Craving Rose. Nicole Jacquelyn
wenn sie ein bisschen durchdrehte, weil sie Angst hatten, dass der nächste Streich noch schlimmer werden würde. Scheiß drauf. Ich konnte alles aushalten, was sie mit mir machte und es ihr mit gleicher Münze heimzahlen.
Und darum holten Kara und ich die ganzen Sachen aus der Drogerie, statt zu Hause die Steaks zu grillen, die ich den ganzen Tag mariniert hatte.
„Kann ich einen Schokoriegel haben?“, fragte Kara und hüpfte auf und ab. „Ich bin am Verhungern.“
Ich sah meine Tochter an und lächelte. Die Zöpfe, zu denen sie ihr Haar am Morgen geflochten hatte, waren völlig zerzaust, und sie hatte von Gott weiß was einen Schmutzstreifen auf dem Hals. Manchmal vergaß man zu leicht, wie jung sie war. Zwölf schien mitten zwischen kleinem Mädchen und Teenager zu sein. Sie mochte vielleicht Make-up getragen haben, als wir an diesem Morgen das Haus verließen, aber als ich sie abholte, war sie mit Schmutz bedeckt und zeigte mir stolz eine lange Schramme auf ihrem Knie, die sie sich beim Fahrradfahren mit den anderen Kindern zugezogen hatte.
„Klar“, sagte ich und lachte, als sie einen kleinen Tanz aufführte. „Hol mir auch einen.“
Ich sah auf die Uhr, als wir nach Hause fuhren. Es dauerte noch ein paar Stunden, bis Rose zur Arbeit aufbrach, also hatten wir noch Zeit. Ich wusste nicht genau, ob sie heute Nacht als Barkeeperin arbeitete, aber die Chancen standen ziemlich gut. Ich hatte bemerkt, dass sie ziemlich viel arbeitete. Solange nicht irgendetwas im Club dagegensprach oder ihre Familie Pläne hatte, mischte sie ab sieben Uhr irgendwo Drinks. Als ich das letzte Mal gezählt hatte, hatte sie zwei reguläre Jobs und einen weiteren, wo sie einsprang, wenn jemand sich krankmeldete.
Nach viel Gemotze ging Kara nach oben, um sich den Schweiß und die Sonnenmilch des Tages abzuduschen, während ich unser Abendessen auf den Grill legte. Gott, ich liebte den Sommer. Selbst wenn ich volle acht Stunden arbeitete, hatten wir zumindest noch ein paar Stunden Tageslicht, wenn ich nach Hause kam, sodass wir draußen abhängen oder etwas Schönes unternehmen konnten. Außerdem machte es Spaß, zu grillen, wenn es nicht regnete – nicht, dass ein bisschen Regen mich jemals aufgehalten hätte.
Mein Telefon klingelte, als ich ein paar Maiskolben umdrehte, also ging ich dran und klemmte mir das Handy zwischen Schulter und Wange, während ich mit meiner Arbeit weitermachte.
„Hallo, Ma.“
„Cubby“, sagte meine Mom liebevoll und benutzte den Spitznamen aus meiner Kindheit als Kosenamen. „Wie geht es dir und meiner Enkelin?“
„Uns geht es gut“, erwiderte ich und sah über die Schulter, als Kara in ihrem Pyjama nach draußen kam und direkt zu der Schaukel ging, die an einer alten Eiche in unserem Garten hing. „Ich arbeite, wie üblich, und wir genießen die Sonne, wann immer wir können.“
„Was hat Kara denn in den Sommerferien vor? Hat sie etwas Schönes geplant?“
„Sie liebt es, nicht zur Schule zu müssen“, antwortete ich, was Mom zum Lachen brachte. „Aber sie ist nicht allzu glücklich darüber, trotzdem vor Mittag aufstehen zu müssen.“
„Es ist gut, dass sie einen Ort hat, wo sie ihre Tage verbringen kann, während du arbeitest“, sagte meine Mom mit einem Anflug von Schuldbewusstsein.
„Du und Dad habt euer Bestes getan“, sagte ich. „Ich habe einfach Glück mit meinen Freunden. Sie kann mit Kindern in ihrem Alter abhängen, und Trix macht es nichts aus, den ganzen Tag ein paar zusätzliche Monster in ihrem Haus rumrennen zu haben.“
„Das ist schön“, erwiderte sie.
„Und sie geht auch bald ins Ferienlager. Darauf freut sie sich schon sehr.“
„Das Feriencamp, wegen dem sie so aufgeregt war?“
„Ja. Ich habe ein paar Nebenjobs gemacht, um es mir leisten zu können. Es ist nächsten Monat.“
„Nur noch siebenundzwanzig Tage!“, rief Kara jubelnd von der Schaukel aus.
„Noch siebenundzwanzig Tage“, wiederholte ich für meine Mom, was sie zum Lachen brachte.
„Aber wer zählt schon?“, meinte sie trocken.
„Wie geht es dir und Dad? Genießt ihr es noch, euch gegenseitig im Weg rumzustehen?“ Meine Eltern hatten nie viel Geld gehabt, als ich aufwuchs, aber der Betrieb, für den mein Vater gearbeitet hatte, zahlte eine höllisch gute Rente. Als er in den Ruhestand ging, verkauften sie das kleine Haus, in dem ich aufgewachsen war und kauften sich sofort ein winziges Wohnmobil. Seitdem waren sie auf Reisen. Zu Weihnachten und Karas Geburtstag im Januar kamen sie immer nach Hause, aber während der Wintermonate waren sie gewöhnlich irgendwo im Süden, während sie im Sommer nach Norden fuhren. Sie hielten an, wo sie wollten, fuhren weiter, wann sie wollten und genossen ganz im Allgemeinen ihr Leben. Ich hätte mich nicht mehr für sie freuen können.
„Das Wohnmobil hatte ein Wasserleck“, nörgelte sie. „Darum saßen wir eine Woche lang in dieser Kleinstadt in Iowa fest. Aber ich glaube, dein Dad hat das Problem endlich entdeckt, also können wir wohl bald weiterfahren.“
„Warum hat er es nicht einfach in eine Werkstatt gebracht?“, fragte ich und ging ins Haus, um die Steaks zu holen.
„Du kennst deinen Dad. Er wollte kein Geld dafür verschwenden, dass jemand es repariert, wenn er es selbst kostenlos machen kann.“
„Verständlich“, erwiderte ich und holte das Fleisch aus dem Kühlschrank. „Aber ihr beiden habt jetzt Geld. Knausert nicht, wenn ihr nicht müsst.“
„Ich weiß, ich weiß“, murmelte sie. „Aber deinen Dad einfach machen zu lassen, ist einfacher, als mit ihm zu diskutieren. Ich beschränke mich auf das Wesentliche.“
„Seit wann?“, zog ich sie auf.
„Seit wir uns gegenseitig im Weg herumstehen, wie du es ausdrückst.“
Ich lachte.
„Sich auf so engem Raum mit jemandem zu streiten, ist schlimmer als eine Wurzelbehandlung“, sagte sie mit einem Lächeln im Ton. „Man kann sich nicht ausweichen.“
„Klingt schrecklich“, sagte ich mit spöttischer Ernsthaftigkeit.
„Ha!“ Sie lachte. „Du wärst sofort hier bei uns, wenn du könntest.“
„Sofort“, antwortete ich ohne zu zögern.
Ich war sicher, dass ich meine Schwäche dafür, unterwegs zu sein, von meinen Eltern hatte. Die Hüften meines Dads waren zu kaputt, als dass er längere Zeit Motorrad fahren könnte, aber als ich ein Kind war, waren meine Mom und er stundenlang auf seiner schäbigen alten Harley unterwegs. Mit meinem heutigen Wissen fragte ich mich im Rückblick, wie er das Ding am Laufen gehalten hatte – aber er hatte es geschafft. Es war das einzige Entkommen, das sie hatten, wenn die Zeiten schwierig waren.
„Ich habe nur angerufen, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist“, sagte sie. „Wir vermissen euch.“
„Wir vermissen euch auch. Seid vorsichtig auf den Straßen.“
„Das sind wir immer. Ich hab dich lieb.“
„Ich liebe dich auch. Sag Dad, dass ich ihn liebe.“
Ich hielt das Handy hoch und rief nach Kara. „Deine Nana ist am Telefon.“
Mom nahm sich immer die Zeit, mit Kara zu sprechen, wenn sie anrief. Ich wusste, sie hassten es, zu verpassen, wie ihr einziges Enkelkind aufwuchs, aber sie bemühten sich beide, engen Kontakt mit ihr zu halten.
Als Kara wegging und dabei in Schallgeschwindigkeit ins Telefon sprach, legte ich die Steaks auf den Grill. Sie brauchten nur ein paar Minuten, also ging ich schnell ins Haus, um Teller und Besteck zu holen. Wenn das Wetter schön war, aßen wir immer draußen. Warum sollten wir eingepfercht im Haus sitzen, wenn wir nicht mussten?
„Ich soll dir von Gram sagen, dass sie dich liebt und bald wieder anruft“, sagte Kara, als sie zum Terrassentisch herauskam und mir mein Handy zurückgab. „Was willst du trinken?“
„Eiswasser,