Wirtschaft – Eine Zukunft für die Zukunft. Anand Buchwald

Wirtschaft – Eine Zukunft für die Zukunft - Anand Buchwald


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Wertekanon und Ge- und Verboten. Diese könnten etwa so lauten: „Der Mammon sei dein Gott. Du sollst ihm dienen und ihn lieben aus ganzem Herzen. Er sei die Richtschnur deines Fühlens, Denkens und Handelns und die Grundlage deiner Ethik, deiner Gesetze und deiner Gesellschaft. Dein Streben soll es sein, Geld und Besitz anzuhäufen und ihm darzubringen, auf dass er huldvoll auf dich hinabsehen möge. Dafür ist jedes Mittel (Raub, Lüge, Erpressung, Mord, Verführung...) erlaubt und erwünscht, denn es gibt keinen höheren Wert und kein größeres Ziel.“ Entsprechend dieser Religion und dieses Kanons leben die meisten reichen Menschen und Firmen, und selbst viele der Ärmsten huldigen diesem Gott.

       Für die Wirtschaft (als Mittel der Güterverwaltung und -verteilung) und das Leben der Menschen bedeutet das, dass nicht die Bedürfnisse der Menschen, der Gesellschaft und der ganzen Welt im Vordergrund stehen, sondern einzig und allein die Gewinnmaximierung; es geht nicht um Gemeinschaft und Zusammenstehen und -wachsen, sondern um eiskalten und extremen Egoismus. Dafür ist jedes Mittel recht: Diese sind im Wesentlichen Ausbeutung, Täuschung und Manipulation.

       Ausbeutung bedeutet zum einen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Hier geht es nicht darum, die vorhandenen Rohstoffe, wie etwa Erdöl, Antimon, Indium, Seltene Erden und andere optimal zu nutzen, damit sie uns möglichst lange zur Verfügung stehen, sondern einen möglichst großen Gewinn zu erzielen. Und auch regenerierbare oder stetige Ressourcen werden zugrunde gerichtet, weil etwa der Einsatz von Kunstdüngern und Maschinen günstiger ist als der Einsatz von Menschen, was nicht nur zur Folge hat, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, um immer mehr zu produzieren und dass die Preise für landwirtschaftliche Produkte im Vergleich zu früheren Zeiten stark gefallen sind, sondern dass der Boden immer stärker erodiert, seinen Humusgehalt und seine Wasserhaltefähigkeit verringert (was übrigens ein wesentlicher Faktor in der schlechten globalen CO2-Bilanz ist) und damit zunehmend unfruchtbarer wird.

       Ausbeutung bedeutet zum anderen aber auch, dass die Produktion von vielen Gütern dahin verlagert wird, wo man am wenigsten dafür zahlen muss und wo man die Löhne am besten drücken kann, sei es, weil die wirtschaftliche Lage des jeweiligen Landes so schlecht ist, weil die Gesetzeslage dort ein solches Vorgehen zulässt oder weil die Behörden großzügig wegsehen. Häufig werden dabei Notlagen derart schamlos ausgenutzt, dass man schon von moderner Sklaverei spricht.

       Und Ausbeutung bedeutet auch, auf der einen Seite die Rohstoffpreise zu drücken und auf der anderen Seite überhöhte Preise für Güter und Dienstleistungen zu verlangen und/oder schlechte Güter zu liefern, deren Lebenszeit womöglich noch durch absichtliche Sollbruchstellen niedrig gehalten wird, womit wir gleichzeitig auch schon beim Punkt der Täuschung und der Manipulation als Arbeitsmodus des Kapitalismus angekommen wären.

       Der Kapitalismus ist angetreten mit dem Anspruch, die Aufgabe der Wirtschaft, also die gerechte Güterverteilung, zu optimieren, und zwar über Angebot und Nachfrage und über den Wettbewerb. In der Theorie sieht das ja ganz nett aus: Jemand bietet eine Sache an, und wenn Bedarf an ihr besteht, verkauft sie sich gut, und die Produktion kann erhöht werden, um die Ansprüche des Marktes zu befriedigen. Wenn man aber nicht schnell genug produzieren kann, steht das vorhandene Angebot einer erhöhten Nachfrage gegenüber, und man kann dann mehr für das Produkt verlangen, was die Nachfrage wieder sinken lässt. Auf der anderen Seite bedeutet eine erhöhte Produktion auch, dass man eventuell günstiger produzieren und man Arbeitsvorgänge standardisieren kann. So kann man Produkte billiger und gleichzeitig in größerem Umfang anbieten. Damit steigt aber auch die Nachfrage, weil sich jetzt mehr Menschen dieses Produkt leisten können. Und der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern sollte dafür sorgen, dass die Preise auch tatsächlich sinken und sich an der Realität orientieren. Diesen Mechanismus konnte man sehr gut bei der Einführung von Fernsehgeräten und Computern beobachten. Man nennt das die Selbstregulierung des Marktes. Diese soll dazu führen, dass Dinge, die benötigt werden, auch produziert werden und ohne staatliche Steuerung und Bürokratie ihren Weg zu den Verbrauchern finden, sodass letztlich jedem Menschen die Dinge, die er benötigt, in ausreichendem Maße und zu realen Preisen zur Verfügung stehen und Anbieter und Abnehmer glücklich sind.

       Soweit die Theorie. Die Praxis freilich sieht nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung so aus, denn das System hat etliche eingebaute Mängel, deren wichtigste die Gier, das Prinzip des Gegeneinanders und das Fehlen einer ethischen Grundlage und eines globalen Gemeinwohl-Konzeptes sind. Das führt dann dazu, dass die wichtigste Bestrebung des Kapitalismus nicht darin besteht, allen Menschen ein würdiges und zumindest befriedigendes materielles Leben zu ermöglichen, wie es das Ideal des Kapitalismus euphemistisch vorgibt, sondern Gewinn zu machen und ohne jegliche Begrenzung Geld und Besitz und damit auch Macht anzusammeln. Es ist also keine Wirtschaftsform für die Menschen, sondern gegen sie. Das ist das zentrale Thema des Kapitalismus – alles andere ist Augenwischerei.

       Als Folge davon hat sich statt einer Nachhaltigkeitswirtschaft eine Konsummentalität etabliert. Statt also die vorhandenen Rohstoffe sinnvoll einzusetzen und ihren Verbrauch zu minimieren, wird die Rohstoffgewinnung forciert, und dafür werden statt realen Löhnen dann Hungerlöhne gezahlt. Zudem orientieren sich die Produktionstechniken an einem sehr engen und unmittelbaren Wirtschaftlichkeitsgedanken und nicht an der Nachhaltigkeit und der Gesundheit von Mensch und Natur. Deshalb gibt es mehr Umweltkatastrophen als dem Durchschnittsmenschen bewusst sind (Quecksilberkontamination bei der Goldgewinnung, Erdölteppiche, Grundwasservergiftung beim Fracking, Bodenerosion durch rücksichtslose Landwirtschaft, Bienensterben, Rückgang der Artenvielfalt…). Zusätzlich werden die Arbeiter schlecht bezahlt, teilweise wie Sklaven gehalten, durch Chemieeinsatz jedweder Art vergiftet – und auch Kinderarbeit ist kein Tabu. Darüber hinaus sind viele Produkte von Anfang an so konzipiert, dass sie keine lange Lebensdauer haben, zumindest keine, die deutlich über die Garantiezeit hinausgeht, sei es durch minderwertige Materialien, Verarbeitung, Ausstattung oder durch gezielt eingebaute Sollbruchstellen. Und um all dies durchführen zu können, wird bestochen, gelogen und getäuscht. Das ist die Produktionsseite.

       Und die Konsumseite sieht auch nicht besser aus. Auch hier wird nach Kräften manipuliert, gelogen und getäuscht. Es werden künstlich Wünsche und Verlangen geweckt, die vorher nicht in dieser Form und Intensität existierten, und es wird mit Emotionen wie Angst, Neid, Gier, Geiz, Ruhmsucht und Ähnlichem gespielt und Konkurrenzdenken und Gegeneinander geweckt, um den Konsum anzuheizen. Zudem lassen sich die Konsumenten brav manipulieren, denn Bewusstseinsentfaltung und selbstständiges Denken werden weder von der Wirtschaft, noch von der Politik und auch nicht von einer normativen Gesellschaft gewünscht und gefördert; eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Ohne diese Manipulationen und mit einer entsprechenden Bewusstseinsentfaltung und einer Haltung, die das Miteinander fördert, könnten wir global wie individuell ein Leben führen, das unsere Lebensgrundlagen schützt und bei dem wir alles hätten, was wir benötigen – aber wir müssten einen anderen Lebensstil entwickeln, denn so weiterzuleben wie bisher, wird nicht mehr lange funktionieren. Noch haben wir die Möglichkeiten, dies freiwillig zu machen; wenn wir aber zu lange warten, dann wird uns dieser Wandel schmerzvoll aufgezwungen.

       Die großen Fragen lauten also: Wie gehen wir mit dieser Situation um? Was machen wir? Wie sieht der Ausweg aus?

       Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.

       John Maynard Keynes

      3. Kapitel

      Möglichkeiten des Wandels: Plan A

      Wenn wir etwas ändern wollen, hilft es nicht, zu jammern und zu klagen. Lao Tse sagte, dass jede Reise mit dem ersten Schritt beginnt, und dieser Wandel, dessen Notwendigkeit uns mit aller Deutlichkeit vor Augen steht, dessen Natur aber sehr undeutlich vor unseren Augen verschwimmt, ist eine Reise zu einem Ziel, das wie ein ferner Lichtblick im Nebel erscheint. Dieses Ziel kann unendlich weit weg sein, oder auch nur ein paar Schritte entfernt. Wie weit es tatsächlich entfernt ist, hängt nur von uns ab. Wenn wir unentschlossen dahintrödeln, uns in Ablenkungen verlieren, um Nebensächlichkeiten kämpfen oder uns in die Irre führen lassen, wird es ein langer, langer Weg werden. Wenn wir aber sehr konzentriert und zügig gehen, ist das Ziel


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