Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz
reicht es noch«, sagte sie zu Tom, der die breiten Schultern hob.
»Wasser auf Ihre Mühle?«
Julia schenkte sich eine Erwiderung, der Schotte gab zu: »Ich fühle mich in gewisser Weise schon schuldig an Ihrem Unglück. Sie sollten wissen, daß ich mit Ihnen fühle. Und wenn die Existenz der Station nicht daran hängen würde, hätte ich Sie nicht aus Ihrem Idyll gerissen.«
»Sehr nett, davon kann ich mir was kaufen.«
»Nun warten Sie mal; ich sage das nicht, um mich bei Ihnen einzuschmeicheln. Es würde mich echt ärgern, wenn dieser Eindruck entsteht. Mir geht es nur darum, ehrlich zueinander zu sein. Ich finde, das ist sehr wichtig.«
»Ja, mag sein. Apropos Ehrlichkeit…« Julia hatte Grete Sörensen bemerkt, die sich in ihrer Nähe
herumdrückte und ganz offensichtlich lauschte. Tom steuerte auf sie zu, nahm ihren Arm und zog sie hinter sich her in den Speisesaal. Die Dänin wehrte sich und protestierte: »Was soll denn der Quatsch? Lassen Sie mich sofort los!«
»Ich habe Sie aber gerne in meiner Nähe, Grete«, erklärte Tom da ruhig. »Dann kann ich besser kontrollieren, was Sie erlauschen und was nicht…«
Dr. Sörensen machte sich mit einer heftigen Bewegung von ihrem Kollegen los, bedachte Julia mit einem giftigen Blick und fauchte: »Na, wunderbar! Da haben sich ja die beiden Richtigen wieder gefunden. Herzlichen Glückwunsch!« Damit rauschte sie geladen von dannen.
»Ganz die Alte«, stellte Julia lapidar fest. »Hätte mich auch gewundert, wenn sie sich wirklich mal ändern würde.«
Tom nickte. »Tja, die Menschen ändern sich eben eher selten. Scheint keinen Hunger zu haben, die Kollegin…«
*
Zwei Wochen später durfte Valentin Eggerer das Spital in Berchtesgaden verlassen. Seine ganze Familie holte ihn ab; Maria, Thomas und Monika mit den Kindern, Valerie und auch Toni. Der Großknecht hatte sich ausschließen wollen, aber das ließ Valerie nicht zu.
»Wenn du net mitkommst, bleibe ich auch daheim«, hatte sie ihn vor die Wahl gestellt. »Ich dachte, wir machen von jetzt an alles zusammen.«
Toni wollte noch immer nicht so recht. »Ich möchte net, daß es gleich wieder einen Streit gibt. Kennst doch deinen Vater. Nachher heißt es wieder, es wäre meine Schuld gewesen. Da bleibe ich lieber auf dem Hof, dann sieht er mich noch früh genug.«
»Also schön, dann fahre ich auch nicht mit.«
»Valerie, ich bitt’ dich…« Toni warf ihr einen widerwilligen Blick zu. »Ich möchte net, daß wegen mir immer eine Mißstimmung bei euch herrscht.«
Das Madel schüttelte ärgerlich den Kopf. »Weißt was, Toni? Du redest einen richtigen Schmarrn daher. Hat es vielleicht in den letzten Wochen eine Mißstimmung gegeben? Der Thomas und du, ihr habt prima zusammengearbeitet. Wenn der Vater das sieht und ihm klar wird, daß er sich wirklich auf euch verlassen kann, dann wird er den Hof übergeben. Und dann können wir auch heiraten. Aber das geht net, wennst dich versteckst und nimmer zu mir stehst. Oder hast schon vergessen, was wir ausgemacht haben?«
Der Bursch lächelte schmal. »Also schön, du hast mich überredet. Ich fürchte, in unserer Ehe werde ich kaum die Hosen anhaben.«
»Na und? Ist doch wurscht. Wer die bessere Idee hat, der soll bestimmen«, meinte Valerie unbekümmert und freute sich, als Toni ihr ein verliebtes Busserl schenkte.
So erschien die Familie Eggerer recht guter Laune und vollzählig im Spital. Und diesmal beschwerte Valentin sich nicht über den »Menschenauflauf«. Er gab sich im Gegenteil nett und verträglich, und man hörte kein rauhes Wort von ihm.
»Er spielt Theater«, war Thomas überzeugt. »Wart’ nur ab, bis wir daheim sind, Monika. Da wird er wieder die Sau rauslassen.«
Die Jungbäuerin war anderer Meinung. »Ich hab’ den Eindruck, als ob dein Vater sich verändert hätte. Er sieht net nur älter aus und hat abgenommen. Es hat für mich den Anschein, als sei er wirklich in sich gegangen.«
Thomas schüttelte mit Nachdruck den Kopf. »Das kannst mir net erzählen. Solange ich ihn kenne, hatte er noch nie eine richtige Einsicht. Der kann sich gar net verändern. Und wenn er mir net persönlich das Gegenteil beweist, werde ich bei meiner Meinung bleiben.«
Monika warf ihrem Mann einen zweifelnden Blick zu. »Also, weißt, Thomas, manchmal erinnerst mich doch sehr an deinen Vater. Die gleiche Sturschädeligkeit.« Er wollte widersprechen, sie nickte. »Und zugeben willst es auch net, um keinen Preis…«
Zurück auf dem Erbhof ließ Valentin Eggerer es sich nicht nehmen, einmal durch alle Ställe zu gehen und durch alle Stuben im Haus. Danach bat er seine Frau, Thomas und Toni zu ihm zu schicken. »Die Madeln können von mir aus auch dabei sein«, gestand er seiner Frau zu, die noch abwartete. »Es geht sie ja schließlich ebenfalls an, was ich zu sagen hab’.«
Maria nickte und wirkte recht zufrieden. Was sie kaum noch zu hoffen gewagt hatte, schien nun endlich eingetreten zu sein. Ihr Mann wurde auf seine alten Tage vernünftig. Die Bäuerin konnte ihr Glück kaum fassen. Bevor sie aber die gute Stube verlassen konnte, richtete Valentin noch einmal das Wort an sie.
»Etwas hab’ ich dir noch zu sagen, Maria. Wegen der Sach’ damals mit dem Knecht, dem Himi; ich weiß schon, daß du da keine Absichten hattest. Der Himi hat dich verehrt, und ich bin fast narrisch geworden vor Eifersucht. Ich hätte es dir net zum Vorwurf machen sollen über all die Jahre, das war falsch. Aber vielleicht können wir die Sach’ ja jetzt noch vergessen.«
»Für mich ist das nie wichtig gewesen. Ich wäre auch net auf die Idee gekommen, daß du mir da was vorwirfst, weil der Himi mich überhaupt net interessiert hat. Schließlich waren damals unsere Kinder noch klein, und wir waren erst ein paar Jahr’ verheiratet. Weißt, Valentin, ich hab’ mich über all die Jahre oft gefragt, warum du so hart und abweisend geworden bist. War das wirklich nur diese dumme Geschichte damals? Das kann ich gar net glauben.«
Der Bauer senkte den Blick. »Es war vielleicht der Anlaß. Aber eigentlich ist es meine Eifersucht gewesen. Ich hab’ allerweil Angst gehabt, dich wieder zu verlieren, Maria. Und wenn einer in deine Nähe gekommen ist, dann hab’ ich rot gesehen.«
Sie schüttelte leicht den Kopf, ehrlich verwundert. »Hab’ ich dir denn jemals einen Grund geliefert?«
»Das net. Aber um eifersüchtig zu sein, da braucht man gar keinen Grund. Es war halt so ein Gefühl, das mir gesagt hat, ich bin vielleicht net gut genug für dich.«
»So ein Schmarrn! Meinst, ich hätte dich dann geheiratet? Aber mit Strenge und Kälte hast nur das Gegenteil erreicht. Mei, Valentin, wennst nur früher einmal so offen und frei mit mir geredet hättest, dann wär’ das Leben auf unserem Hof fei sehr viel schöner und einfacher gewesen, das kannst mir glauben.«
Der Bauer wirkte bekümmert, er atmete tief durch und bat: »Laß uns das doch vergessen. Wir wollen es wenigstens versuchen. Was ich falsch gemacht habe, das will ich an euch wieder gutmachen. Gib mir halt die Möglichkeit dazu, Maria. Dann beweise ich dir, daß jeder Mensch sich ändern kann, wenn er nur will.«
»Also schön, an mir soll es net liegen. Ich hole jetzt die Kinder, dann kannst beweisen, daß du dich tatsächlich ändern magst. So ganz glaube ich nämlich auch noch nicht daran…«
Auch Thomas war und blieb skeptisch. Als sein Vater ihn wissen ließ, daß er beabsichtige, den Hof offiziell zu übergeben, meinte der Jungbauer nur: »Das glaube ich erst, wenn ich die Urkunde in Händen halte.«
»Mei, Thomas, sei halt net so«, bat Monika ihren Mann. »Der Vater zeigt guten Willen. Er wird sich schon an das halten, was er dir versprochen hat. Oder traust vielleicht deinem eigenen Vater nimmer?«
»Laß nur gut sein, Monika, ich kann den Thomas schon verstehen«, erklärte Valentin da zur Überraschung aller. »Ich hab’ dir Unrecht getan, Bursch, das weiß ich selbst. Vielleicht verstehst es, wenn ich dir sage, daß mein Vater mich seinerzeit ebenso behandelt hat. Aber eine Entschuldigung