Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman - Sissi Merz


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ich weiß jetzt, daß du es net bös’ gemeint hast. Es ist halt deine Art. Und weil du uns wichtig bist, sollst uns noch lange erhalten bleiben. Deshalb mußt dich wirklich schonen. Der Thomas und der Toni machen die Arbeit, auf die kannst dich verlassen, das weißt doch.«

      »Ich fürchte mich ein bissel vor dem Austrag«, sagte der Bauer da. »Mein Lebtag hab’ ich den Hof geführt. Und jetzt mit einem Mal nur im Lehnstuhl hocken? Ich glaub’, das kann ich net.«

      Valerie war richtig stolz, denn zum ersten Mal in ihrem Leben redete der Vater so mit ihr, behandelte sie wie eine Erwachsene. »Das mußt ja auch net. Der Thomas hat gestern gesagt, daß du die besten Geschäfte abschließt. Ich glaube, er wäre froh, wennst das auch weiterhin machst. Und außerdem könntest öfter mal mit der Mama verreisen. Sie hat fei auf viel verzichten müssen in all den Jahren…«

      »Und du bildest dir ein, daß ich zu deiner Hochzeit mit dem Toni meinen Segen gebe?« polterte er da, aber es klang schon recht halbherzig. »Ich will, daß du einen gescheiten Burschen heiratest, einen, der dir was bieten kann.«

      »Der Toni kann mir ja was bieten. Er hat mich von Herzen lieb, ich glaube, das ist am wichtigsten. Und faul ist er ja auch net gerade, das kannst nicht behaupten.«

      »Na ja, wir werden sehen…« Valentin schloß die Augen, denn zu viele Zugeständnisse mochte er an einem Tag auch wieder nicht machen. »Ich bin recht müd’ und mag jetzt schlafen.«

      »Ist schon recht, Vater. Ich schaue morgen wieder nach dir.« Mit einem zufriedenen Lächeln verließ das Madel wenig später das Spital in Berchtesgaden und fuhr wieder heim nach Wimbach. Zum ersten Mal, seit Valerie denken konnte, hatte der Vater sie nicht nur angeschnauzt und ihr Befehle erteilt, sondern sie wie einen erwachsenen Menschen behandelt. Es bestand also doch noch Hoffnung, daß die Verhältnisse auf dem Erbhof sich in absehbarer Zeit endlich normalisieren würden…

      *

      Julia Bruckner lächelte, als Buhla erschien, ihren kleinen Sohn wieder in einem Tuch auf dem Rücken eingebunden. »Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, Frau Doktor. Ohne Sie und den roten Riesen würde mein Tom jetzt nicht mehr leben.«

      »Wir sind alle froh, daß es deinem Baby wieder gut geht«, versicherte sie. »Du trägst es jetzt wieder?«

      »O ja, ich werde Tom nicht mehr aus den Augen lassen. Dieser eine Schrecken hat mir gereicht. In einer Stunde ist übrigens das Essen fertig.«

      Julia nickte und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. »Ich werde pünktlich sein, versprochen.« Eine Weile arbeitete sie konzentriert, dann schloß sie die letzte Krankenakte, zufrieden, daß nun wieder alles auf den neuesten Stand gebracht war. Julias Abwesenheit hatte sich auch auf diesem Gebiet ausgewirkt.

      Bevor die Medizinerin das kleine Ärztebüro verließ, um ihre Runde zu machen, griff sie nach dem Telefon und wählte Max’ Nummer. Sie hatte es in den vergangenen Tagen bereits einige Male versucht, aber niemanden erreicht. Im stillen fragte Julia sich, was das zu bedeuten hatte. War Max weggefahren? Oder wich er absichtlich ihren Anrufen aus?

      Sie mußte sich keine weiteren Gedanken machen, denn nun meldete sich am anderen Ende der Leitung jemand. Doch es war zu Julias Enttäuschung nicht Max, sondern sein Vater. Sie zögerte kurz, bevor sie ihren Namen nannte.

      Josef Brinkmeier stellte freundlich fest: »Julia, das ist nett. Gewiß magst den Max sprechen. Leider ist er aber net daheim, macht Hausbesuche. Kann ich was ausrichten?«

      »Ach nein, das ist net nötig. Ich rufe ein andermal an«, beschloß sie und wollte sich verabschieden. Doch Josef hatte etwas dagegen. Offen fragte er Julia: »Wie geht es dir? Bist mit dir selbst und deiner Entscheidung im reinen? Oder magst net darüber reden? Das könnte ich schon verstehen.«

      Sie seufzte leise; Max’ Vater kannte sie eben ziemlich gut. »Im reinen bin ich damit noch lange net. Ich glaube, es würde mir gut tun, mit Ihnen darüber zu reden. Aber ich will Sie net mit meinen Problemen belästigen.«

      »Das tust gewiß net. Ich höre dir zu, Julia.«

      »Ja, wissen Sie, eigentlich wollte ich Wildenberg nicht verlassen. Es war mein fester Wille und Entschluß, zu bleiben. Ich hab’ den Max endlich heiraten wollen. Und das wünsche ich mir auch jetzt noch. Meine Gefühle für ihn haben nix mit meiner Entscheidung zu tun, wieder nach Holy Spirit zurückzukehren.«

      »Das habe ich auch net vermutet. Daß ihr zwei euch liebhabt, weiß ich ganz genau. Und der Max weiß es auch.«

      »Wirklich? Ich habe ihn schrecklich enttäuscht, das macht mir sehr zu schaffen. Aber ich hab’ auch gespürt, daß mir in Wildenberg etwas fehlt. Ich hab’ Angst bekommen, daß ich mit dem Max nimmer so glücklich sein könnte wie früher, weil ich eben etwas sehr Wichtiges einfach aufgegeben habe. Und als Tom Kennedy mir dann erzählt hat, daß die Station kurz vor dem Aus steht, da konnte ich nimmer in Wildenberg bleiben.«

      »So ähnlich habe ich mir das schon gedacht. Und ich glaube, der Max weiß auch Bescheid. Er kennt dich schließlich besser als jeder andere Mensch, net wahr?«

      »Glauben Sie denn, daß er mir verzeihen kann?« kam es zögerlich von Julia.

      »Das mußt ihn schon selbst fragen. Aber wenn ich dir raten darf, Julia, dann wartest noch mit diesem Gespräch. Es ist dem Max sehr schlecht gegangen, er hat sogar daran gedacht, seinen Beruf aufzugeben. Ohne dich hatte das Leben für ihn einfach keinen Sinn mehr. Er war jetzt zwei Wochen in Urlaub, und ich glaube, er hat sich wieder gefangen. Aber du solltest ihm noch Zeit lassen, in euer beider Interesse, verstehst?«

      Julia erschrak, als sie das hörte. Schuldbewußt gestand sie ein: »Ich habe net geahnt, daß es ihn so schwer treffen würde. Das ist wirklich schlimm… Gut, dann halte ich mich an das, was Sie mir geraten haben. Aber eine Bitte hätte ich noch; der Max soll wissen, daß ich weiterhin alles versuchen werde, damit wir irgendwann ein gemeinsames Leben führen können. Ohne ihn werde ich auch hier auf Dauer net bleiben können. Aber wie eine Lösung ausschauen könnte, das weiß ich leider noch net…«

      »Ich werde es ihm sagen, Julia«, versprach Josef. »Und ich beneide dich net. Es ist ein schwerer Zwiespalt, in dem du da steckst. Ich wage zu bezweifeln, daß es dafür überhaupt eine Lösung geben kann. Etwas wirst aufgeben müssen, ganz egal, wie du dich entscheidest. Und ob du mit dieser Entscheidung dann leben kannst, ja mei, das muß sich erst noch erweisen…«

      Nachdem Julia das Telefonat beendet hatte, saß sie eine ganze Weile in tiefe Gedanken versunken in dem kleinen Ärztebüro. Sie hatte gehofft, sich mit Max versöhnen zu können. Sie sehnte sich schrecklich nach dem Mann, dem ihr Herz gehörte. Und das schlechte Gewissen ihm gegenüber machte ihr nach wie vor sehr zu schaffen.

      Nach dem Gespräch mit Josef fühlte die schöne Ärztin sich nicht erleichtert; im Gegenteil. Nun, da sie wußte, wie sehr Max unter ihrer neuerlichen Trennung gelitten hatte, verstärkte sich ihr schlechtes Gewissen noch. Und sie fühlte sich innerlich ganz zerrissen…

      »Kommen Sie? Es gibt Mittagessen.« Tom Kennedy, der in die offene Tür getreten war, ohne daß Julia es bemerkt hatte, lächelte schmal. »Oder leben Sie momentan mal wieder nur von Luft und Liebe, Frau Kollegin?«

      »Reden Sie keinen Schmarrn«, murrte sie und erhob sich. »Von Liebe kann keine Rede sein. Ich wollte mit Max telefonieren, habe aber nur seinen Vater erreicht. Und der hat mir geraten, mich noch eine Weile bedeckt zu halten. Wie es aussieht, hat meine Rückreise nach Afrika mehr Porzellan zerschlagen, als ich befürchtet habe. Aber was erzähle ich Ihnen davon? Sie sind ja sowieso an allem völlig schuldlos.«

      »Habe ich das behauptet?«

      Julia stutzte. »Ja, das haben Sie! Oder wissen Sie es nicht mehr? Als ich mich bei Ihnen beschwert habe, war Ihr einziger Kommentar, ich müsse mit meinen Entscheidungen allein zurechtkommen. Das habe ich mir gemerkt.«

      Sie durchquerten den großen Krankensaal, der nicht sehr belegt war. Momentan stand über die Hälfte der Betten leer, das Fieber, das in den letzten Wochen viele Kranke nach Holy Spirit gebracht hatte, schien im Abklingen begriffen. Eine alte Frau mit einem Bruch sprach Julia an


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