Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman - Sissi Merz


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würde der Toni nie tun«, versicherte das Madel ihm mit Nachdruck. »Du kennst ihn doch und weißt, daß er ein anständiger Mensch ist. Bitt’ schön, Vater, gib uns halt eine Chance. Du wirst sehen…«

      »Das Hüttel scheint gut über den Winter gekommen zu sein«, sagte Valentin und zeigte seiner Tochter so deutlich, daß er ihr überhaupt nicht zugehört hatte. »Ist das erste Mal, daß ich in diesem Jahr hier auffi steige. Wie es ausschaut, treiben sich da heimlich Unbefugte herum.« Er deutete auf ein Taschentuch, das im hohen Gras

      lag. Noch ehe Valerie reagieren konnte, hatte der Bauer es aufgehoben und betrachtete es nachdenklich. »Ich mein’ fast, das ist deins. Bist vielleicht hier droben gewesen?«

      »Freilich net, was soll ich denn da?« Sie gab sich Mühe, unbeteiligt zu wirken, doch der Bauer nahm ihr das nicht ab.

      »Gewiß hast dich mit dem Toni da verabredet, damit ich es net spannen soll.« Er lachte gehässig. »Zu dumm, um ihre sieben Sachen beisammen zu halten. Aber will ihren Vater austricksen.« Er versetzte ihr eine Ohrfeige und fuhr sie an: »Los, ab ins Hüttel. Und daß mir hinterher alles nur so blinkt. Ich komme in zwei Stunden und hole dich ab.« Seine Augen wurden schmal, und seine Stimme klang drohend, als er noch hinzufügte: »Wehe dir, wennst dann net allein bist…«

      Valerie verschwand rasch in der Hütte. Der Schlag brannte auf ihrer Wange, doch es war nicht der Schmerz, der ihr zu schaffen machte, sondern die Demütigung, die damit verbunden war. Immer wieder zeigte der Vater ihr, daß er sie nicht für voll nahm.

      Das Madel war fast fertig mit der Arbeit, als sich jemand der Sennhütte näherte. Sie hörte den festen Schritt, denn sie immer und überall erkannt hätte, und machte einen langen Hals, um aus dem Fenster schauen zu können. Tatsächlich, Valerie hatte sich nicht getäuscht, es war Toni, der da kam. Erschrocken ließ sie das Staubtuch fallen und eilte nach draußen.

      »Schatzerl, da bist ja. Ich hab’ dich schon überall gesucht.« Er wollte sie in seine Arme ziehen, aber sie wehrte ihn ab und mahnte: »Du mußt sofort verschwinden, Toni, der Vater kann jeden Moment kommen, um mich abzuholen. Und wenn er uns zusammen sieht, dann…«

      »Was soll schon passieren? Schließlich weiß er Bescheid über uns. Und er kann sich doch vorstellen, daß wir zwei zusammenhalten. Ich finde, das sollten wir ihm beweisen.«

      »Ach, Toni, du weißt doch, daß das nix bringt. Es wird nur wieder neuen Streit und Unfried geben. Und das will ich net.«

      Der Bursch schaute seine Liebste forschend an. »Ist es dir das net wert? Wollen wir uns weiter ducken und verstecken?«

      Noch ehe Valerie etwas dazu sagen konnte, vergrub Toni die Hände in den Hosentaschen und machte sich davon. Sie wußte, daß sie ihn enttäuscht hatte, und das tat ihr sehr Leid. Aber sie hatte einfach zu große Angst, daß der Vater Toni wirklich vom Hof wies, wenn er sie beide hier oben zusammen antraf. Und das wollte Valerie unter allen Umständen vermeiden. Selbst um den Preis, daß ihr Liebster ihr gram war…

      *

      Max Brinkmeier schaute überrascht auf, als sein Vater das Sprechzimmer betrat. »Stimmt was net? Hast Beschwerden?« wollte er wissen, doch Josef winkte ab. »Mir geht es gut, keine Sorge. Ich wollte dich nur ans Mittagsmahl erinnern. Du weißt doch, daß die Afra es gar net mag, wenn einer zu spät kommt. Außerdem würde ich gerne etwas mit dir bereden.«

      »Ich komme gleich, bin fast fertig.« Der junge Landarzt erledigte noch die letzten Eintragungen in den Patientendateien, dann verließ er seine Praxis und stieg die Treppe zur Wohnung seines Vaters hinauf. Josef und Afra standen in der guten Stube und machten beide erwartungsvolle Gesichter. Max stutzte.

      »Hab’ ich was vergessen? Irgendein Jubiläum vielleicht?«

      »Na, das net. Aber wir haben eine Überraschung für dich, Doktor«, ließ die Hausperle sich vernehmen. »Und die gibt es fei noch vor dem Essen.« Sie warf Brinkmeier senior einen gespannten Blick zu, dieser lächelte und reichte seinem Sohn dann einen verschlossenen Umschlag.

      »Was hat denn das zu bedeuten? Hab’ ich am End’ einen Oscar gewonnen?« scherzte Max ein wenig lahm.

      »Mach’ es halt auf, dann wirst schon sehen.« Josef nickte Afra zu, die unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. »Es war die Idee von der Tina, aber organisiert hab’ ich alles. Und du mußt dir keinerlei Gedanken machen, deine Vertretung steht, zwei Wochen hast zu deiner freien Verfügung. Na, was sagst?«

      »Urlaub auf einer Sennhütten bei Wimbach? Aber wie kommt ihr denn auf so einen Einfall, ich meine…« Der junge Mann klang alles andere als begeistert. »Das ist freilich nett von euch, aber es kommt net in Frage. Ich kann doch jetzt nicht einfach so mal für zwei Wochen verschwinden. Das geht net.«

      »Freilich geht es. Du hast keine andere Chance, Doktor, und Ausreden gelten überhaupt net«, rief Afra resolut. »Dein Vater hat sich sehr angestrengt, um das möglich zu machen. Der Haselbeck übernimmt die Vertretung und wird sich mit deinem Vater abwechseln. Das kannt net abschlagen, weil du nämlich in Urlaub fahren mußt. Wenn einer eine Erholung nötig hat, dann du. Und wir werden dafür sorgen, daß du sie bekommst.« Sie nickte nachdrücklich. »Jetzt wird gegessen!«

      Nachdem Afra die Stube verlassen hatte, fragte Max seinen Vater: »Ist das auch deine Meinung? Denkst wirklich, so ein Urlaub könnte mir helfen? Ich seh’ darin gar keinen Sinn.«

      »Wir haben uns alle ein paar Gedanken gemacht, Bub. Dein Bruder war auch der Meinung, daß du mal abschalten mußt. Wir wissen schließlich, wie sehr dich die Abreise von der Julia getroffen hat. Es hätte wenig Sinn, einfach so weiterzumachen wie bisher. Du merkst doch selbst, daß du die Lust an der Arbeit einbüßt. Also fahr nach Wimbach und spann’ mal ein bissel aus. Du wirst sehen, hernach geht es dir besser.«

      Der junge Landarzt wirkte noch immer unschlüssig, doch er war nicht mehr völlig ablehnend. Allerdings bat Max sich aus, daß er erst mal über diese Reise nachdenken wolle. Sein Vater gestand ihm das eher widerwillig zu. Und Afra war ganz dagegen.

      »Was gibt’s denn da noch zu überlegen? Höchstens, ob du net vielleicht die Anna Stadler mitnehmen solltest…«

      Brinkmeier senior bedachte die Hauserin mit einem strafenden Blick, doch Max ging gar nicht auf ihre Worte ein, er schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Bevor er am Nachmittag zu den Hausbesuchen aufbrach, meinte er aber: »Ich glaube, ich sollte dieses nette Geschenk annehmen. Schließlich habt ihr alle euch was dabei gedacht. Und womöglich wird mir so ein Tapetenwechsel wirklich gut tun…«

      »Recht so, Max, das wirst net bereuen«, war Josef überzeugt.

      Bereits am nächsten Morgen machte Max Brinkmeier sich also auf den Weg nach Wimbach. Die kleine Gemeinde lag etwa fünfzig Kilometer von Wildenberg entfernt in einem malerischen Tal. Die liebliche Landschaft sagte dem jungen Mann auf Anhieb zu. Ein wenig hob sich seine eher trübe Stimmung, während er den Blick über die Schönheiten der majestätischen Bergwelt gleiten ließ. Die himmelhohen Gipfel des Tennengebirges im Norden wirkten ein wenig nähergerückt, der Untersberg grüßte dagegen aus der Ferne. Es war ein sonniger Sommertag, die Vögel zwitscherten fröhlich in der klaren Bergluft. Max fühlte sich wohl, er dankte seiner Familie im stillen, daß sie ihn quasi zu diesem Urlaub genötigt hatte. Als er der schmalen Dorfstraße zum Hof der Familie Eggerer folgte, konnte er auch einen ersten Blick auf die Sennhütte oberhalb des Tales werfen. Winzig klein wirkte sie aus seiner Perspektive, umgeben vom Grün der Matten und Wildwiesen und traulich beschützt von den gedrungenen Gestalten der Bergkiefern. Die Hütte stand für sich allein, doch Max war überzeugt, daß er sich dort nicht einsam fühlen würde. Er wohnte mitten in der Natur, und das hatte ihm schon immer gefallen.

      Als der junge Mediziner wenig später auf dem Eggerer-Hof am Klingelstrang zog, öffnete ihm die Hoftochter. Valerie begrüßte den Gast freundlich und bat ihn ins Haus.

      »Mein Vater ist net daheim, aber wir erwarten ihn bald zurück. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen auch das Hüttel zeigen. Der Weg ist leicht zu finden, es ist net besonders weit.«

      »Ja, wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht,


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