Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman - Sissi Merz


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Lukas. Ich freu’ mich, daß wir uns jetzt besser verstehen. Und deshalb will ich auch ganz ehrlich zu dir sein. Wenn einer käme und die Praxis übernehmen wollte, ich würde net nein sagen. Weißt, als ich nach Wildenberg zurückgekommen bin, da ist’s in erster Linie aus Pflichtgefühl geschehen. Ich konnte und wollte den Vater net im Stich lassen. Er hat schon nach meinem Examen damit gerechnet, daß ich in die Praxis einsteige. Meine Jahre in Afrika, die hat er mir fei übel genommen.«

      »Aber das ist doch alles längst vergessen«, warf Lukas ein.

      »Schon. Und bis vor kurzem bin ich auch mit meinem Leben hier zufrieden gewesen. Obwohl ich was Entscheidendes vermissen mußte. Aber weißt, ich hab’ heimlich immer damit gerechnet, daß die Julia mir folgt. Und als sie dann wirklich gekommen ist, da war ich einfach nur glücklich. Ich hab’ mir schon die Hochzeit ausgemalt. Die Praxis haben wir zusammen geführt, alles war perfekt. Daß ich jetzt wieder allein da stehe, kann ich net akzeptieren. Mein Leben kommt mir so leer und sinnlos vor.«

      »Du bist net allein, Max. Es gibt hier in Wildenberg viele Leut’, denen du wichtig bist. Und deiner Familie sowieso. Schau, wenn ein bissel Zeit vergangen ist, dann wirst…«

      »Eben das glaube ich net, daß die Zeit was ändert. Ich habe zu lange warten müssen auf etwas, das sich nur als Traum, als Luftschloß entpuppt hat. Und damit kann ich net umgehen.«

      Lukas stutzte. »Du denkst doch net daran, nach Afrika zurück zu gehen? Willst wieder im Buschspital arbeiten?«

      Davon wollte sein Bruder allerdings nichts wissen. »Freilich net. Ich laufe der Julia nicht nach, das kommt überhaupt net in Frage. Sie hat es nicht einmal für nötig gehalten, mir ins Gesicht zu sagen, daß sie mich verläßt. Sie hat einfach entschieden, über meinen Kopf hinweg. Daß ich das hinnehmen muß, ich bitter genug. Aber Zugeständnisse kannst von mir keine mehr erwarten. Die Zeiten sind vorbei.«

      »Max, meinst net, daß du zu hart reagierst?« Tina hatte leise die Stube betreten und setzte sich nun zu den Brüdern an den Tisch. Sie lächelte ihrem Schwager lieb zu und versicherte ihm: »Wir verstehen deinen Kummer, und wir sind für dich da, wennst uns brauchst. Aber du solltest die Julia nicht völlig aus deinem Leben streichen. Meinst net, daß das ein bissel unfair wäre?«

      »Unfair? Und was ist das, was sie gemacht hat?«

      »Schau, du bist verletzt und unglücklich. Und das ist ja auch kein Wunder. Ich finde es auch net recht, daß die Julia einfach ohne ein Wort abgehauen ist. Das hätte sie net tun sollen. Aber vielleicht konnte sie auch net anders. Wenn ihr wieder für eine Weile getrennt seid, wird ihr womöglich bewußt, was sie wirklich will. Und wenn sie dann zurückkommt, wird es für immer sein.«

      »Mei, ich weiß nicht…« Dr. Brinkmeier schaute seine Schwägerin und seinen Bruder nachdenklich an, dann beschloß er: »Ich geh’ ein bissel an die frische Luft. Seid mir net böse, aber im Moment würde ich einfach gern allein sein.«

      »Ist schon recht«, versicherte Lukas. »Wir sehen uns nachher noch.« Er schaute seinem Bruder hinterher, und als die Tür hinter ihm klappte, meinte er: »Es ist ärger, als wir gedacht haben. Er denkt daran, alles hinzuwerfen. Daß die Julia einfach fort ist, hat ihm das Herz gebrochen.«

      »Hast was erreichen können?« fragte nun Josef, der eben die Stube betrat. »Ich hab’ den Max weggehen sehen.«

      »Ich fürchte, es geht ihm schlechter als befürchtet.«

      Der alte Landarzt erschrak. »Und was können wir tun?«

      »Ich glaube, der Max braucht einfach mal Abstand zu allem«, meinte Tina. »Wie wär’s, wenn wir ihm einen Urlaub schenken? Er muß ja net weit weg fahren. Schließlich haben wir hier im Berchtesgadener Land die schönste Natur. Aber eine oder zwei Wochen auf einem Hüttel, mitten im Grünen, das würde ihn gewiß aufmöbeln. Ihr wißt doch, wie er die Natur liebt.«

      Josef nickte. »Das ist eine gute Idee. Ich werde mich gleich darum kümmern. Da muß ja einiges organisiert werden.«

      »Brauchst Hilfe, Vater?« fragte Tina gleich, doch Josef winkte ab. Er freute sich, wenn er mal wieder ein wenig gefordert wurde. Der Ruhestand, in den ihn sein krankes Herz gezwungen hatte, wurde ihm beizeiten fad.

      »Das schaffe ich schon allein, keine Angst. Aber ihr dürft dem Max nix verraten. Erst wenn alles perfekt ist, wollen wir ihn vor vollendete Tatsachen stellen.«

      »Und warum? Ich finde, wenn er schon in Urlaub fahren soll, dann muß er das doch zumindest wissen, oder?« Tina schaute ihren Mann an, der abwinkte und mit leiser Ironie behauptete: »Wenn der Max vorher was erfährt, können wir das Ganze vergessen. Kennst ihn doch. In seinem jetzigen Zustand, da vergräbt er sich daheim und hat zu nix mehr Lust. Und zum Wegfahren fehlt ihm ganz gewiß die Energie.«

      Josef war der gleichen Meinung. »Wenn er aber erfährt, daß die Vertretung schon bereitsteht und ein Hüttel in den Bergen auf ihn wartet, ja mei, was will er da machen? Dann bleibt ihm nix anderes übrig, als zuzustimmen.« Brinkmeier senior lächelte angedeutet. »Das hoffe ich zumindest.«

      *

      Drückende Schwüle lag über der kleinen Missionsstation im Hochland von Ruanda, gut fünfzig Kilometer südlich der Hauptstadt Kigali. Schwere bleigraue Wolken hingen über dem tropischen Wald, in dem das Konzert des Lebens an diesem Tag noch lauter und intensiver war als sonst. Jedenfalls empfand Dr. Julia Bruckner es so. Die schöne Ärztin mit dem kastanienbraunen Locken und den himmelblauen Augen rieb sich die Stirn, hinter der ein dumpfer Schmerz pochte.

      Seit Julia wieder in Holy Spirit war, hatte sie bereits alle Gefühlsregungen von Unsicherheit über Skrupel bis hin zum handfesten schlechten Gewissen Max Brinkmeier gegenüber durchgemacht. Als der erste Blitz schwefelgelb über dem Giftgrün des Dschungels aufflammte, erhob die junge Medizinerin sich und trat hinter das schmale Fenster des Ärztebüros. Sie blickte eine Weile nach draußen, wo der Wind auffrischte und es zum ersten Mal an diesem Tag möglich machte, durchzuatmen. Dabei gingen Julias Gedanken auf Wanderschaft.

      Sie dachte an den Tag, als sie nach Wildenberg gekommen war. An das glückliche Strahlen in Max Brinkmeiers Augen, an das wunderbare Gefühl, heimgekommen zu sein. Die wenigen Wochen, die sie im Heimatdorf ihres Freundes verbracht hatte, erschienen ihr im nachhinein wie ein kostbares Geschenk oder ein angenehmer Traum, an den man immer wieder gerne zurückdachte.

      Für eine Weile hatte Julia sich eingeredet, daß sie alles hinter sich lassen und mit Max in Wildenberg glücklich werden könnte. Doch es war nur ein frommer Selbstbetrug gewesen. Dies hier war ihre Welt, die Station, die Kranken, denen sonst niemand half, weil sie arm und unbedeutend waren. Sie besaßen keine Krankenversicherung, sie konnten sich nicht mal ein Busticket nach Kigali leisten. Ohne die Arbeit der Ärzte und der frommen Schwestern in Holy Spirit waren sie hilflos einfachen Krankheiten ausgeliefert, die in Europa mit ein paar Tabletten kuriert wurden, hier aber den Tod bedeuten konnten.

      Bei ihrer Rückkehr nach Ruanda war Julia ihre eigentliche Motivation wieder so richtig zu Bewußtsein gekommen. Und sie war überzeugt gewesen, das Richtige zu tun. Ging es um ihre Arbeit, dann empfand sie diese Überzeugung nach wie vor. Doch ihr Leben, das erschien der jungen Frau momentan wie ein einziges Chaos. Sie vermißte Max schrecklich. Schon ungezählte Male hatte sie den Hörer in die Hand genommen, um ihn anzurufen. Aber dann hatte ihr doch der Mut gefehlt. Sie ahnte, wie sehr sie ihn enttäuscht und verletzt hatte. Und sie fürchtete sich davor, daß er sie abweisen könnte, daß er nicht mehr in der Lage war, ihr zu verzeihen. Eine schreckliche Vorstellung…

      Der Himmel öffnete seine Schleusen, Julia wandte sich vom Fenster ab und kehrte an den Schreibtisch zurück. Sie hatte eigentlich einige Krankenblätter aktualisieren wollen. Doch sie war einfach nicht in der Lage, sich zu konzentrieren. Und die bohrenden Kopfschmerzen machten ihr zudem zu schaffen. Mit einer knappen Bewegung langte sie in eine Schreibtischschublade und nahm ein Pillendöschen heraus. Sie ließ eine Tablette in ein Glas Wasser fallen, als jemand von der Tür her sagte: »Das sollten Sie nicht tun. Es könnte zur Gewohnheit werden.«

      Sie blickte auf und in die hellblauen Augen von Tom Kennedy. Der schottische Hüne mit dem brandroten Haar lächelte


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