Der Krummbacher und der Katzengusti. Karl Friedrich Kurz

Der Krummbacher und der Katzengusti - Karl Friedrich Kurz


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      Karl Friedrich Kurz

      Der Krummbacher und der Katzengusti

      Erzählungen

      Saga

      Der Krummbacher und der KatzengustiCopyright © 1913, 2019 Karl Friedrich Kurz und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711570562

      1. Ebook-Auflage, 2019

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Der Brunnen zu Krummbach

      I

      Auf seiner Pritsche sass der Schneider Benjamin Zwirn und flickte an einem grobfädigen, braunen Bauernkittel. Das rechte Bein hatte er über den Pritschenrand heraufgezogen und unter das linke geschoben, so dass der Fuss gerade bei der Kniekehle hervorlugte. Ganz zu äusserst auf den Zehen versuchte sich der einstens bunte Pantoffel, mit frei in der Luft schwebender Sohle, festzuhalten. Am Boden, unter dem linken Fuss, der so lose in der Luft herumbaumelte, als gehöre er gar nicht zum Schneider Zwirn, lag der andere.

      Es war eine kleine Stube, niedrig und eng. Die Pritsche nahm fast den ganzen Raum ein. An die hintere Wand, den beiden halbblinden Fenstern gegenüber, lehnte sich ein alter, schiefer Schrank; ein zweitüriger, der recht wunderlich dreinschaute. Fast hätte man glauben können er verziehe sein hölzernes, altes Gesicht zu einem höhnischen, boshaften Grinsen. In einem Winkel stand ein Strohstuhl, im Dunkeln, als schäme er sich, dass seine Lehne während seines langjährigen Dienstes schadhaft geworden. Und von der weissgetünchten Wand leuchtete das grosse Zifferblatt einer Schwarzwälderuhr. Blutrote Blumen, die wohl aus irgendeinem fernen, unbekannten Lande stammten, mit merkwürdig geschwungenen Stielen und noch merkwürdigeren blaugrünen Blättern waren darauf gemalt. Diese Uhr wurde so zum eigentlichen Schmucke des Zimmers.

      Der Schneider Zwirn aber schien ihr Dasein gar nicht zu beachten, obschon das lange Pendel girrte wie ein ungeschmiertes Karrenrad und aus ihrem Innern zuweilen ein unheimliches Schnarren kam, als ob die versammelten Räder dort nicht in Eintracht miteinander seien.

      Der Schneider Zwirn nähte und grübelte dabei über etwas nach. Von der Nasenwurzel aufwärts liefen ihm zwei schmale, tiefe Rinnen bis zu den spärlichen Haaren und schnitten so seine ziemlich hohe Stirn in zwei Teile.

      Gott mag wissen, über was der Schneider Zwirn nachsann. Er seufzte einmal über das andere tief auf und blies die Luft durch die dünnen, fest aufeinander gepressten Lippen. Er sass auf demselben Fleck wohl schon an die drei Stunden. Die Arbeit wollte ihm nicht aus der Hand gehen, und doch hatte er sich durch nichts abhalten oder stören lassen, weder durch den Lärm, der zuweilen von der Strasse zu ihm hereindrang, noch durch die verheissungsvollen Dämpfe und Düfte, welche aus der Küche nebenan sich bis zu ihm hinstahlen.

      Dass der Schneider so still sass und sich über irgend etwas grämte, das fiel auch seinem Eheweib auf, wenn sie so beim Vorübergehen durch die halboffene Tür blickte. Auch sie begann da zu seufzen. So verstimmt und verbissen hatte sie ihren Mann noch nie gesehen. Wohl war er schon eine Zeitlang brummig gewesen, sie wusste nicht warum. An diesem Morgen aber schien’s noch schlimmer als sonst.

      Als sie wieder einmal durch die Türspalte schielte, stöhnte gerade der Schneider so abgründig tief, dass dem armen Weib ganz bange wurde. Sie gab der Tür einen Ruck, dass sie vollends aufsprang und fragte hinaus:

      „Was hast denn immer z’greinen und z’schnaufen, Beni? ’s ist ja bald nicht mehr zum Aushalten!“

      Der Schneider sah einen Augenblick auf von seiner Arbeit, zornig über die Störung in seinem Gedankengange und doch wieder froh darüber, nun seinem Ärger ein wenig Luft machen zu können. Grollend und viel lauter, als nötig gewesen, fuhr er sein Weib an:

      „Meinst du, das mach’ mich nit fuchsteufelswild, dass so manch anderer in Amt und Würden steht — und ich, wo sie doch alle im Sack könnt’ verkaufen, hock da in meiner Butik und hab’ kein einzig Wort z’sagen zu allem, was in der Gemeinde vorgeht! Meinst, d’Galle müss’ mir da nit überlaufen, he? Dir ist das alles gleich. Natürlich! Wenn du nur deinen Kaffee lappen kannst, die lieblang Zeit, dann bist du z’frieden. Aber nit ich! Mir ist das nit gleich, mir nit! Für das hab’ ich ja auch meine bessere Bildung, dass keiner höret, wenn ich etwas sag’ und dass man mich nit um Rat fragt, wenn dies oder das soll g’macht werden im Dorf.“

      „Aber Beni,“ beschwichtigte ihn das Weib, „was willst denn du eigentlich? Du hast ja dein Verdienst, wir haben allezeit unser recht Essen und du bist einer von den geachtetsten Mannen im Dorf.“

      „Was!“ schrie er und drehte sich hastig um — dabei verlor er nun auch den Pantoffel vom rechten Fuss. „Was, ich ein g’achteter Mann im Dorf! Schon lang sollt ich im G’meinderat sitzen! Viel müsst hernach anders werden bei uns oben, meiner Seel.“

      Er erhitzte sich immer mehr dabei und sprach, ohne dass die Frau wieder zum Wort kam. Eine gute Weile hörte sie zu, fast mit einer Art Respekt. Doch als sie wieder in der Rüche draussen hantierte, da schüttelte sie doch verständnislos den Kopf.

      Was er nur eigentlich hatte, der Zwirn? Sie ahnte, dass etwas über ihn gekommen war. Etwas, das sie nicht erfassen konnte; das ihn forttrieb, hinaus aus der engen Schneiderstube, hinaus ins Leben. Und da kam es an sie wie eine bange Traurigkeit. Sie fühlte, dass ein Unbekanntes zwischen ihn und sie getreten war.

      Wie war das doch anders gewesen noch vor kurzem! Nicht dass er gerade mit allem zufrieden war. Nein. Aber er arbeitete vom frühen Morgen bis in die Nacht, mit der Selbstverständlichkeit, welche den armen Mann zwingt, seine Hände zu rühren fürs tägliche Brot. Wenn er auch dann und wann murrte über das, was um ihn her vorging, so gab es sich doch immer bald wieder, und seine gute Laune kehrte zurück. Stets war er ihr ein guter Gatte und ihren Kindern ein braver Vater gewesen. Nun blieb er verschlossen und finster den ganzen Tag. Nachts konnte er stundenlang im Bett wachend an ihrer Seite liegen. Und wenn er endlich schlief, dann redete er im Traume, zusammenhanglose Worte, die ihr fremd blieben und sie mit Schreck erfüllten.

      Wie sie das alles so überdachte, da kam ihr das Wasser in die Augen. Sie weinte leise vor sich hin, während sie die Suppe anrichtete und die dampfenden Kartoffeln aus dem Wasser zog. Und weinte noch, als die Teller auf dem Tische standen und sie ihren Mann zum Essen in die Küche rief. Der sah die dünnen Bächlein zu beiden Seiten ihrer Nase niederfliessen, noch ehe er einen Löffel anrührte, und dies machte seine Stimmung nicht besser.

      In dumpfem Schweigen sassen sie bei der Mahlzeit. Kaum dass eines verstohlen nach dem andern hinüberschielte. Kein Wort wurde laut und keine Frage. Der Unfrieden und die graue Sorge war zwischen ihnen. Auch die drei Kinder sassen mäuschenstill. So klein sie noch waren, sahen sie wohl die tiefen Furchen auf der Stirn des Vaters und die nassen Wangen der Mutter; das schüchterte sie ein.

      Nach dem Essen stand der Schneider Zwirn auf, zog seine Stiefel an und verliess das Haus. Ohne Gruss ging er. Als er durch das kleine Gärtchen auf die Strasse gekommen war, blieb er eine Zeitlang unentschlossen stehen. Dann aber schritt er dem untern Dorfe zu, wo die Wirtschaft zum „Gesprungenen Krug“ lag.

      Und er traf es gut, denn sie sassen dort in der dumpfen Schankstube gerade beisammen, die Bravsten von Krummbach.

      Zu oberst an dem langen Tische sass, wie sich’s gehört, der Ammann. Weil’s gerade ordentlich warm in der Stube war, hatte er die Jacke ausgezogen und stemmte nun die breiten Hemdärmel — die am Sonntag vor acht Tagen noch schön sauber waren — mit Nachdruck auf die Tischplatte.

      Er war lang und hager, der Ammann, mit einem schmalen Gesicht, aus welchem zwei seltsam hungrige Augen schauten. Und nicht nur der höchste war er in der Gemeinde, sondern auch einer der reichsten. Daher wollte man’s gar nicht verstehen,


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