Wirtschaft – Eine Zukunft für die Zukunft. Anand Buchwald

Wirtschaft – Eine Zukunft für die Zukunft - Anand Buchwald


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Verlust auffangen könnten, zum anderen, weil die Anpassung an die Inflation, also höhere Löhne, „zum Wohle der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ nur sehr langsam und meist nicht in ausreichendem Maße geschieht, so dass großen Teilen der arbeitenden Bevölkerung effektiv immer weniger Geld zur Verfügung steht. Die Reichen werden also immer reicher und die Nicht-Reichen und Armen immer ärmer und die Geschwindigkeit dieses Prozesses hat sich im Laufe unserer Geschichte immer stärker beschleunigt, und ist gerade dabei in den Galopp überzugehen.

       Die zweite Schwäche unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems liegt im Dogma des permanenten Wirtschaftswachstums begründet und arbeitet Hand in Hand mit der dritten Schwäche, dem Kapitalismus. Eine Wirtschaft wird dann als gesund betrachtet, wenn sie wächst. Und auf diesem Grundsatz basiert auch die Ausgestaltung des Wirtschaftslebens. Hier muss alles stetig wachsen. Wenn jemand eine Firma gründet, und diese stetig wächst, gilt sie als erfolgreich und gesund; wenn sie in Größe und Gewinn stagniert, gilt das als eine bedenkliche Entwicklung. Wachstum wird dadurch erzeugt, dass man neue Kunden gewinnt oder diese dazu bringt, vermehrt die angebotenen Leistungen in Anspruch zu nehmen. Das führt aber dazu, dass eventuell anderen Firmen mit ähnlichem Geschäftsfeld die Kunden wegbleiben oder ihre Umsätze zurückgehen. Sie machen dann entweder Pleite oder werden von den erfolgreicheren Firmen aufgekauft, die dadurch weiter wachsen. Die Folge davon ist ein Rückgang der Firmenvielfalt und eine Konzentration des Geschäftes auf immer weniger und größere Firmen, also eine Monopolisierung, die kurz vor Erreichen des Monopols durch kartellrechtliche Bestimmungen ein wenig ausgebremst wird, so dass eine Oligopol-Struktur entsteht. Durch faktische Absprachen oder unausgesprochene Agreements findet in diesem Entwicklungsstadium kaum noch ein Preiskampf um die Gunst des Verbrauchers statt, sondern eine gemeinsame Bemühung, die Preise zum Zwecke der Gewinnmaximierung möglichst unauffällig nach oben zu treiben und die durch Synergie gewonnenen Vorteile nicht an den Kunden weiterzugeben, was einer faktischen Monopolisierung entspricht. Damit sind dann aber auch schon die Grenzen des Wachstums erreicht.

       Um dann weiter wachsen zu können, muss man sich neue Märkte erschließen. Dies geschieht im Wesentlichen auf drei verschiedene Weisen. Eine davon besteht darin, in den Bereich der Finanzjongleure einzusteigen und mit Aktien, Optionen und Spekulationen den Gewinn weiter zu vergrößern. Bei einer anderen Möglichkeit, tut man sich neue Geschäftsfelder auf, man bietet also mehr Produkte an und kauft noch mehr Firmen auf. Und drittens expandiert man in andere, vielleicht noch unterversorgte Länder, wodurch die Monopolisierung zunehmend globaler wird.

       Hier stoßen wir dann aber bald an andere Grenzen des Wachstums. So gibt es etwa in der dritten und vierten Welt noch unglaublich viele Menschen, die weder Autos noch Fernsehgeräte noch viele andere Sachen besitzen. Das ist noch ein immens großer, potenzieller Markt. Aber zum einen haben diese Menschen nicht das Geld für diese Luxusprodukte, nicht zuletzt, weil sie wegen des Expansionsdrangs der großen Firmen und aus Gründen der Gewinnmaximierung schlecht bezahlt und behandelt, also ausgebeutet werden, zum anderen gibt es schlichtweg nicht genügend Rohstoffe, damit alle Menschen auch nur auf dem derzeitigen Niveau der ersten Welt leben könnten.

       Warum das so ist, und warum eine Politik stetigen Wachstums auf der physischen Ebene auf Dauer nicht funktionieren kann, sollte man eigentlich schon in der Schule gelernt haben. Es gibt im Wesentlichen zwei Wachstumsarten: lineares und exponentielles Wachstum. Lineares Wachstum ist dann gegeben, wenn in gleichmäßigen Zeitabschnitten ein Zuwachs erzielt wird, der in jedem Zeitabschnitt von seinem absoluten Betrag her gleich groß ist. Exponentielles Wachstum hingegen bedeutet, dass der Zuwachs sich nicht auf eine feste Größe bezieht, sondern relativ, also prozentual, auf die zuletzt erzielte Größe. Das bedeutet, dass der Zuwachs in jedem neuen Zeitabschnitt größer ausfällt, als im vorhergehenden und immer schneller zunimmt.

       Allerdings funktioniert Wachstum nur für eine gewisse Zeit, denn die Möglichkeiten und Ressourcen sind endlich und darum irgendwann erschöpft. Und dieses Irgendwann tritt bei exponentiellem Wachstum wesentlich schneller ein als bei Stagnation oder linearem Wachstum. Um exponentielles Wachstum und seine Gefahren zu illustrieren, gibt es zwei schöne Beispiele.

       Ein indischer Raja, der sehr von seinen Fähigkeiten im Schachspiel überzeugt war, gestattete seinem Spielpartner einen Wunsch, wenn dieser gewinnen würde. Der Raja verlor und musste dann feststellen, dass er sich auch in den Auswirkungen des Wunsches, den er leichtfertig gewährte, verschätzt hatte. Der Wunsch des Mitspielers bestand nämlich darin, Reis zu bekommen: für das erste Feld des Schachbrettes 1 Korn, für das zweite Feld doppelt so viele, also 2 Körner, für das dritte vier Körner, für das vierte acht Körner... Als die Mathematiker des Rajas die Reismenge berechnet hatten, musste der Raja feststellen, dass es soviel Reis weder in seinem Land, noch in den umliegenden Ländern zusammen gab. Dieses Beispiel zeigt eindringlich, was exponentielles Wachstum mengenmäßig bedeutet.

       Das zweite Beispiel fügt dem noch den Faktor Zeit hinzu. Man nehme dazu ein Reagenzglas, fülle es mit Nährflüssigkeit und gebe ein rotes Bakterium hinein, das dann auf den Boden sinkt. Dieses Bakterium braucht eine Stunde, um sich zu teilen, so dass man nach einer Stunde zwei Bakterien im Reagenzglas hat. Nach einer weiteren Stunde schwimmen vier Bakterien im Glas, dann acht usw. Nun sind Bakterien ziemlich klein, und es dauert ziemlich lange, bis das untere Viertel des Reagenzglases gefüllt ist, und man denkt sich, dass das noch dauern kann, bis die restlichen drei Viertel auch rot sind. Aber das kommt daher, dass wir gewohnt sind, linear zu denken, aber nicht exponentiell. In diesem Beispiel ist das Glas nach einer weiteren Stunde halbvoll mit den roten Bakterien und nach noch einer Stunde ganz voll. Danach haben die Bakterien nichts mehr zu fressen und würden für die nächste Stunde ein ganzes weiteres Reagenzglas voll Nährlösung benötigen, damit sie eine einzige Stunde weiterleben und sich vermehren können.

       Im deutschen Stabilitätsgesetz ist festgelegt, dass die Wirtschaft dann stabil ist, wenn sie jedes Jahr um einen gewissen, stabilen Prozentsatz wächst, wenn sie also exponentiell wächst. Die Wirtschaft benötigt zu ihrem Wachstum Ressourcen, und es stehen nur die Ressourcen zur Verfügung, welche die Erde bietet – und diese sind begrenzt. Wenn das Reagenzglas im Beispiel sinnbildlich für die Erde und ihre Möglichkeiten steht, dann sind viele ihrer Ressourcen schon zur Hälfte ausgebeutet oder stehen angesichts des gegenwärtigen Wachstums kurz davor. Wir sind also bildlich gesprochen etwa in der letzten Stunde angekommen und müssen uns jetzt überlegen, wie es mit der Wirtschaft weitergehen soll, denn wenn wir einfach so weiterzumachen, sind die restlichen Ressourcen in kürzester Zeit aufgebraucht, und das führt schlichtweg in eine Katastrophe, in Verelendung und in einen ganz realen Krieg um die verbleibenden Ressourcen – und dieser Krieg hat bereits begonnen.

       Darum muss man sich die Frage stellen, ob permanentes Wirtschaftswachstum wirklich ein fundiertes und unverzichtbares wirtschaftswissenschaftliches Grundgesetz ist? Das ist wohl kaum der Fall; es ist ein kurzsichtiges Dogma, das eine Zeitlang vielleicht sogar eine sinnvolle Rolle gespielt hat, aber es ist, wie wir gesehen haben, aus geradezu primitiven Überlegungen heraus nicht zukunftsträchtig. Eine zukunftsfähige Wirtschaftsform orientiert sich an den verfügbaren Ressourcen, welche die Gesamtheit unseres Planeten und des Lebens darauf ausmachen und schließt die vorhersehbare Zukunft mit ein. Unsere gegenwärtige Wirtschaftsform orientiert sich aber fast ausschließlich am Prinzip der lokal und temporal begrenzten Gewinnmaximierung und -potenzierung und nur soweit an wirtschaftlicher Stabilität, dass diese Gewinnmaximierung und die dafür nötigen Wachstumsprozesse nicht gefährdet werden.

       Das Mittel, dieses Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, die Gewinne zu maximieren und den Besitz in möglichst wenigen Händen zu konzentrieren ist die dritte Schwäche der Wirtschaft, der Kapitalismus. Dieser ist wahrscheinlich die Ursache für die Einführung des Dogmas des zunehmenden Wirtschaftswachstums und lässt sich selbst von diesem Dogma noch mehr anfeuern. Zusammen bilden diese beiden eine Endlosschleife, die nichts außerhalb von sich wahrnimmt und sich wie ein Schwarzes Loch zu einem alles verschlingenden Moloch ausweitet – bis alles zusammenbricht, weil es keine Ressourcen mehr zum Wachsen gibt und sich aller Besitz in den Händen der Vertreter des Schwarzen Loches befindet.

       Kapitalismus bedeutet das Streben nach Gewinn, das Ansammeln von Besitz und auch die Ausübung von Macht, die durch den Besitz möglich ist. Er ist eine Philosophie und Lebensweise, in der Geld und Besitz zentrale Faktoren und eigenständige Werte sind, weshalb sich dann auch große oder fast alle Bereiche des Lebens und Seins


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