»

      «Nein, warum fragen Sie?»

      «Ach, ich meinte nur so. Es fiel mir gerade ein. Sie ist ein so reizendes Mädchen.»

      «So?»

      «Ja.»

      «Nein, ich kenne sie nicht.»

      Da merkte ich, daß mein Anerbieten mit Guschi noch nicht reif war. Ich begann sanft und leise: «Herr Bebenrot, sagen Sie, würden Sie es mir sehr übel nehmen, wenn ich, das heißt, wenn wir unsere, Verlobung auflösten?»

      «Aber wir sind doch noch gar nicht verlobt, Fräulein Helga.»

      «Nein, das nicht, aber wir planen es doch, und wenn überhaupt, dann müssen Sie sich selbstverständlich sofort verloben und dann möglichst bald heiraten. Schon wegen. . . Ob aber ich gerade die Richtige für Sie bin. . .? O, bitte, liebster Herr Bebenrot, sehen Sie nicht so betrübt aus, das tut mir weh. Ach, Sie haben ja keine Ahnung. Sie können sich überhaupt nicht vorstellen. . . »

      «Was? Wovon habe ich keine Ahnung?»

      «…was es für ein Glück bedeuten kann, mich nicht zur Frau haben zu müssen. . . »

      «Wie? Was?»

      «Nein, bitte, wollen Sie mich aussprechen lassen. Ich muß es Ihnen genau sagen, das bin ich Ihnen schuldig. Sehen Sie, ein bißchen kennt sich doch jeder Mensch, nicht wahr? Nicht sehr viel, aber es gibt doch einige Hauptsachen, mit denen


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