Schlüssel der Zeit - Band 5: Antoniusfeuer. Tanja Bruske

Schlüssel der Zeit - Band 5: Antoniusfeuer - Tanja Bruske


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Glas ein, gab es Keyra, reichte Leo einen Kaffee und setzte sich schließlich selbst in einen Ledersessel hinter dem Schreibtisch. „Wir haben einiges zu besprechen.“

      „Das stimmt. Verraten Sie mir, warum Sie von meiner Existenz nichts wussten?“

      Christopher lachte leise. „Nun, wir wussten natürlich, dass Clara eine Enkelin hat. Aber wir sind davon ausgegangen, dass Ihnen die Gabe nicht vererbt wurde.“

      „Die Gabe durch die Zeit zu reisen, meinen Sie?“ Keyra nippte an ihrem Wasser. „Wie kamen Sie darauf?“

      „Normalerweise zeigt sich diese Gabe recht früh. Wir hatten allerdings nicht bedacht, dass Sie niemals Kontakt zu einem Schlüssel hatten, da ihre Mutter … nun ja, schon so lange verschwunden ist.“

      Keyras Finger umklammerten das eiskalte Glas fester. Sie schwieg abwartend.

      „Außerdem hatten Sie die Veranlagung nur von einer Seite geerbt. Wir waren deswegen sehr überrascht, von ihrer ersten, ungeplanten Reise zu hören.“

      „Von meiner Großmutter?“

      „Ja, sie hat uns informiert, ehe sie erkrankte.“

      Keyra biss sich auf die Lippen. Ihre Großmutter war nach einem Streit mit ihr zusammengebrochen, und sie gab sich noch immer die Schuld dafür, dass Clara Schlosser nicht ansprechbar war und in der Seniorendependance in Marköbel untergebracht werden musste. „Sie konnte mir nicht viel erzählen. Nur, dass ich eine Zeitwächterin bin und Dinge in der Vergangenheit in Ordnung bringen soll.“

      Christopher und Leo tauschten einen raschen Blick. „Das ist richtig“, sagte Christopher. „Und um Sie dafür zu trainieren, stellt Ihnen der Orden einen Mentoren zur Seite. Er ist, wenn Sie in der Vergangenheit sind, Ihre Verbindung zur Gegenwart.“

      „Durch das Wächterbuch – das habe ich auf dem Weg hierher erfahren.“ Keyra hatte das Gefühl, dass da etwas war, das ihr Christopher verschwieg. Sie fasste an ihre Kette und holte den Kristallschlüssel hervor, der bislang in ihrem Ausschnitt verborgen gewesen war.

      Christophers Augen leuchteten auf. „Claras Schlüssel. Ich habe ihn lange nicht gesehen.“

      „Leo sagte, dass der Schlüssel meiner Großmutter gehörte.“ Keyra strich über das glatte Bergkristall.

      „Das stimmt, aber sie hat ihn seit einigen Jahren nicht mehr benutzt.“ Christopher verschränkte die langen, schmalen Finger und stützte sein Kinn darauf. „Clara ist das letzte Mal gereist, kurz bevor Ihre Mutter verschwand. Dann hat sie den Schlüssel abgelegt.“

      Keyra machte große Augen. „Geht das?“

      „Sicher. Aber der Orden war natürlich nicht begeistert.“ Christopher hob die Schultern. „Wichtige Aufgaben blieben hierdurch unerfüllt. Aber Clara wollte für Sie da sein und nicht riskieren, dass ihr dasselbe zustieß, wie Ihrer Mutter.“

      „Wer entscheidet denn, welche Aufgaben ein Zeitwächter wann zu erledigen hat?“ Keyra ließ den Schlüssel los, sodass er nun offen auf ihrer Brust hing. „Der Orden?“

      „Nein. Das ist … eine diffizile Angelegenheit.“ Christopher zögerte. „Der Schlüssel gibt das Signal; er weiß immer, wann es Zeit ist, etwas zu korrigieren. Der Orden kann nur versuchen, den Zeitwächter darauf vorzubereiten, stets einsatzbereit zu sein, und ihn aus der Gegenwart heraus unterstützen.“

      Keyra lehnte sich zurück und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Da sind so viele Sachen, die ich nicht verstehe. Woher kommen die Schlüssel? Stellt der Orden sie her?“

      Neben ihr prustete Leo los, als hätte sie einen guten Witz gemacht.

      Christopher schaute ihn strafend an. „Das ist eine berechtigte Frage. Keyra kann nicht wissen, welche Funktion der Orden hat. Nein“, er wandte sich wieder Keyra zu, „der Orden ist bei weitem nicht so alt wie die Schlüssel. Sie sind viele hundert Jahre alt.“

      Keyra klappte der Mund vor Staunen auf.

      „Die Entstehung der Schlüssel geht auf eine Frau namens Maria Prophetissa zurück. Sie war der Überlieferung nach Jüdin und lebte zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert in Alexandria. Sie gilt als Begründerin der Alchemie und war die bedeutendste Alchemistin der Antike und zudem Erfinderin. Sie erforschte etwas, das sie Tempus-Energie nannte.“

      „Tempus wie lateinisch Zeit?“

      „Ganz genau.“ Christopher nickte. „Diese Energie sammelt sich in bestimmten Objekten an, die Auswirkungen auf den Verlauf der Geschichte haben – sei es im Kleinen oder im Großen. Wir wissen heute nicht mehr genau, wie, aber es gelang ihr, diese Energie abzuzapfen und in die Schlüssel zu konzentrieren. So entstanden die Zeitschlüssel und andere Gegenstände, wie das Wächterbuch.“

      „Wahnsinn“, hauchte Keyra.

      „Maria fand allerdings heraus, dass es gefährlich war, diese Tempus-Objekte zu entfernen, weil das die Zeit aus dem Gleichgewicht bringen kann. Sie gründete den Orden der Zeitwächter, um genau das zu verhindern.“

      „Moment: Es geht bei den Zeitreisen also immer um solche Tempus-Objekte?“, fragte Keyra.

      „Nicht immer, aber meistens. Wenn Sie sich an Ihre eigenen Reisen erinnern, war gewiss oft ein Gegenstand damit verknüpft, oder?“

      Keyra überlegte. „Die Urne in Wilhelmsbad – oder die Urkunde in Rüdigheim. Bei der Sache in Langenbergheim bin ich nicht ganz sicher, aber in Bad Orb könnte es Peters Fuchspfeife gewesen sein …“

      „Und Ihre Aufgabe war stets erledigt, wenn Sie diese Gegenstände wieder an ihren rechtmäßigen Ort zurückgebracht haben, oder?“

      Keyra nickte, schüttelte aber dann den Kopf. „Aber die Urne wurde später dennoch gestohlen!“

      Wieder wechselten Christopher und Leo einen Blick, und Keyra hatte erneut das Gefühl, dass die beiden ihr etwas verschwiegen.

      „Aber nicht zu dem Zeitpunkt, an dem du da warst und an dem der Diebstahl nicht vorgesehen war“, sagte Leo. „Wichtig ist, dass am Ende deiner Reise alles im Lot ist. Auch das funktioniert nicht jedes Mal. Du musst es trotzdem immer wieder versuchen.“

      Keyra kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. „Wie konnte Maria solche Dinge herausfinden?“

      Christopher seufzte. „Vieles verstehen wir auch nicht. Einiges ist im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen. Technisch sind einige Gegenstände, die wir von Maria erhalten haben, so weit entwickelt, dass einige Ordensmitglieder glauben, Maria sei selbst eine Zeitreisende gewesen und aus ferner Zukunft gekommen – dass sie irgendwie im alten Ägypten festsaß. Aber dafür gibt es keine Beweise.“

      „Kann man denn nicht in die Zukunft reisen und nachfragen?“

      „Nein – die Portale führen nur in die Vergangenheit und an den Ausgangsort der Reise. Und die Reisen steuert der Schlüssel, nicht der Wächter.“

      Keyra deutete nach oben, auf die Schlangen-Schnitzerei. „Und was hat das zu bedeuten?“

      „Maria hat den Ouroboros als Symbol des Ordens ebenso eingeführt wie den Wahlspruch ‚Hen to pan‘ – eins ist alles. Er ist ein Symbol der kosmischen Einheit. Wir glauben, dass er dafür steht, dass die Zeit im Gleichklang bleiben muss.“

      Keyra zog die Stirn kraus. „Aber was bringt die Zeit ins Ungleichgewicht? Ich meine: Ja, ich habe verstanden, dass es geschieht, wenn so ein Tempusobjekt nicht da bleibt, wo es hingehört. Aber dann muss es durch irgendwelche äußeren Einflüsse bewegt werden.“

      Christopher schürzte die Lippen. Keyra wartete darauf, dass er eine Erklärung abgab. Als er das nicht tat, setzte sie nach, weil sie eine Ahnung hatte: „Was ist Ihre Aufgabe, Christopher? Was tut ein Schlüssel-Hüter? Und wie viele Schlüssel gibt es überhaupt?“

      Leo stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich habe ja gesagt, Keyra stellt viele Fragen. Vielleicht sollten wir …“

      „Leopold!“, unterbrach


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