Optimierung des Menschen. Группа авторов
Debatte gegenüber.
Gregory Stock hat sein wegweisendes Buch über die Zukunft der Biomedizin „Redesigning Humans. Our Inevitable Genetic Future“ (Stock 2002) genannt. Wie der Titel schon nahelegt, hält er die biotechnologische Entwicklung nicht nur für unaufhaltsam, sondern die Verbesserung und Optimierung der Menschen durch genetische Methoden für erstrebenswert. Wie andere Befürworter der Optimierung der Menschen durch genetische Methoden geht er davon aus, dass ein hoher Anteil der Menschen weltweit einem genetischen Eingriff in die Keimbahn zustimmen würde, sollte dies der Verbesserung der mentalen und psychischen Gesundheit ihres Kindes dienen. Den Anteil derer, die zur Verhinderung feststellbarer genetischer Schäden wie beispielsweise der Disposition zur Mukoviszidose oder anderer schwerer Erkrankungen durch eine genetische Keimbahntherapie zustimmen würden, schätzt er auf 62 bis 81% weltweit. Stock bezeichnet das Stadium, in dem wir derzeit Reproduktionsentscheidungen treffen, als das Stadium der germinal choice technology, der Wegwahl-/Auswahlentscheidungen. Dieses Stadium bezeichnet er als diffus und ungeplant, da damit Ungerechtigkeiten entstehen und für bestimmte Menschen die Möglichkeit der Weiterentwicklung verhindert würde. Anzustreben sei die Überwindung dieses Stadiums durch die Keimbahnintervention, in der weiterzugebende Merkmale in das Erbgut eingebracht, ungewollte Merkmale ausgelöscht würden. Dies sei das Stadium der inheritable genetic modification, das Stadium der Auto-Evolution des Menschen mit der Chance, die menschliche Gattung weiter zu entwickeln.
Interessant ist an dieser bereits am Anfang des neuen Jahrtausends veröffentlichten Position, dass sie die Hinzufügung gewünschter Merkmale und die Inaktivierung unerwünschter Merkmale durch Keimbahneingriffe gleichsetzt, somit also zwischen den heute diskutierten so genannten therapeutischen und den verbessernden Eingriffen in die Keimbahn keinen prinzipiellen Unterschied macht. Auffallend ist des Weiteren, dass die heutige Diskussion über CRISPR/Cas seine Argumentation der Ungerechtigkeit für Menschen, die auf Grund unerwünschter genetischer Merkmale gar nicht geboren würden, aufgreift. Ihre Befürworter betonen, dass damit die Wegwahlentscheidungen in Gestalt des Schwangerschaftsabbruchs nicht mehr nötig seien – Keimbahninterventionen zur Vermeidung der Weitergabe unerwünschter Merkmale würden diese überflüssig machen. Die Möglichkeit der Hinzufügung weiterer Merkmale, also der Enhancement-Eingriffe am Embryo, wird derzeit von den Befürwortern kaum in die Argumentation einbezogen, obwohl sie natürlich nach einer Legalisierung nicht nur möglich, sondern auch naheliegend wären. Stock reiht sich mit dieser Argumentation in die Reihe der früheren Vordenker der Humangenetik und Eugenik ein, auch wenn er diese Tradition für sich verneint und betont, als Bioethiker des enhancement weit von einer Ethik des „breeding“, also der Züchtung entfernt zu sein. Er geht aber, ebenso wie seine historischen Vorbilder, nicht nur von der Verbesserungsfähigkeit, sondern von der Verbesserungswürdigkeit des Menschen bezüglich seiner genetischen Ausstattung aus. Unausgesprochen setzt er damit auch die Determiniertheit des Menschen durch seine genetischen Eigenschaften voraus, und geht davon aus, dass genetische Eingriffe gezielt zur Verbesserung von Merkmalen wie Charakter und Leistung eingesetzt werden können. Die Distanzierung vom Begriff des „breeding“ ist somit reine Rhetorik.
Als einer der Vertreter der Gegenposition sei Francis Fukuyama genannt, ehemaliges Mitglied des Beraterstabes des amerikanischen Präsidenten. Er teilt die Ansicht Stocks, dass die wissenschaftliche Entwicklung und damit die Verfügbarkeit über genetische Zugriffsmethoden auf den Embryo in Zukunft unabwendbar sein werden. Anders als Stock fordert er aber die Regulierung der Anwendung des wissenschaftlichen Fortschritts durch Gesetze und glaubt nicht daran, dass wissenschaftliche Forschung in jedem Falle auch zur Anwendung kommen muss (Fukuyama 2002). Insofern vertritt er eine Position, die auch viele Bioethiker in Deutschland vertreten, die eine Regulierung wollen, die gewünschte von unerwünschten Anwendungen per Gesetz definieren und regulieren soll. Das von Fukuyama umrissene politische Programm zur Regulierung ist wenig befriedigend. Er fordert zwar das Verbot des reproduktiven Klonens, für alle anderen Interventionen in die Keimbahn aber eine ständige, nachgehende Diskussion der Öffentlichkeit und demokratische Entscheidungen durch das Parlament. Er betont die Unterscheidung zwischen sogenannten therapeutischen Interventionen, mit denen die Weitergabe von erblichen Erkrankungen und Belastungen gemeint ist (dies wäre das Beispiel der Inaktivierung des Mukoviszidose-Gens im Embryo) und reinen Enhancement-Interventionen, wie beispielsweise die Implementierung der Fähigkeit zur größeren Lustempfindung, zum Längenwachstum oder zu besonderen Begabungen. Fukuyama ist sich über die Schwierigkeiten einer Grenzziehung zwischen beiden Bereichen zwar durchaus bewusst, er vertraut aber auf den jeweiligen demokratischen Entscheidungsprozess und fordert, dass die Ver- und Gebotsregelungen jeweils demokratisch durch die entsprechenden Gremien entschieden werden.
Diese Position hat Francis Fukuyama in den USA eine erhebliche Kritik eingebracht, insbesondere aus dem konservativen Lager. Ihm wurde vorgeworfen, ein staatlich verordnetes Eugenikprogramm zu vertreten. Dagegen ließe sich einwenden, dass Fukuyama versucht, eine Entwicklung, von der er wie viele seiner Zeitgenossen annimmt, dass sie letztendlich nicht aufzuhalten sein wird, mit legalen Mitteln einzugrenzen und eine pragmatische, wenn auch flexible Form der jeweiligen Begrenzung durchzusetzen. Insofern kann man sein Konzept auch als den Versuch eines verantwortungsgestützten Umgehens mit den Fortschritten der Biotechnologie bezeichnen, mit der aber prinzipiell eingeräumt wird, dass Eingriffe in das menschliche Genom unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht werden können.
Eine philosophisch begründete Antwort
Jenseits dieser beiden Positionen hat Jürgen Habermas eine grundsätzliche Gegenposition formuliert, die auch jenseits theologischer Einwände liegt und die den Titel trägt „Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?“ (Habermas 2001).
Habermas geht von einem modernen Freiheitsverständnis aus, zu dem er aber einräumend feststellt, dass es auf einer „bisher unthematisch hingenommenen Unverfügbarkeit eines kontingenten Befruchtungsvorgangs mit der Folge einer unvorhergesehenen Kombination von zwei verschiedenen Chromosomensätzen beruhe“. Diese Erkenntnis sei erst heute angesichts der Möglichkeiten der genetischen Medizin insgesamt klar zutage getreten. Er räumt damit ein, dass er sich als Mensch, aber auch die Philosophie als Wissenschaft insgesamt relativ spät um die neuen Erkenntnisse der Biologie gekümmert und diese in sein Denken integriert habe. Die Kontingenz, das zufällige Zusammentreffen einer bestimmten Eizelle und einer bestimmten Samenzelle sei aber, so Habermas weiter, die notwendige Voraussetzung für das Selbst-Sein können und die egalitäre Natur unserer interpersonalen Beziehungen. Die Nicht-Programmierung durch andere Menschen sei die Voraussetzung dafür, „dass wir einmalig sind, von allen unterschiedlich und darin gleich“. Die ungeteilte Autorenschaft unserer Lebensgeschichte müsse bei uns selbst liegen. Nur das wäre die Basis einer gleichberechtigten Teilhabe am Diskurs und einer Teilhabe an der Gesellschaft.
Zwei Grundgedanken an dieser Argumentation sind hervorzuheben: Die Argumentation von Habermas hat gewollt oder ungewollt eine individualpsychologische Basis. Diese besteht in der Annahme, dass eine pränatale Merkmalsveränderung ein Eingriff in die „naturalen Voraussetzungen für Autonomie und Verantwortlichkeit“ sei und die Mitautorenschaft des Designers den betroffenen Personen die Möglichkeit nehme, für ihr Leben retrospektiv die alleinige Verantwortung zu übernehmen. Die Bestimmungsmacht der vorangegangenen Generation würde dann verhindern, dass sich die betroffene Person als uneingeschränkt ebenbürtig ansehen kann. Die betroffene Person könne ihre Genzusammensetzung als Folge einer Handlung, die sie den Akteuren auch vorwerfen kann, begreifen. Auch pränatale Eingriffe in die Keimbahn zur Verhinderung schwerer Erkrankungen verwirft er, da die dafür oft herangezogene erwartete Zustimmung der später Geborenen nur kontrafaktisch angenommen werden könne. Die rechtsphilosophische Basis dieser Argumentation hat den Ausgleich zwischen den vertikalen und horizontalen Rechtsbeziehungen im Blick. In der liberalen Tradition gebe es die Wahlfreiheit der individuellen Rechtsperson gegen staatliche Eingriffe. Hier stünde die Abwehr der Gefährdung der vertikalen Beziehung im Hintergrund. Die Freiheitserweiterung durch die humangenetischen Fortschritte, beispielweise in Form eines erweiterten Elternrechts und dem Recht auf die genetische Gestaltung der Kinder, würden aber die Elternbeziehungen zu ihren Kindern vollständig verändern. Aus dieser ursprünglich horizontalen Rechtsbeziehung würde eine vertikale werden, gegen die – ähnlich wie bei staatlichen Eingriffen – die objektive