Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz
an diesem Tag eine besondere Feststimmung. Bei dem schönen, warmen Wetter waren im Wirtschaftshof lange Bankreihen aufgestellt worden, an denen das Hochzeitsessen serviert wurde. Darüber wehten fröhlich die weiß-blauen Wimpel im Sommerwind. Es gab auch einen Tanzboden, eine kleine Combo spielte lustige Rhythmen, die in die Beine gingen. Das Brautpaar stand natürlich im Mittelpunkt des Interesses. Bildsauber schaute Valerie aus in ihrem traditionellen Hochzeitsdirndl mit einem duftigen Haarkranz, kurzem Schleier und traditionellen Haferlschuhen. Der Bräutigam, schneidig im dunklen Festtagsloden, hatte nur Augen für seine schöne Braut.
Freilich eröffneten die beiden den Tanz mit einem langsamen Walzer, wie es sich gehörte. Federleicht und anmutig lag Valerie in den starken Armen ihres Mannes, und es schien ihr fast so, als könne sie mit Toni mitten in den Himmel hinein tanzen. Bald gesellten sich weitere Paare hinzu, auch Anna und Max schlossen sich nicht aus. Der bunte lustige Reigen erfreute das Auge der älteren Generationen, die es lieber beim Zuschauen beließen.
Als die Tanzmusik eine Pause einlegte, kamen Valerie und Toni auf den Wildenberger Landarzt zu und bedankten sich noch einmal für alles, was er für sie getan hatte.
»Sie können sich gar net vorstellen, wie sehr unser Vater sich verändert hat, Max«, berichtete die Braut mit glänzenden Augen. »Wäre er am Infarkt gestorben, weil ihm keiner rasch genug hätte helfen können, dann hätten wir das nie erleben dürfen. Und das wäre doch wirklich sehr schade gewesen.«
Dr. Brinkmeier konnte ihr nicht widersprechen, und Anna wollte wissen: »Arbeitest du jetzt auch als Bauer auf dem Hof, Toni?«
»Er ist jetzt der zweite Bauer auf dem Einöd-Hof«, stellte Valerie heraus. »Aber so recht gewöhnt hat er sich noch nicht daran. Ich glaube, das braucht einfach seine Zeit.«
»So schwer fällt es mir nun auch net«, merkte der Bräutigam noch an. »Aber du hast mal wieder die Hauptsache vergessen, Valerie. Der Vater hat dir doch was aufgetragen…«
»Ja, freilich!« Sie schlug sich gegen die Stirn. »Sie können jederzeit nach Wimbach kommen und bei uns im Hüttel Urlaub machen, Max. Das hat der Vater beschlossen. Sozusagen ein Wohnrecht im Sennhüttel auf Lebenszeit. Das soll Ihnen zeigen, wie dankbar er für die Lebensrettung ist. Und du, Anna, kannst freilich immer mitkommen.«
»Mei, das ist aber ein großzügiges Geschenk. Da werde ich mich gleich einmal persönlich beim Bauern bedanken«, beschloß Max und ließ Anna kurz allein. Während sie auf seine Rückkehr wartete, dachte sie wieder an das Telefonat mit Julia Bruckner. Sie hatte nicht ganz die Wahrheit gesagt, um Julia abzuschrecken. Daß Max’ Gefühle für sie, Anna, sich nicht geändert hatten, wurde ihr langsam klar. Sie hatte sich nur etwas vorgemacht, da war der Wunsch wohl der Vater des Gedanken gewesen. Anna wurde nun aber klar, daß sie auf diese Weise gar nichts erreichen konnte. Irgendwann würde Max wieder mit Julia sprechen. Und dann würde Annas dumme kleine Lüge gewiß zur Sprache kommen. Das wollte sie nicht, deshalb beschloß sie, mit offenen Karten zu spielen.
Als Max an ihren Tisch zurückkehrte, setzte die Musik wieder ein. Doch Anna verspürte wenig Lust zu tanzen.
»Gehst ein bissel mit mir spazieren, Max? Ich würde gerne unserem Sennhüttel noch einen Besuch abstatten, bevor es dunkel wird«, bat sie ihn deshalb.
Er war zwar überrascht von ihrem Wunsch, zeigte sich dann aber einverstanden. Während sie dem schmalen Steig folgten, wuchs in Max der Verdacht, daß etwas nicht stimmte. Anna gab sich schon den ganzen Tag so einsilbig. Sie mußte etwas auf dem Herzen haben, sonst hätte sie nicht freiwillig auf das Tanzvergnügen verzichtet. Und er sollte sich nicht getäuscht haben.
Als sie die Sennhütte erreichten, sagte Anna: »Es war eine schöne Woche hier heroben. Daran werde ich noch oft zurückdenken. Willst denn noch öfter herkommen?«
»Ich dachte, wir machen mal wieder Urlaub hier«, meinte er unbefangen. »Ich habe die Tage mit dir nämlich auch genossen, Anna. Das weißt sicher.«
»Ja, mag sein. Trotzdem möchte ich dich nimmer begleiten. Es könnte ein Gerede aufkommen. Oder ich… mache mir vielleicht sogar selbst falsche Vorstellungen. Das wäre doch dumm, gelt?«
Er blieb stehen und schaute sie forschend an. »Was hast du nur? Bist schon den ganzen Tag so seltsam. Willst mir nicht verraten, was du auf dem Herzen hast, Anna?«
Sie lächelte schmal. »Dir kann man nix vormachen, Max. Und das will ich auch gar nimmer. Ich hab was Dummes getan, das mir jetzt nachhängt. Und ich würde gerne mein Gewissen erleichtern.«
»Du wirst doch keine Verabredung mit dem Burgmüller getroffen haben«, frotzelte er halbherzig, doch sie ging nicht auf seine Worte ein, gestand ihm: »Als ich am letzten Samstag bei dir war, da hat die Julia angerufen. Du bist gerade im Keller gewesen, hast eine Flasche Wein geholt.«
»Die Julia?« dehnte Max. Seine Miene verhärtete sich. »Was hat sie denn gewollt?«
»Sie wollte dich sprechen. Ich…« Sie fuhr sich mit einer nervösen
Geste durch ihr glänzendes Haar. »Weißt, ich bin ziemlich sauer geworden. Daß sie einfach wieder anruft, nach allem, was gewesen ist, das konnte ich kaum fassen. Ich glaube, ich war recht ruppig zu ihr. Und ich hab’ ihr geraten, dich endlich in Ruhe zu lassen. Als ich dann darüber nachgedacht hab’, da kam mir das schon irgendwie dumm vor. Ich weiß, ich hab’ mich zu was hinreißen lassen, das war net recht. Und im Grunde geht mich das ja auch gar nix an. Ich wollte einfach, daß du Bescheid weißt. Und ich hoffe sehr, du bist jetzt net zu sauer auf mich, weil ich mich eingemischt habe.«
Max schwieg eine Weile, seine Miene war verschlossen, er gestattete es Anna nicht, darin zu lesen. Und sie ließ ihm Zeit, sich ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
Schließlich ließ er sie wissen: »Ich mache dir keinen Vorwurf, das käme mir nie in den Sinn. Im Grunde genommen bin ich froh, daß die Julia mich net erreicht hat. Ich glaube, ich bin noch net soweit, daß ich wieder auf normale Art mit ihr reden kann. Und telefonische Vorwürfe sind ja auch nicht unbedingt erstrebenswert, net wahr?«
»Du bist mir net bös’?« Anna atmete auf. »Darüber bin ich sehr froh. Ich hatte nämlich Angst, daß ich vielleicht unsere Freundschaft zerstöre, wenn ich dir die Wahrheit sage. Aber es hat mich auch belastet, deshalb konnte ich net schweigen.«
»Du hast richtig gehandelt.« Er lächelte ihr zu. »In jeder Beziehung. Was mich betrifft, so wird noch einiges an Zeit vergehen müssen, bis ich wieder etwas von Julia hören will. Aber auf deine Gesellschaft möchte ich nimmer verzichten, Anna. Was ist, wollen wir uns noch ein bissel in den Festtrubel stürzen, bevor alles vorbei ist?«
Sie lachte befreit auf und nahm die Hand, die er ihr hinhielt. »Gern! Aber nur, wenn wir keinen Tanz mehr auslassen!«
»Oje, meine armen Füße.« Der junge Mediziner verdrehte die Augen. »Was tut man net alles für die Frauenwelt…«
So verlief das schöne Fest auf dem Einöd-Hof in Wimbach für alle Beteiligten zur vollsten Zufriedenheit. Valerie und Toni erlebten den wahrlich schönsten Tag ihres Lebens und genossen ihr Glück in vollen Zügen. Monika und Thomas tanzten ausgelassen wie ein frisch verliebtes Paar, und selbst Valentin mochte sich beim langsamen Walzer nicht ausschließen. Maria war ganz fasziniert von dem »neuen« Mann an ihrer Seite, der so gar nichts mehr mit dem griesgrämigen Patriarchen gemein hatte, der auf dem Erbhof mehr als gefürchtet gewesen war.
Und auch Anna und Max verlebten einen entspannten Tag und freuten sich beide, daß ihre Freundschaft den ersten Sturm so gut überstanden hatte. Und während der junge Landarzt seine schöne Begleiterin beim langsamen Walzer im Arm hielt, da gingen Annas Gedanken und Sehnsüchte einmal mehr auf Wanderschaft. Denn schließlich wußte man ja nie so ganz genau, was die Zukunft bringen konnte, und ob es nicht doch noch irgendwann eine Erfüllung für ihre heimliche Liebe geben würde…
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag,