Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman - Sissi Merz


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in seiner Gesellschaft, wie Peggy ärgerlich feststellen musste. Die beiden unterhielten sich eine ganze Weile, bis die Lehrerin sich endlich entfernte.

      Peggy humpelte dekorativ auf die Bank zu, doch diesmal bemerkte Christian Neumann sie bereits von weitem. Er schaute ihr sehr streng entgegen und fragte: »Was tust du hier, Peggy? Du hast doch jetzt sicher Unterricht.«

      »Ja, aber ich bin vom Sport befreit.« Sie lüpfte ihre Rock und zeigte den blauen Fleck. »Ich habe mich verletzt.«

      »So.« Der junge Lehrer schlug ein Buch auf und ignorierte das Mädchen eine Weile, doch Peggy machte keine Anstalten, zu gehen. Sie setzte sich unaufgefordert neben ihn und rückte dabei recht nahe auf. Als sie Christian dann auch noch kokett zulächelte, sah der den Zeitpunkt gekommen, ihr einmal direkt und ganz offen die Meinung zu sagen.

      Der junge Mann legte sein Buch beiseite und erklärte mit ruhiger Stimme: »Ich würde gerne mal etwas klarstellen, Peggy. Es schmeichelt mir natürlich, dass du meine Nähe suchst und mich offensichtlich gut leiden kannst. Aber ich muss dich bitten, das in Zukunft sein zu lassen. Es bringt uns beide in ein falsches Licht, und kann mir sehr schaden. Hast du das verstanden?«

      Sie schaute ihn fassungslos an. »Sie glauben, ich will Ihnen was Schlechtes? Um Himmels willen, das käme mir nie in den Sinn! Ich habe mir gar nichts dabei gedacht. Ach, ich mache aber auch immer alles falsch! Dabei wollte ich nur in Ihrer Nähe sein, weil ich mich dann nicht mehr so einsam fühle. Bitte, seien Sie mir nicht böse, das könnte ich nicht ertragen!«

      »Aber, Peggy, du übertreibst. Ich bin dir ja gar nicht böse. Ich möchte nur nicht, dass…«

      »Sie hassen mich!« Das Mädchen starrte den jungen Lehrer verzweifelt an. »Alle hassen mich. Ich habe gehofft, dass Sie wenigstens ein klein wenig Verständnis für mich hätten. Aber ich habe mich getäuscht. Ach, es ist alles sinnlos!« Peggy sprang auf und rannte davon, in Richtung des nahen Weihers.

      Christian Neumann überlegte kurz, was er tun sollte. Schließlich entschied er, ihr zu folgen. Sie schien in einem seltsam erregten Zustand zu sein, in dem alles geschehen konnte. Und er wollte nichts versäumen, sich nicht schuldig machen. Dass er genauso reagierte, wie Peggy es gehofft hatte, ahnte er dabei nicht einmal. Eilig lief der junge Mann der Schülerin hinterher. Es dauerte nicht lange, bis er den Weiher erreicht hatte, doch Peggy konnte er nirgends ausmachen.

      »Peggy, wo bist du? Was ist denn los mit dir? Soll ich Frau Schubert holen? Sie könnte mit dir reden…«

      »Ich brauche niemanden«, sagte sie da ganz in seiner Nähe. Christian fuhr überrascht herum. Und im nächsten Moment wurde ihm klar, dass er nicht ganz unrecht gehabt hatte. Peggy saß auf einem Ast der großen Trauerweide, deren lange Blattranken sie ganz verbargen, und der direkt über dem Wasser lag. Sie starrte wie träumend auf den Weiher, wirkte geistig abwesend. Und was sie sagte, passte genau zu diesem Eindruck: »Ich brauche gar nichts mehr. Mein Leben ist ganz sinnlos, weil ich jemanden lieb habe, der nichts von mir wissen will. Wenn ich weg wäre, würde ich niemandem fehlen.«

      »Das ist nicht wahr. Deine Eltern würden dich vermissen, deine Freunde. Du siehst das zu krass, Peggy. Komm einmal von dem Baum runter, dann reden wir vernünftig miteinander.«

      Sie warf ihm einen gleichgültigen Blick zu. »Sie kümmern sich nur um mich, weil Sie Angst haben, dass etwas passiert. Ich bin Ihnen doch vollkommen gleichgültig.«

      »Ich möchte dir helfen, weil ich sehe, dass es dir schlecht geht, du Kummer hast«, erwiderte er diplomatisch. »Nun komm, gib mir die Hand. Und dann unterhalten wir uns mal ausführlich.«

      Peggy zögerte noch kurz, dann ergriff sie aber die Hand, die der junge Lehrer ihr entgegenstreckte. Und im nächsten Moment ließ sie sich in seine Arme gleiten. Sie blickte ihm tief in die Augen und flüsterte: »Ich habe Sie lieb, Christian, mein Herz gehört nur Ihnen. Bitte, schicken Sie mich nicht weg. Ohne Sie ist mein Leben ganz sinnlos…«

      Der junge Mann stellte Peggy auf die Füße und erklärte ihr kategorisch: »Du musst sofort aufhören mit diesem Unsinn. Ich bin dein Lehrer, zwischen uns wird nie etwas sein. Und wenn du nicht in der Lage bist, deine sinnlose Schwärmerei aufzugeben, wird das ernste Konsequenzen für dich haben, Peggy!«

      »Was?« Sie starrte ihn ungläubig an. »Wie können Sie nur so gemein zu mir sein? Ich werde mir das Leben nehmen!«

      »Sei still. All dein Gerede und Getue ist nichts weiter als unausgegorenes Theater. Du weißt noch nichts vom Leben, hast keine Ahnung, in was für eine Lage du mich hier bringst. Und ich warne dich jetzt zum letzten Mal: Entweder wirst du auf der Stelle vernünftig, oder aber ich muss Schritte gegen dich unternehmen. Oder bildest du dir im Ernst ein, dass ich mir mein Leben von einem verliebten Teenager zerstören lasse?«

      Peggy konnte es noch immer nicht fassen. Natürlich war ihr klar, dass es nicht so einfach sein würde, Christian Neumann für sich zu gewinnen. Doch nun hatte er sich als eiskalter Brocken entpuppt. Sie hatte ihre Gefühle an einen Fiesling verschwendet! Aber sie wollte das nicht so einfach hinnehmen. Christian musste für sein mieses Verhalten büßen!

      »Also schön, wie Sie wollen«, erwiderte sie hoheitsvoll. »Ich werde Ihnen nicht mehr zu nahe treten, keine Angst. Aber alles, was noch passieren wird, das haben Sie sich selbst zuzuschreiben, merken Sie sich das!« Damit stolzierte sie hoch erhobenen Hauptes davon.

      Der junge Lehrer atmete halbwegs auf. Er hatte gehofft, um eine solche Rüge herumzukommen, doch es war ja nicht möglich gewesen. Er nahm an, dass Peggy ihn nun endlich verstanden hatte, dass die Sache damit vorbei war. Doch er ahnte auch, dass dieses Mädchen so leicht keine Ruhe geben würde. Sie schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, ihn zu erobern. Und dass sie nun einfach aufgab, war doch mehr als unwahrscheinlich, das musste Christian sich selbst eingestehen, auch wenn es ihm gar nicht gefiel. Kurz dachte er daran, Sabine einzuweihen. Sollte Peggy noch etwas anstellen, wäre seine Frau vorbereitet gewesen. Doch er verwarf diesen Gedanken schließlich wieder. Christian wollte nicht, dass seine Frau grundlos beunruhigt wurde. Er konnte nicht ahnen, dass er ihnen beiden damit eine Menge Leid erspart hätte.

      *

      Tina Brinkmeier näherte sich vorsichtig der Sennhütte. Sie lauschte, hörte aber keine verdächtigen Geräusche. Auch keine Bewegungen waren auszumachen, die darauf schließen ließen, dass sich jemand innerhalb der Hütte aufhielt. Die junge Bäuerin war ratlos. Während sie über die blühende Almwiese schritt, fragte sie sich immer wieder, was das zu bedeuten hatte. Wer mochte die Hütte geöffnet haben, wer hielt sich hier auf?

      Endlich trat Tina in die offene Tür. Sie sah gleich, dass hier jemand kampierte. Direkt neben der Tür lag ein Tourenrucksack auf dem Boden. Das schmale Bett zierte ein Schlafsack. Auf dem wackligen Tisch lagen die Überreste einer Brotzeit. Doch der heimliche Bewohner schien ausgeflogen zu sein. Dass Tina sich geirrt hatte, wurde ihr klar, als sie eine Bewegung wahrnahm. Sie kam vom Bett. Und im nächsten Moment drehte sich jemand im Rucksack um und blinzelte sie verschlafen an.

      Die junge Bäuerin wich automatisch zurück, auch wenn das jungenhafte Gesicht mit dem wirren Haar und den Bartstoppeln nicht unsympathisch wirkte. »Was…« Tina musste sich erst die Stimme freiräuspern. »Was machen Sie hier? Das ist Privatbesitz. Sie können doch hier net einfach wohnen. Wer sind Sie?«

      Der Fremde setzte sich auf, betrachtete Tina eine Weile schweigend. Sie sah, dass er verkrustetes Blut am Kopf hatte. Und an seinen Händen waren bereits verheilte Schürfwunden. Er schien einen Unfall erlitten zu haben.

      »Kann ich Ihnen helfen? Brauchen Sie einen Doktor?«

      »Das sind viele Fragen auf einmal. Ich fürchte, ich kann Ihnen net einmal eine beantworten. Aber wenn Ihnen das Hüttel gehört, dann haben Sie natürlich ein Recht, diese Fragen zu stellen. Und ich will versuchen, Ihnen alles zu sagen, was ich weiß.«

      »Ich bin die Tina Brinkmeier«, stellte sie sich vor und trat ein wenig näher. Der junge Mann hatte eine angenehme Stimme, der positive erste Eindruck, den Tina von ihm gewonnen hatte, verstärkte sich. »Das Hüttel gehört zum Brinkmeier-Hof.«

      »Wie heißt der Ort drunten im Tal?«

      »Wildenberg.


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