Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz
will dich net zwingen, deine Heimat zu verlassen. Du würdest es mir irgendwann übelnehmen. Und dann könnten wir niemals wirklich glücklich miteinander werden.«
»Ach, Toni, mir ist alles einerlei, wenn du net bei mir bist.«
»Ich bin ja bei dir.« Er hauchte ihr ein Busserl aufs Haar und lächelte ihr warm zu. »Du hast Recht gehabt, man kann beim Bauern net mit dem Kopf durch die Wand. Wir müssen ein bissel geschickter vorgehen. Warte nur ab, es wird noch alles gut werden. Ich verspreche dir…«
»Valerie, komm sofort eini! Oder soll ich dich holen?«
»Geh jetzt. Wir reden morgen in Ruh’ weiter. Nach dem Nachtmahl treffen wir uns oben am Hüttel, einverstanden?«
»Ja, ist schon recht.« Sie tauschten ein rasches Busserl, dann eilte das Madel ins Haus. In der Diele wartete der Vater bereits auf sie. Valerie wollte an ihm vorbei, doch er packte sie am Oberarm und herrschte sie an: »Das Knechterl schlägst dir aus dem Schädel, hast mich? Du wirst einen ordentlichen Burschen heiraten, einen, der was vorzuweisen hat. Net so einen Dahergelaufenen mit Löchern in den Taschen, hast mich?«
»Ich hab’ den Toni lieb, und daran kann keiner mehr was ändern, auch du net!« begehrte Valerie auf.
Doch der Alte kannte kein Pardon. Kalt drohte er seiner Tochter: »Einmal seh’ ich dich noch mit dem Kerl, hernach jag’ ich ihn eigenhändig mit dem Hund von Hof!«
*
Anna Stadler, die hübsche Apothekerin von Wildenberg, bediente rasch den letzten Kunden und schloß dann die Ladentür ab. Ihre einzige Angestellte, Susi Angerer, wunderte sich über das Verhalten der Chefin. Sonst ließ diese nie auf die Sekunde genau den Hammer fallen. Dafür mußte es schon einen besonderen Grund geben.
»Kannst heimgehen, Susi, ich hab’ noch was vor und muß gleich weg«, ließ die grazile Blondine ihre Angestellte da auch schon wissen. »Die letzten beiden Fächer räumst dann am Montag ein.«
»Ist schon recht. Darf man fragen, was ansteht?« Susi lächelte keck. »Oder ist die Frage überflüssig?«
Anna verdrehte die Augen. Susi hatte zwar das Herz auf dem rechten Fleck, aber sie konnte manchmal schon sehr direkt sein. Und da nützte kein Ausweichmanöver etwas. Deshalb gab sie ebenso direkt Antwort. »Ich unternehme mit dem Max Brinkmeier eine Kraxeltour. Wir wollen die kurze Route an der Westseite des Untersbergs nehmen.«
»So, so. Kraxeln also. Ja mei, es ist schon eine Schand’, wenn man sich vorstellt, was Sie alles für den Doktor tun. Und er weiß es so überhaupt net zu schätzen…«
»Geh, Susi, jetzt redest einen Schmarrn, das weißt schon. Also, pfüat di, bis Montag.« Anna ging hinauf in ihre Privatwohnung, die über der Apotheke lag. Sie hatte den Laden vor etwas mehr als zwei Jahren von ihren Eltern übernommen. Diese hatten sich auf Lanzarote zur Ruhe gesetzt. Anna war eine tüchtige junge Frau, sie hatte den Laden in Schwung gebracht und auch die Wohnung nach ihren Vorstellungen renoviert. Nun waren die Stuben praktisch eingerichtet, strahlten zugleich aber auch eine gewisse Gemütlichkeit aus.
Während die Apothekerin sich umzog, ließ sie in Gedanken noch einmal die vergangenen Wochen Revue passieren. Nicht mal einen Monat war es her, daß Dr. Julia Bruckner, die Freundin des Wildenberger Landarztes, wieder nach Afrika geflogen war. Und dieser Abschied, der hing Max Brinkmeier noch immer nach.
Der engagierte Mediziner hatte mehr als zehn Jahre in der Entwicklungshilfe gearbeitet. Zusammen mit der schönen Julia hatte er aus einer vergessenen Missionsstation mitten im Dschungel von Ruanda ein funktionierendes Buschhospital gemacht. Vor einiger Zeit war Brinkmeier senior dann erkrankt und nicht mehr in der Lage gewesen, die Landarztpraxis von Wildenberg weiterzuführen. Max hatte es als seine Pflicht angesehen, nach Deutschland zurückzukehren, um diese Aufgabe zu übernehmen. Es war für ihn keine leichte Entscheidung gewesen, das wußte Anna. Schließlich hatte sie die Trennung von Julia Bruckner bedeutet, der Frau, die Max über alles liebte. Und es schien so, als leide nicht nur er unter dieser Trennung. Vor einer Weile war Julia plötzlich in Wildenberg aufgetaucht. Für alle Beteiligten schien da klar zu sein, was die Zukunft bringen würde.
Anna Stadler, die heimlich in den feschen Landarzt verliebt war, hatte die beiden bereits vor dem Traualtar stehen sehen. Aber dann war es doch anders gekommen. Dr. Tom Kennedy, ein schottischer Arzt, der ebenfalls auf der Station in Afrika arbeitete, war in Wildenberg erschienen und hatte Julia überredet, ihn wieder nach Holy Spirit zu begleiten.
Für Max Brinkmeier war das ein schwerer Schlag gewesen, von dem er sich noch längst nicht wieder erholt hatte. Zunächst war er unendlich enttäuscht und wütend gewesen. Mittlerweile hing er total durch, wie Anna das für sich nannte. Der Mediziner mit Leib und Seele schien den Spaß an seiner Profession verloren zu haben. Er versah seine Arbeit nach wie vor gewissenhaft, kein Patient konnte sich über ihn beschweren. Aber der Spaß daran, Menschen zu helfen, die Lebensfreude schienen Max abhanden gekommen zu sein.
Anna hatte sich in den vergangenen Wochen sehr bemüht, den jungen Mann wieder aufzurichten, ihn ein wenig von seinem Kummer abzulenken und zu trösten. Daß er am Vortag mit der Idee gekommen war, mal wieder zusammen kraxeln zu gehen, wertete sie als positives Zeichen. Und sie freute sich natürlich sehr darauf, endlich mal wieder zu zweit ein paar Stunden in der schönen Bergwelt ihres Heimattales verbringen zu können. Schließlich kannten Anna und Max sich von Kindesbeinen an, und sie hatten sich immer gut verstanden. Sie war zuversichtlich, ihm über seine Krise hinwegzuhelfen. Und sie hoffte zugleich, daß Julia Bruckner in absehbarer Zeit nicht wieder nach Wildenberg kam. Was sie mit ihrer spontanen Abreise verursacht hatte, konnte Anna nun mit viel Geduld wieder ausbügeln…
Als die junge Frau wenig später das Doktorhaus von Wildenberg erreichte, stand Max Brinkmeier gerade neben der Haustür. Er war damit beschäftigt, das alte Türschild wieder anzubringen. Mit finsterer Miene löste er die Schrauben und warf dabei noch einen langen Blick auf das neue Schild. Er hatte es gravieren lassen, als es so aussah, daß Julia bei ihm bleiben, sie auch wieder beruflich an einem Strang ziehen würden. Doch diese Hoffnung hatte sich nun ja in Rauch aufgelöst…
»Hallo, Max. Ich hoffe, du hast unsere Verabredung zum Kraxeln net vergessen«, meldete sich Anna zu Wort, weil der junge Mann gar so selbstvergessen vor sich hin werkelte. Er wandte den Kopf und ein jungenhaftes Lächeln begrüßte sie.
»Anna, schön, daß du kommst. Ich hab’ mir gedacht, bevor wir aufbrechen, stärken wir uns noch. Die Afra hat heut morgen einen feinen Hefezopf gebacken. Und frischen Kaffee gibt es auch.«
»Das klingt ja richtig verlockend. Ich bin dabei!«
»Prima. Einen Moment, ich muß nur noch etwas in die Mülltonne befördern.« Er griff nach dem neuen Türschild, da legte sie eine Hand auf seinen Arm und mahnte ihn: »Das solltest net tun. Man kann schließlich nie wissen, was geschieht. Vielleicht kommt die Julia ja in absehbarer Zeit wieder und…«
Die markante Miene des jungen Mediziners wurde abweisend. »Das glaube ich nicht. Und selbst wenn sie das tun würde, könnte es mit uns nicht einfach so weitergehen wie bisher.«
»Was willst jetzt damit sagen?« Anna erschrak ein wenig über die harsche Ablehnung, die aus Max’ Worten sprach. Doch er gab ihr keine direkte Antwort, verschwand kurz und kehrte dann ohne das Türschild wieder zurück. »Gehen wir auffi, komm!«
Sie folgte ihm mit gemischten Gefühlen. In den vergangenen Tagen hatte es so ausgesehen, als ob Max sich langsam fangen und die neuerliche Trennung von Julia hinnehmen würde. Nun aber gab er sich wieder so verbittert und unglücklich wie am Tag ihres heimlichen Verschwindens. Sollten denn Annas Bemühungen nicht gefruchtet haben? Fast schien es ihr so. Doch sie irrte sich, zumindest was die Seelenlage des Landarztes betraf, das zeigte sich gleich darauf.
Max betrat die Wohnung seines Vaters, bat Anna aber, kurz im Treppenhaus zu warten. Als er zurückkehrte, trug er ein Tablett mit Kaffee und Kuchen und stieg damit noch eine Treppe höher zu seiner eigenen Wohnung. Anna wunderte sich ehrlich.
»Ich dachte, wir trinken zusammen mit der Afra und deinem Vater Kaffee«, warf sie ein.
»Heut