Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2. Inger Gammelgaard Madsen

Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2 - Inger Gammelgaard Madsen


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was vor fünfundzwanzig Jahren hier im Dorf passiert ist, oder?«, schloss sie und machte mit verblüffend sicherer Hand weiter damit, Koboldgesichter zu malen.

      »Ja, ich habe gehört, dass Sie sich an vieles von damals erinnern, und wie ich am Telefon sagte, fehlen uns Informationen für einen Artikel über den makabren Fund im Moor.«

      Agnes nickte, ohne ein besonderes Interesse oder Angst zu zeigen; sie malte ruhig weiter. »Ja, das ist eine schreckliche Geschichte. Es stimmt, ich erinnere mich an vieles aus den alten Zeiten, manchmal bringe ich die Jahreszahlen durcheinander. Aber an 1983 erinnere ich mich genau, das war das Jahr, in dem Volmer und ich Silberhochzeit hatten. Ich kann mich auch gut daran erinnern, dass sie nach dieser Frau aus Silkeborg gesucht haben. Die nun im Moor gefunden wurde.«

      Nicolaj setzte sich auf einen Stuhl am Tisch; jetzt gab es plötzlich etwas, das zündete.

      »Ist in dem Jahr etwas passiert und können Sie sich erinnern, was?« Anne hatte ihre aufmerksame Journalistenmiene aufgesetzt und startete das Aufnahmegerät auf dem Tisch. »Es macht Ihnen doch nichts aus, darüber zu sprechen, oder?«, lächelte sie.

      Agnes warf einen kurzen Blick auf das Ding und schüttelte den Kopf. »Es stimmt, dass es um die Zeit unserer Silberhochzeit herum einen speziellen Vorfall gab, über den wir geredet haben und an den ich seitdem viel gedacht habe, als ich hörte, dass sie die Frau nie gefunden haben. Sie war Krankenpflegerin bei einer Familie hier im Dorf. Eine arme Familie. Kurz danach sind sie nämlich umgezogen, das hat uns ein wenig misstrauisch gemacht.« Sie war mit einem weiteren Koboldkopf fertig geworden und legte ihn auf den Tisch; dann suchte sie kleine rote Koboldmützen aus Filz heraus, die sie auf die runden Köpfe klebte. Kamilla begann, die Kamera startklar zu machen, aber Agnes machte sehr deutlich, dass sie ihr Foto nicht in der Zeitung haben wollte.

      »Erinnern Sie sich an den Namen der Familie?«, fragte Nicolaj ungeduldig. Er machte auf einem kleinen Block Notizen, und Anne begann, ihn sehr nützlich zu finden. Das, was sie nicht gleich fragen konnte, fragte er vielleicht.

      »Leider nicht ... Es ist viele Jahre her – und sie sind ja umgezogen. Aber es war die Krankenpflegerin, die bei ihnen war, die verschwand. Sie war sonst so freundlich und lächelte immer, wenn ich sie auf dem Fahrrad traf. Sie kümmerte sich um die Frau, die sehr krank war. Sie starb in dem Jahr. Und ist es denn nicht sonderbar, dass sie so schnell umziehen?«

      »Vielleicht wegen der Erinnerungen?«, schlug Anne vor.

      »Wissen Sie, wo sie hingezogen sind?«, wollte Nicolaj wissen.

      Agnes schüttelte den Kopf.

      »Und Sie sind sich ganz sicher, dass sie es war?«, unterbrach Anne, bevor Nicolaj mehr sagen konnte.

      »Ich weiß nicht, wie sie hieß. Aber sie war Krankenpflegerin und sie verschwand 1983.«

      »Haben Sie das alles der Polizei erzählt?«, fragte Nicolaj.

      Agnes sah ihn verwundert an. »Oh nein, warum hätte ich das tun sollen? Das haben die wohl selbst rausgefunden!«

      14

      Jetzt bellten sie wieder. Verärgert erhob er sich aus dem Ledersessel und schaute aufmerksam aus dem Fenster. Draußen war es dunkel und diesig, aber er erahnte gerade so den Hundezwinger bei der Stallmauer auf der anderen Seite des Hofes. Die Hunde bellten aus vollem Hals und warfen sich gegen den Drahtzaun. Er wandte den Blick in Richtung Waldrand. Das war wohl wieder der verdammte Fuchs. Im Licht der Hoflampe und des Fensters konnte er ein Stück über die Felder sehen, dann verschwand der Wald in Nebel und Dunkelheit. Auf dem Stück des Feldes, das er sehen konnte, gab es kein Lebenszeichen. »Verdammte Köter«, murmelte er, aber meinte es nicht so. Die drei kurzhaarigen Hühnerhunde folgten ihm treu auf die Jagd, die seit seiner Pensionierung im letzten Jahr zu seiner Leidenschaft geworden war. Sie sollten morgen zeitig los, deswegen konnte er auch nicht hier sitzen bleiben und auf den dummen Fernseher glotzen. Die Jagdsaison auf Rothirsche hatte gerade begonnen.

      Es lief der übliche blutige Freitagabendfilm, aber er hatte keine Lust ihn zu sehen, natürlich war es eine Wiederholung. Und er hatte in seinem Leben schon genug Blut gesehen, erst als Chirurg, später als praktizierender Arzt. Die Patienten kamen schon schreiend rein, wenn sie sich nur in den Finger geschnitten hatten und es ein bisschen blutete. Die Menschen waren ach so krank, aber vieles von dem, was ihnen fehlte, war oft selbstverschuldet oder reines Gejammer. Fette Menschen, die nicht verstehen konnten, warum sie Rücken- und Knieschmerzen hatten. »Bedenken Sie doch mal, was dieser Rücken und diese Knie an Gewicht aushalten müssen!«, wollte er ihnen am liebsten ins Gesicht brüllen. Trotzdem verwies er sie weiter im System zum Röntgen und Ultraschall, sodass sie die Plätze derjenigen, die wirklich Hilfe brauchten und nicht einfach nur dreißig Kilo abnehmen müssten, in Beschlag nahmen – und das nur, um sie nicht Woche für Woche in seinem Wartezimmer sitzen zu sehen. Kleine Gebrechen, die früher nur gewöhnliche Bagatellen waren, gegen die man ein Aspirin nahm, sollten umgehend mit Penicillin behandelt werden – und das war viel schlimmer. Ein schlechter Tag, an dem die Laune nicht bestens war, oder es nicht das perfekte Leben war, nach dem heutzutage alle verlangten, und schon erforderte es Glückspillen. Nicht mal zum Examen konnten die jungen Leute gehen, ohne vorher ein Rezept für Beruhigungsmittel bekommen zu haben. Und er schrieb die Rezepte gern. Er hatte in seinem Leben viele geschrieben, zur großen Freude der Arzneimittelfirmen, mit denen er Vereinbarungen hatte. Eine Industrie, die der dänischen Ökonomie nutzte. War etwas dagegen zu sagen, dass Ärzte unter Druck und vorzeitig abgearbeitet waren? Es war höchste Zeit, dass er in Rente ging. Der Arztberuf hing ihm längst zum Hals raus und niemand hätte ihn einen Tag länger auf dem Arbeitsmarkt halten können, obwohl sie über einen Mangel an Ärzten klagten.

      Er machte den Fernseher aus und schaute wieder aus dem Fenster. Die Hunde wurden immer aufgedrehter. Das ging nicht. Dann waren sie morgen erschöpft.

      »Was ist denn mit den Hunden los, Helge?« Plötzlich stand Victoria im Nachthemd in der Türöffnung zum Schlafzimmer und sah verschlafen aus. Die grauen Haare standen ab. Sie war nicht der Typ Frau, der sie färbte. Wie er sie nun ohne Make-up sah, wirkte sie alt, aber sie hatte immer noch die gleiche Ausstrahlung von Klasse, der er erlegen war. Sie war ein bisschen jünger als er und sie wussten immer, dass sie ein tolles Paar waren. Er hatte sich maskulin und schlank gehalten mit einer gesunden Hautfarbe, da er immer viel im Freien gewesen war, zum Teil auf der Jagd, zum Teil auf dem Golfplatz. Seine Haare waren wie ihre grau, aber es passte zu den beiden. Manche trugen das Silberhaar mit Pracht und Würde. Morgen früh sollten sie gemeinsam gehen, er auf die Jagd, sie zur Arbeit in der Apotheke, wo sie in der Rezeptabteilung arbeitete. Um ausgeruht zu sein, war sie beizeiten ins Bett gegangen. In diesen Zeiten war der Arbeitsdruck hoch – weil die Leute so krank waren und die Ärzte so viele Rezepte verschrieben. Früher war er ironischerweise einer der Gründe für ihre Überarbeitung gewesen. Aber in drei Jahren konnte auch sie in Rente gehen. Deswegen hatten sie das Traumhaus in Spanien gekauft, um dorthin zu ziehen und ihren Ruhestand zu genießen. Viele seiner alten Kollegen wohnten dort. Einer von ihnen betrieb immer noch eine Praxis an der Costa del Sol, obwohl er das nach den Patientenklagen hier zu Hause, vor denen er geflüchtet war, wohl nicht tun sollte. Die dänischen Behörden waren nicht so streng, was das anging. Aber darüber sollte er sich nicht beklagen. Wenn man mit Menschen arbeitet, kann viel schiefgehen – Ärzte sind ja auch nur Menschen, die Fehler machen können, und wenn die Behörden nicht hier und da ein Auge zudrücken würden, wer würde sich dann noch trauen, Arzt zu werden?

      »Ich glaube, es ist wieder dieser verdammte Fuchs. Ich gehe raus und schaue nach. Geh du mal wieder ins Bett, meine Liebe«, antwortete er mit einem kleinen Lächeln und sah ihr nach, als sie gehorsam wieder zurück ins Schlafzimmer ging, das weiße Satinnachthemd um die nackten Füße tanzend. Sie erinnerte an eine Fee, die im Dunkeln verschwand.

      Auf dem Weg zum Waffenschrank bemerkte er, dass das Gebell der Hunde aufgehört hatte. Eine Weile blieb er stehen und lauschte, dann drehte er sich stattdessen zum Barschrank um und schenkte sich einen Cognac ein. Er trank einen Schluck, während er raus in die Dunkelheit starrte und nach dem Fuchs Ausschau hielt. Falls er zurückkam, dann würde er ...

      Eine schnelle Bewegung draußen ließ ihn trotzdem das Jagdgewehr


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