Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman - Sissi Merz


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überwinden Sie mal Ihre Antipathie und tun Sie, worum ich Sie gebeten habe«, knurrte Tom, kam damit aber nicht weiter.

      Julia dachte gar nicht daran, seine Anweisung zu befolgen. Obwohl sie sich nach ihrer Rückkehr ausgesprochen hatten, machte sie es ihm noch immer heimlich zum Vorwurf, dass er sie wieder aus Wildenberg weggeholt hatte.

      »Julia, bitte, mir zuliebe.« Er schaute sie intensiv an. »Ich komme einfach nicht dazu. Und Grete liegt in der Medikammer. Ich weiß nicht genau, wie ihr Zustand ist.«

      »Appellieren Sie an mein ärztliches Ethos?« Julia musterte den Kollegen unwillig. »Also schön, sobald ich hier weg kann.«

      »Danke.« Er wandte sich zum Gehen, drehte sich in der offenen Tür noch einmal um und betrachtete Dr. Bruckner einen Moment lang mit einem schwer erklärlichen Ausdruck in den hellen Augen.

      »Stimmt was nicht? Oder haben Sie noch was auf dem Herzen?«, fragte sie leicht irritiert.

      »Ach nichts.« Zu Julias Erstaunen wirkte Tom beinahe verlegen, als er zugab: »Mir ist eben nur mal wieder klar geworden, dass ich über Ihre Rückkehr hierher sehr froh bin.«

      Dr. Bruckner kümmerte sich noch um ein halbes Dutzend Kranke, bis sie nach drinnen gehen und Grete Sörensen untersuchen konnte. Es dauerte nicht lange, dann erschien Schwester Mary, um ihr zur Hand zu gehen. Die Medizinerin spritzte ein fiebersenkendes Mittel und bat Mary, die Kranke in ihr privates Zimmer zu bringen. »Sieh bitte alle Stunde nach ihr. Wenn das Fieber nicht sinkt, lege ich eine Infusion. Ihr Zustand ist ernst. Ich begreife das nicht. Wir sind doch alle geimpft.«

      Die farbige Nonne hob angedeutet die Schultern. »Es gibt Stoffe, die eine wirksame Aufnahme des Serums verhindern…«

      »Sicher, das weiß ich auch. Aber doch nur bei bestimmten Vorgaben wie Alkoholismus, Drogen oder Medikamentenmissbrauch.« Sie bedachte Mary mit einem irritierten Blick. »Soll das heißen, die Kollegin Sörensen ist süchtig?«

      »Sie erinnern sich doch bestimmt an den Vorfall mit dem Valium. Frau Sörensen hatte damit schon früher ein Problem. Und wie es aussieht, besteht das nach wie vor. Sonst wäre sie jetzt nicht erkrankt.«

      »Sie ist also doch tablettenabhängig. Dabei hat sie es seinerzeit vehement abgestritten.« Julia seufzte leise und rieb sich die Stirn. »Langsam bezweifle ich, dass es eine gute Idee von Tom war, diese Frau hier zu behalten.«

      »Es ging Doktor Kennedy um einen dritten Arzt auf der Station. Und das war eigentlich eine gute Idee. Andernfalls hätten wir hier ganz ohne medizinische Versorgung auskommen müssen, als Sie und Doktor Kennedy in Deutschland waren.«

      »Die Grundidee war sicher gut. Aber Grete Sörensen hat uns bisher nur Ärger gemacht. Und ich glaube nicht, dass sich daran etwas ändern wird; im Gegenteil.«

      »Vielleicht sollten Sie heute abend mit Doktor Kennedy reden.« Schwester Mary machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich muss zugeben, dass ich diese Frau nicht mag.«

      »Dazu hast du auch allen Grund, Mary, ebenso wie ich.«

      »Trotzdem sollten Sie es sich gut überlegen, bevor Sie Doktor Sörensen wegschicken. Sie verstehen schon, was ich meine?«

      »Sicher. Der dritte Arzt ist wie eine Option für mich, irgendwann wieder nach Wildenberg fahren zu können. Aber ich kann und darf in dieser Beziehung nicht nur an mich denken. Selbst wenn ich es gerne wollte…«

      Es wurde spät, bis Julia dazu kam, mit ihrem schottischen Kollegen zu sprechen. Die Uhr zeigte bereits nach Mitternacht, als sie sich bei einer späten Mahlzeit zusammensetzen. Buhla Iwrati, die Köchin der Station, hatte einen Kuchen gebacken und Kaffee gekocht. »Wegen der vielen Arbeit«, hatte sie gemeint.

      »Grete ist also erkrankt«, nahm Tom den Gesprächsfaden auf. Er wirkte müde, gab sich aber Mühe, sachlich zu sein. »Das bedeutet, sie hat mich wieder einmal angelogen. Sie ist nach wie vor auf Valium.«

      »Was wollen Sie tun?«, fragte Julia schlicht.

      Nachdem Grete Sörensen zu Beginn ihres Aufenthaltes die ganze Station durcheinander gewirbelt hatte, war Tom Kennedy zu dem Entschluss gelangt, ihr persönlich helfen zu wollen. Seither sprachen die mehrmals die Woche über Gretes Probleme. Sie hatte diese »Therapie« gerne angenommen, und er war überzeugt gewesen, ihr damit tatsächlich etwas Gutes zu tun. Nun zeigte sich aber, dass Grete ihm nicht in allem die Wahrheit gesagt hatte. Und das ließ seine Bemühungen in einem ganz anderen Licht erscheinen.

      Er rieb sich die Nasenwurzel und stellte fest: »Es hat wenig Sinn, jetzt einfach aufzugeben, obwohl ich das gern tun würde. Diese Frau benötigt Hilfe. Ich fürchte, ich kann sie ihr nicht geben, solange sie kein wirkliches Vertrauen zu mir hat. Deshalb werde ich daran arbeiten, ein echtes Vertrauensverhältnis aufzubauen. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Es sei denn, wir schicken Grete nach Hause. Aber diese Entscheidung kann und will ich nicht allein treffen.« Er schaute sie offen an. »Was denken Sie, Julia? Können wir es verantworten, sie hier zu behalten? Ist sie bislang nicht eher eine Belastung für uns alle gewesen, keine Hilfe?«

      Dr. Bruckner ließ sich Zeit mit einer Antwort. Wäre sie spontan ihrem Gefühl gefolgt, hätte sie leichten Herzen zustimmen können, Dr. Sörensen fortzuschicken. Doch so leicht wollte sie es sich nicht machen. »Versuchen Sie, etwas zu erreichen. Ich stehe hinter Ihnen. Aber wenn sich herausstellen sollte, dass es sinnlos ist, werde ich diese Frau nicht länger hier dulden. Sie hat sich bereits eine ganze Menge zuschulden kommen lassen. Und es geht mir in erster Linie darum, dass diese Station funktioniert.«

      »Und in zweiter Linie?«

      »Sie geben wohl nie Ruhe, was? Genügt es Ihnen nicht, dass ich Wildenberg und Max verlassen habe und wieder hierher zurückgekommen bin? Was wollen Sie denn noch?«

      Tom Kennedy lächelte schmal, als er behauptete: »Es genügt mir ja, keine Angst. Jedenfalls vorerst…«

      *

      »Morgen, Christel. Na, wie geht’s? Hast deinen kleinen Kater mittlerweile überwunden?« Max Brinkmeier musste schmunzeln, als die langjährige Sprechstundenhilfe mit ungewöhnlich grantiger Miene abwinkte und murrte: »Gestern bin ich den ganzen Tag net aus dem Bett gekommen, so einen Brummschädel hatt’ ich. Und heut fühle ich mich immer noch net fit. Mei, der Johannisbeerwein von der Afra hat es wirklich in sich.«

      »Der trinkt sich wie Saft und schmerzt wie Schnaps, ich weiß«, scherzte der junge Landarzt und nahm sich die Liste der Patienten, die an diesem Morgen in der Sprechstunde erwartet wurden. »Lass es nur langsam angehen, Christel.«

      »Anders geht es auch net«, seufzte diese und löste sich eine Schmerztablette in Wasser auf. »So einen Kater hatte ich ja seit Jahren nimmer, es ist eine Schande…«

      »Ja, mei, die Brennerin in derangiertem Zustand. Dass ich so was noch erleben darf…« Milli Reiter, die betagte Hauserin von Hochwürden Hirtner, musterte die Sprechstundenhilfe schadenfroh. »Was hast denn getrieben, Christel? In deinem Alter sollte man fei nimmer über die Stränge schlagen. Schaust recht greuslig aus. Willst vielleicht die Patienten abschrecken?«

      Christel bedachte die Alte mit einem bösen Blick und murmelte: »Geh nur rein, bist heut die Erste, Milli.«

      »Was? Ich hab’s net gehört, red’ halt ein bissel lauter!«

      Doch damit konnte sie die Sprechstundenhilfe nicht ärgern, denn diese wies nur stumm auf die Tür zum Sprechzimmer und widmete sich wieder ihrer Schreibarbeit am Computer.

      Milli hob schnippisch die Schultern. Bei Max Brinkmeier gab sie sich stets freundlich. Aber ohne Tratsch kam sie auch in Gegenwart des Landarztes nicht aus. »Im Internat der frommen Schwestern hat es einen neuen Lehrer, der junge Neumann, stammt fei aus unserem Tal. Mei, Doktor, da wirst bald Beulen und Platzwunden behandeln können, denk’ an meine Worte.«

      »Ich fürchte, ich kann dir net ganz folgen, Milli«, musste dieser zugeben.

      »Ja, mei, ein fescher Bursch ist er halt, der Neumann. Und die vielen jungen Madeln, die werden sich gewiss um ihn reißen. Aua!«, sie starrte


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