Wirtschaft – Eine Zukunft für die Zukunft. Anand Buchwald
Kapitel
Die drei Schwächen der Wirtschaft
Um die Wirtschaft sinnvoll zu reformieren, ist es notwendig, ihre gegenwärtigen Schwächen zu analysieren. Unsere Wirtschaft ist ein historisch gewachsenes System, bei dem sich eine Stufe aus der anderen ergeben hat und in dem die Finanzindustrie zunehmend Einfluss gewonnen hat. Die Wirtschaftswissenschaft baut auf dieser Historie auf; sie analysiert sie, erklärt sie, beobachtet die Entwicklung und leitet daraus Theorien ab. Das ist ein sich selbst rechtfertigendes System, das im Wesentlichen nur die Suppe im Teller umrührt und betrachtet, aber nicht über den Tellerrand hinaus schaut, oder gar auf die Idee kommt, eine neue, bessere Suppe zu kochen. Man könnte, um das gegenwärtige Wirtschaftssystem zu beschreiben, auch das Bild einer Hose nehmen, die dutzende Male geflickt wurde, deren Taschen löchrig sind, deren Gewebe fadenscheinig geworden ist, deren Nähte brüchig geworden und aufgeplatzt und deren Säume abgewetzt sind. Diese Hose ist historisch gewachsen, aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Sie setzt sich zusammen aus Traditionen, Bräuchen, Annahmen, inzestuösen Theorien, unantastbaren Dogmen und egoistischen und engstirnigen Einflusssphären. Dieses Bild der Hose steht für die Schwächen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems und der sogenannten Wirtschaftswissenschaft.
Die erste dieser Schwächen ist das bereits bekannte System der unkontrollierten Geldschöpfung durch private Banken, das diesen auf dem Finanzsektor gottgleiche Macht verleiht. So wie Gott laut Bibel durch ein einfaches „Fiat“ (Es werde) alles erschuf, können die Banken mit ein paar Tastatureingaben nahezu unbegrenzt Geld schaffen, sogenanntes Fiatgeld, und dieses Geld gegen echtes Geld oder auch gegen Fiatgeld verleihen. Diese Fähigkeit bringt mannigfache Folgen mit sich.
Eine Folge ist die, dass die Banken unermesslich reich werden. Sie haben praktisch unbegrenzt Geld zur Verfügung, das sie sich nicht wirklich erarbeiten müssen und das deshalb auch einen entsprechenden Stellenwert besitzt. Darum kann man damit auch spielen; man kann damit wetten und spekulieren, Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise in die Höhe treiben und Staaten und Volkswirtschaften ruinieren. Und man kann damit reale Firmen aufkaufen und mit diesen weiterspielen. Kurz, diese Fähigkeit verleiht Macht und Einfluss, auch politische Macht, die dazu genutzt wird, die Regeln der Wirtschaft noch mehr zugunsten der Banken zu verändern, so dass man ungestörter weiterspielen kann.
Eine andere Folge ist die, dass die Banken immer – weitgehend unabhängig von der Wirtschaftslage – Geld zu verleihen haben, und dass die Staaten diese Möglichkeiten ziemlich hemmungslos nutzen, was dazu führt, dass deren Schulden stetig anwachsen, und zwar nicht nur durch die Kredite von nicht wirklich existierendem Fiatgeld, sondern zudem auch noch durch die überdimensionierten Zinsen und Zinseszinsen auf Geld, das eigentlich keinen Gegenwert hat. Dieser Gegenwert entsteht erst, wenn der Staat diese Kredite mit realen Steuereinnahmen bezahlt. Man kann diese Sachlage auch noch anders formulieren: Der Staat hat den Banken die Macht gegeben, Geld herzustellen und verschuldet sich immer mehr, weil er sich bei den Vertretern dieser delegierten Macht immer mehr Geld zu überhöhten Kosten leiht, das er dann mit dem Geld, das die Staatsbürger verdienen und an ihn abgeben, teilweise zurückzahlt, wobei eine vollständige Rückzahlung eigentlich kaum möglich und auch nicht vorgesehen ist, da der Staat damit von den Banken abhängig bleibt.
Das Geld, das die Banken verdienen, ist nicht wirklich verdient, nicht wirklich erarbeitet, und es verdankt seine Existenz vor allem den Krediten, die von den Banken vergeben werden. Diese Kredite von noch nicht existierendem Geld müssen von den Kreditnehmern abgezahlt werden, was zum Teil mit Hilfe von weiterem Fiatgeld geschieht, aber meist mit real erarbeitetem Geld. Das bedeutet, dass der Ertrag realer Arbeitskraft und Wirtschaftsleistung verwendet wird, um Fiatgeld zu Realgeld werden zu lassen. Das bedeutet aber auch, dass dieses Geld dem normalen Wirtschaftskreislauf entzogen wird, und in die Schatzkammern der Finanzwelt wandert.
Verschärft wird diese Problematik durch die Praxis des Zinseszins. Das bedeutet, dass man für eine bestimmte Summe Geld jedes Jahr eine gewisse Menge Zinsen bekommt. Diese Zinsen werden zu der ursprünglichen Geldmenge addiert und im nächsten Jahr ihrerseits ebenfalls verzinst. Das führt zu einem exponentiellen Wachstum der Geldsumme, so dass sie sich, abhängig von der Zinshöhe, im Laufe der Jahre vervielfachen kann. Bei der Kreditvergabe wird nun davon ausgegangen, dass das verliehene Geld im Kreditzeitraum wachsen würde, und dieses potenzielle Wachstum muss vom Kreditnehmer mitfinanziert werden, weshalb die letztlich zurückgezahlte Summe, abhängig von Zinssätzen, Raten und Laufzeit durchaus doppelt so hoch oder noch viel höher ausfallen kann. Das bedeutet, die Bank verleiht Fiatgeld, Luftgeld oder Nullgeld oder wie immer man es nennen mag, und der Kreditnehmer muss dafür einen wesentlich höheren Betrag als Realgeld erwirtschaften und zahlen.
Und in diesem Zusammenhang gibt es noch ein Phänomen, das die andere Seite betrifft, die Seite der Sparer und Besitzenden, die ja für das Geld, das sie auf der Bank liegen haben, Zinsen ausgezahlt bekommen. Diese sind zwar deutlich geringer als die Kreditzinsen, können aber immer noch zu einem deutlichen Anwachsen des Guthabens führen, vor allem wenn es viel Geld ist, das langfristig bei hohen Zinssätzen, die deutlich über der Inflationsrate liegen, angelegt werden kann. Wenn die eingezahlte Geldsumme groß genug ist, dann erreicht das Zinseszinsergebnis eines Tages einen Wert, der so hoch ist, dass man von den Zinsen leben kann, während das Guthaben stabil bleibt oder gar weiter wächst. Das bedeutet, dass man ab diesem Zeitpunkt aufhören kann zu arbeiten und man trotzdem immer reicher wird.
Haben die erzielten Zinsen die Höhe der Inflationsrate, etwa bei kleineren und kurzfristigeren Spareinlagen, so wächst zwar die Geldsumme, aber nicht der Geldwert; man gewinnt zwar durch die Geldanlage nichts, verliert aber auch nichts. Sinkt der Zins unter die Inflationsrate, was oft bei kleinen und kurzfristigen Geldanlagen und Sparguthaben der Fall ist, dann verliert das Geld, trotz leichter Zinsgewinne stetig an Wert und man wird ärmer.
Die Praxis des Zinses überhaupt und der Folgeerscheinung des Zinseszins führt also dazu, dass es eine große und stetig wachsende Geldmenge gibt, die primär nicht durch unmittelbare Arbeit entsteht, sondern sozusagen virtuell, so dass sie im Prinzip keiner realwirtschaftlichen Beschränkung mehr unterliegt und beliebig anwachsen kann. In der Bemühung, dieses virtuelle Fiatgeld anwachsen und materieller werden zu lassen, wandert das Geld von der real arbeitenden Bevölkerung zu den Institutionen, die Geld erschaffen dürfen, also in der Regel zu den Banken, und ein Teil davon wandert weiter zu den Menschen und Firmen, die bereits mehr Geld haben, als sie zum Leben benötigen.
Durch die Praxis des geldschöpfungsbedingten Fiatgeldes und vor allem des Zinseszins fließt das Geld aus der Realwirtschaft in die Finanzwirtschaft. Einiges von dem Geld, das die Mehrheit der Menschen erwirtschaftet, sammelt sich also ohne besonderen Aufwand in den Koffern einer kleinen Minderheit, was einer der Gründe für die zunehmend weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich ist. Die unterschiedlichen Zinssätze für große Vermögen und kleine Guthaben, die zu kräftigen Zugewinnen für die Reichen und zu realen Verlusten für die Ärmeren führen, sind ein weiterer Grund.
Dass Zinssätze unter der Inflationsrate zu diesen Verlusten führen, wurde ja schon erwähnt. Dass es zu dieser Inflation kommt, ist eine Folge der freien Geldschöpfung, die ja bewirkt, dass stetig neues Geld geschaffen wird, für das es keinen realen Gegenwert gibt und das noch nicht erarbeitet wurde, und eine Folge des Zinseszins, der diese Summe weiter aufbläht. Das ist etwa dann der Fall, wenn jemand über Kredit für 1 Million EUR ein Haus kauft, und dafür dann z.B. 2 Millionen EUR zurückzahlt. Beim Kauf erhöht sich die globale Geldmenge plötzlich um 1 Million EUR, die es vorher nicht gab und die der Verkäufer erhält, während der Käufer im Gegenzug ein Haus bekommt, das weiterhin 1 Million EUR wert ist, für das er aber während der Kreditlaufzeit ca. 2 Millionen EUR zahlt. Das Resultat ist dann, dass der Käufer über ein Haus verfügt, das 1 Mio. wert ist, der Verkäufer hat 1 Mio. und die Bank hat 2 Mio., die es vorher nicht gab, oder zumindest 1 Mio. an Zinserträgen. Es gibt also nach Beendigung des Kreditgeschäftes viel mehr Geld als vorher.
Das führt dazu, dass es insgesamt mehr Geld als Waren und Wirtschaftsleistung gibt. Da man somit nicht alles Geld ausgeben kann, sinkt sein durchschnittlicher Wert, und Waren und Arbeitsleistung müssen teurer werden, um diesen Überschuss an Geld auszugleichen. Dadurch ist die Praxis der Geldschöpfung direkt am weiteren Auseinanderklaffen der Armutsschere beteiligt. Hinzu kommt, dass der Geldwertverlust