Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman - Sissi Merz


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wissen: »Der Vater ist so, daran haben wir uns alle schon gewöhnt. Er läßt nix gelten und kennt nur seinen eigenen Willen. Aber das braucht Sie ja net zu kümmern, Sie sind schließlich bloß für zwei Wochen da.« Sie hatte das auf eine Weise gesagt, die deutlich ausdrückte, sie beneidete Max. Und er hatte Mitleid mit dem hübschen jungen Madel, das ganz offensichtlich nicht glücklich war…

      Valentin Eggerer begrüßte den Logiergast wie einen alten Freund und nötigte ihn, sich neben Valerie zu setzen. Das war Max peinlich, er ließ es sich aber nicht anmerken. Beim Abendessen lernte er den Rest der Familie kennen und konnte feststellen, daß die Eggerer freundliche und sympathische Menschen war. Doch eine gedrückte Stimmung lag über allem, was geredet wurde. Es war beinahe, als sei der Altbauer so etwas wie ein böser Albdruck, der allen Bewohnern des Erbhofes das Leben unnötig schwer machte…

      Bald nach dem Essen verabschiedete Max sich, was Valentin Eggerer gar nicht gern sah. Er schlug vor, noch ein wenig zusammen fernzusehen, aber der junge Mann lehnte ab.

      »Ich möchte hier ganz abschalten, und dazu gehört für mich eben kein Fernsehen. Dann bis morgen.« Er wandte sich zum Gehen, als er aus dem Augenwinkel heraus gewahrte, wie der Bauer sich in die Herzgegend fasste. Dr. Brinkmeier wandte sich noch einmal um, da ließ Valentin rasch die Hand sinken.

      »Haben Sie es sich anders überlegt, Herr Doktor?« wollte er gleich wissen. »Vielleicht doch ein bissel Gesellschaft?«

      »Nein, das nicht. Aber ich würde Sie gerne etwas fragen, Herr Eggerer; sind Sie in Behandlung wegen Ihrer Herzbeschwerden?«

      Der Angesprochene zeigte sich verblüfft. »Jetzt, woher wissen Sie denn das? Ich hab’ ja noch mit keinem Menschen darüber geredet. Sie sind mir fast ein wengerl unheimlich, Doktor.«

      »Dazu gehört net viel. Ihre charakteristische Bewegung. Wenn ich Sie recht verstehe, waren Sie noch net beim Arzt. Wäre es Ihnen recht, daß ich Sie kurz untersuche?«

      »Ich weiß net… Das ist doch nicht nötig.«

      »Seit wann haben Sie Beschwerden? Bitte, entspannen Sie sich.« Max hörte den Brustraum des Bauern ab. »Ich habe keine Instrumente, aber meinen Notfallkoffer könnte ich morgen mitbringen, der liegt immer in meinem Auto. Das klingt nach einem Herzfehler. Der Blutfluß ist verstärkt, ich vermute, Ihr Blutdruck ist chronisch erhöht.«

      »Ich bin doch kein Notfall. Und das bissel Stechen hat nix zu sagen«, wehrte Valentin Eggerer ab. Die Vorstellung, herzkrank zu sein, war ihm total zuwider. Davon mochte er nichts wissen.

      »Sie könnten aber einer werden, wenn Sie so leichtsinnig sind. Falls es Ihnen zuwider ist, daß ich Sie untersuche, würde ich Sie bitten, zu Ihrem Hausarzt zu gehen.«

      »Ich… will es mir überlegen. Und jetzt ist das Thema für mich erledigt.« Er lachte unbehaglich. »Sie sind doch bei uns im Urlaub. Da will ich Sie net zur Arbeit verführen.«

      Max winkte ab. »Ein Arzt ist immer im Dienst. Aber wie Sie wollen, es ist Ihre Entscheidung. Kann ich denn morgen meinen Notfallkoffer mitbringen? Das verpflichtet Sie zu nix.«

      »Also gut, wie Sie wollen. Ein rechter Quälgeist sind Sie schon, Herr Doktor.«

      »Ja, mag sein, allerdings nur zum Besten meiner Patienten…«

      Als Max wenig später den Erbhof verlassen wollte, wartete Valerie am Gartenzaun auf ihn. Sie fragte: »Darf ich Sie zum Hüttel bringen? Ich hab’ eben ein bissel gespitzt und ihr Gespräch mit dem Vater mitbekommen. Ihm fehlt doch nix Ernstes?«

      »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ist Ihr Vater denn nicht in ärztlicher Behandlung?«

      »Na, davon will er nix wissen. Ärzte sind für ihn alle Scharlatane.« Sie lächelte. »Das dürfen Sie bitte net persönlich nehmen. Aber der Vater glaubt nun mal, daß er allerweil alles im Griff haben muß. Er würde es nie zugeben, wenn es ihm schlecht geht, er krank ist.«

      »Das habe ich mir schon gedacht. Ihr Vater ist wohl ein Patriarch der alten Schule, Valerie. Ich hatte beim Essen das Gefühl, daß Sie alle ein bissel… Na, wie soll ich es ausdrücken? Daß Sie alle unter seiner Fuchtel stehen.«

      »O ja, leider.« Die hübsche Hoftochter seufzte schwer. »Der Vater wird das Zepter auf dem Hof nie aus der Hand geben. Er bestimmt einfach über alles. Meinen Bruder behandelt er wie einen Knecht. Und mir will er verbieten, den Burschen zu heiraten, den ich lieb hab’. Es ist schon ein rechtes Kreuz mit ihm, das können Sie mir glauben.«

      »Aber Sie sind doch volljährig. Warum gehen Sie net einfach fort und leben Ihr eigenes Leben?«

      »Daran haben der Toni, das ist mein Liebster, und ich schon oft gedacht. Aber es wäre net recht. Sehen Sie, Max, mein Bruder sagt, der Hof ist unser Erbe, das kann man net einfach in den Wind schlagen. Wir haben ebenso das Recht, auf dem Hof zu leben wie der Vater. Und der Meinung bin ich auch.«

      »Das klingt vernünftig. Aber es bedeutet auch eine Menge Kummer für Sie, net wahr?«

      »Ja, leider…«

      Sie waren bei der Sennhütte angekommen, Valerie drückte Max zum Abschied die Hand und gab zu: »Mir ist noch nie ein Mensch wie Sie begegnet, wissen Sie das? Sie sind erst ein paar Stunden da bei uns und wissen schon über alles Bescheid. Mei, wenn der Vater nur ein klein wenig von Ihnen hätte, Max, dann wäre das Leben auf dem Eggerer-Hof schöner, das können Sie mir glauben.«

      *

      Julia Bruckner versorgte zusammen mit Dr. Grete Sörensen einen Kranken, der vor einigen Tagen operiert worden war, und dessen Verbände nun gewechselt werden mußten. Dabei sprachen die beiden Ärztinnen nur fachlich miteinander. Julia vermied es, ein persönliches Wort mit Grete Sörensen zu wechseln.

      Seit die junge Dänin sich auf Holy Spirit aufhielt, hatte sie bereits für eine Menge Wirbel und Aufregung gesorgt. Sie hatte gegen Schwester Mary intrigiert, hatte versucht, Tom Kennedy auf ihre Seite zu ziehen, um Dr. Bruckner von der Station zu vertreiben. Und sie hatte Julia das Leben schließlich so schwer gemacht, daß diese ihr Heil in der Flucht nach Wildenberg gesehen hatte.

      Aus all diesen Gründen war Julia nicht gerade gut auf ihre Kollegin zu sprechen. Nachdem sie ihre gemeinsame Arbeit beendet hatten, wandte sie sich wortlos ab und wollte gehen, doch Grete bat: »Warten Sie, Julia, ich möchte mit Ihnen reden.«

      Nur widerwillig blieb sie stehen. »Was wollen Sie?«

      »Gehen wir ins Ärztebüro, da sind wir ungestört. Bitte, es bedeutet mir wirklich viel.«

      »Also gut, von mir aus«, gab Dr. Bruckner nach.

      Grete Sörensen war eine sehr schöne Frau, doch hinter ihrem makellosen Aussehen verbarg sich ein höchst unsicherer Mensch, dessen Handlungsweise nicht immer nachzuvollziehen war. Nun quälte sie offenbar etwas, und es fiel ihr nicht leicht, es in Worte zu fassen. Julia kam ihr nicht entgegen, sie sah keinen Grund, zu dieser Frau freundlich zu sein, die ihr bereits so viel angetan hatte.

      »Ich schäme mich für mein Verhalten Ihnen gegenüber. Schließlich ist es meine Schuld, daß Sie die Station verlassen haben. Und all die Aufregung, die daraus resultiert hat…«

      »War das nicht Ihre Absicht? Sie haben doch darauf hingearbeitet, mit Tom Kennedy allein zu sein.«

      »Das stimmt so nicht. Ich gebe zu, daß ich am Anfang den Ehrgeiz hatte, Sie zu überflügeln. Aber was dann passiert ist, das lag nicht in meiner Absicht. Die Dinge haben sich irgendwie verselbständigt, alles ist mir über den Kopf gewachsen. Ich wollte nicht, daß es zu alldem kommt, ehrlich!«

      »Wozu erzählen Sie mir das?«

      »Na ja, ich habe gehofft, daß wir vielleicht besser miteinander auskommen, wenn ich…«

      In diesem Moment wurde die Tür zum Ärztebüro aufgerissen, und Tom Kennedy rief: »Julia, kommen Sie sofort mit, ein Notfall!«

      Ohne weiter auf Dr. Sörensen zu achten folgte sie dem Schotten, der bereits zum OP eilte.

      »Was ist denn los? Was ist passiert?« fragte


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