Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2. Inger Gammelgaard Madsen

Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2 - Inger Gammelgaard Madsen


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      Inger Gammelgaard Madsen

      Mord auf Antrag

      Kriminalroman

      Aus dem Dänischen von

      Kirsten Krause

      Saga

      Mord auf Antrag

      Aus dem Dänischen von Kirsten Krause

      Originaltitel: Drab efter begæring © 2009 Inger Gammelgaard Madsen

      Umschlaggestaltung und Umschlagmotiv: www.buerosued.de

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711572955

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Meiner Großmutter väterlicherseits gewidmet

      Kila lenye mwanzo halikosi

      kuwa na mwisho.

      Alles, was einen Anfang hat, muss auch ein Ende haben.

      Altes Suaheli-Sprichwort

      1

      Von den frisch gepflügten Feldern roch es nach Herbst und Humus. Noch nicht alle Bauern waren fertig. Auf einem Feld in der Ferne fuhr ein staubiger Traktor, umgeben von einer Horde schreiender, hungriger Möwen. Der warme Sommer, der erst Mitte August begonnen hatte, setzte sich den ganzen September bis Anfang Oktober fort und machte Mäntel trotz der Jahreszeit überflüssig.

      Nach einem lauten Streit über ein Nintendo Wii-Spiel, von dem Mikkel meinte, dass Lukas dafür zu klein sei, hatte ihre Mutter sie bei dem schönen Wetter zum Spielen nach draußen geschickt. Sie traten in die Pedale, brachten die Räder zum Schnurren und die Fahrräder auf Tempo. Aber für sie waren das keine Fahrräder. In ihrer Fantasie waren es Pferde, die sie in wildem Galopp vorwärtstrieben.

      »Peng, du bist tot!«, rief Lukas hinter seinem Bruder her, der sich wütend im Sattel zu ihm umdrehte.

      »Du sollst mich doch nicht erschießen. Du wolltest doch ein Indianer sein!«

      »Na und? Dürfen Indianer keine Soldaten erschießen?«, schmollte Lukas.

      »So einen wie mich nicht, ich bin ein Soldat wie die im Fernsehen.« Der neunjährige Mikkel verfolgte ein wenig die Nachrichten und fand die Soldaten mit ihren Waffen und Helmen ziemlich cool, aber für einen Sechsjährigen wie Lukas waren die Indianer aus den Cowboyfilmen sehr viel spannender.

      Plötzlich bremsten die beiden so heftig, dass der Kies sie wie eine Wolke umgab. Lukas’ Fahrrad kam ins Schleudern, und er konnte einen Sturz gerade so verhindern, indem er einen Fuß fest auf die Erde stellte, bevor er umkippte. Vor ihnen waren die Bäume ums Moor zu sehen. Ihre Blätter schillerten in den goldenen, braunen und violetten Nuancen des Herbstes.

      »Lass uns lieber umdrehen, Mikkel. Ohne Mama und Papa dürfen wir nicht zum Moor gehen.«

      »Boa, hör auf! Das war doch nur, als wir noch Babys waren. Du bist doch kein Baby mehr, oder?«

      Lukas schmollte noch mehr und sah nicht länger wie ein wilder und blutrünstiger Indianer aus, trotz des Stirnbands mit Krähenfedern und des Kriegsbeils, das in den Gürtel gesteckt war, der sonst nur dem Zweck diente, die allzu große Hose, die mal Mikkels gewesen war, um seinen dünnen Körper zu halten.

      »Aber Mama sagt, das ist gefährlich! Die Moorfrau kann uns unter Wasser ziehen und ertränken!« Nervös rieb sich Lukas mit einem Finger die sommersprossige Nase, die von Sonne und Wind gerötet war. Seine blauen Augen suchten Mikkels in der Hoffnung, darin den gleichen Schrecken zu sehen, den er selbst fühlte.

      Mikkel lachte unsicher. »So ein Quatsch, es gibt doch gar keine Moorfrauen. Komm!« Er warf das Fahrrad ins Gras.

      Zögernd tat Lukas es ihm gleich. Er konnte das Moorwasser riechen. Der Wind ließ einige welke Blätter in einem Kriegstanz um seine Füße wirbeln. Sein aufgeregtes Schnaufen wurde vom Rascheln der Blätter übertönt, aber Mikkel hörte es trotzdem. Er lächelte erwachsen.

      »Hör jetzt auf, es passiert schon nichts. Das ist doch nur ein Moor!« Er war bereits zwischen den Bäumen.

      »Ja, aber, es gibt doch ’ne Moorfrau, Mikkel! Wenn sie irgendwas braut, ist doch weißer Nebel bei den Bäumen«, murmelte Lukas, ging aber trotzdem hinterher, während er wachsam Ausschau hielt, ob die Moorfrau hinter dem nächsten Baum stand. Sein Herz hämmerte im Brustkorb und seine Atemlosigkeit war nicht nur die Folge der schnellen Radtour. Er näherte sich Mikkel, der am Ufer stand und in das trübe, braune Wasser schaute, das mit grüner Entengrütze bedeckt war.

      »Komm. Das ist überhaupt nicht gefährlich. Guck, da ist ein Fisch. Vielleicht ist das ein großer Hecht!«

      Lukas war im August gerade in die Vorschulklasse gekommen. Die Lehrerin hatte da etwas von einem Hecht erzählt. Die können sehr groß und sehr alt werden, hatte sie gesagt. Die Neugier war stärker als die Angst. Er wagte sich neben Mikkel, aber seine Augen glänzten vor Furcht. Da war kein Fisch.

      »Jetzt ist er wieder weg. Kann natürlich auch die Moorfrau gewesen sein«, zog Mikkel ihn auf und grinste.

      Lukas erkannte plötzlich das Lustige daran und lachte mit. Das Moor war ja überhaupt nicht so unheimlich, wie er es sich vorgestellt hatte. Er war nur einmal hier gewesen, zusammen mit seinem Vater, aber das war viele Jahre her – da war er noch ein Baby.

      Die Vögel sangen in den Baumwipfeln, und ab und zu hörten sie ein leises Plumpsen im Wasser von springenden Fischen oder Fröschen. Lukas begann sich zu entspannen und wagte es, die Umgebung auf eigene Faust zu erkunden. Am Ufer gab es viel zu sehen und es sah überhaupt nicht wie ein Ort aus, an dem eine Frau wohnen könnte. Sie würde doch in dem dunklen Wasser ertrinken. Beinahe hatte ihn seine Logik überzeugt, als er etwas am Uferrand entdeckte. Es sah irgendwie aus wie ein Fuß. War das vielleicht doch sie – die Moorfrau?

      »Mikkel ...! Mikkel ...!«, rief er vorsichtig. »Ich hab die Moorfrau gefunden.«

      »Ach, hör auf!«

      Mikkel kam vorsichtig näher, als ob er trotz allem Zweifel hätte. Er hatte das, was einem braunen Fuß ein bisschen ähnlichsah, auch gesehen. Es ragte halb aus dem Wasser unter den Zweigen eines Busches hervor, der nur noch wenige Blätter hatte. Die meisten lagen im Wasser, und einige davon hatten die gleiche Farbe wie der Fuß – oder was auch immer das nun war. Vielleicht ein Tier? Ein toter Fisch? Er riss sich zusammen. Schließlich war er der Ältere und Klügere. »Das ist nicht die Moorfrau. Das ist – was anderes.« Er fand einen Stein und warf ihn in den Busch. Und traf. Er suchte einen zweiten und zielte erneut. Plötzlich sah es so aus, als ob sich der Fuß im Wasser bewegen würde. Erschrocken zogen sie sich zurück.

      Der Stein hatte ein Loch in die braune, lederartige Oberfläche geschlagen, und etwas Gelbliches war zum Vorschein gekommen. Der Schlag hatte das Etwas im Wasser gedreht, sodass es noch weiter herausragte. Jetzt konnten die beiden sehen, was es war. Es war ein menschlicher Fuß. Mikkel schmiss den Stein weg, als ob er seine Hand verbrannt hätte, und zog seinen Bruder schnell mit sich aus dem Schatten der Bäume in die Sonne.

      »Komm!« Seine Stimme zitterte.

      »Was ist das, Mikkel? Ist das die Moorfrau?« Lukas hatte angefangen zu weinen.

      »Du sagst Mama und Papa nichts hiervon«, drohte Mikkel, als sie wieder auf ihren Fahrrädern saßen und in hohem Tempo von den Bäumen der Moorfrau wegfuhren.

      Lukas weinte noch lauter.


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