Optimierung des Menschen. Группа авторов

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      Ist der Mensch verbesserungswürdig?

      Die alten und die neuen Träume der Genetiker

      „Wird es in Zukunft als unmoralisch gelten, die Geburt von Kindern mit gravierenden genetischen Defekten zuzulassen und könnten diese Kinder später rechtlich gegen ihre Eltern vorgehen, weil diese nicht verhindert haben, dass ihre Kinder mit nur einer kleinen Chance auf ein Leben ohne körperliches und seelisches Leid auf die Welt kamen?“ (Watson 2000)

      Diese Frage stellte James Watson im Jahre 2000 in einem Artikel mit dem Titel „Warum wir Gott nicht mehr die Zukunft des Menschen überlassen dürfen“. Die Möglichkeiten der Gendiagnostik und der Gentherapie verändern unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit, unseren Umgang damit und letztlich das Verständnis davon, was der Mensch ist, entscheidend. Sie stärken die Haltung, dass alles machbar ist und lähmen den kritischen Blick auf die Begrenztheit menschlichen Handelns und auf die sozialen und weiterreichenden Folgen einer ungezügelten Technikanwendung.

      Der Diskurs zu dieser Thematik ist auf vielfältige Weise kompliziert – zunächst durch die Komplexität und Ambivalenz der Anwendungsmöglichkeiten. Unstrittiger medizinischer Fortschritt, die Möglichkeit maßgeschneiderter und damit wirksamerer medikamentöser Behandlung des einzelnen Patienten, die personalisierte Medizin, die durch den Fortschritt der genetischen Diagnostik erst ermöglicht wird, verführen dazu, dies allein schon für das unschlagbare Argument für ubiquitäre Anwendungen zu halten.

      Bei aller Euphorie, mit der die personalisierte Medizin diskutiert wird, muss aber kritisch darauf verwiesen werden, dass damit auch die Vereinseitigung des Blicks auf die menschliche Gesundheit als somatische Frage verbunden ist. Die personalisierte Medizin sieht den Menschen gerade nicht als Person, als selbstbestimmungsfähiges Wesen, sondern als Zell- und Organverband und als Träger von Biomarkern. Psychomarker und Soziomarker werden vernachlässigt. Das Verständnis von Gesundheit und Krankheit droht wieder biologisiert zu werden. Kritiker müssen sich allerdings davor hüten, dies als Argument für eine komplette Ablehnung zu sehen, denn die Erfolge der personalisierten Medizin sind nicht zu leugnen.

      Der aktuelle Diskurs zum genome editing durch Techniken wie CRISPR/Cas zeigt ein weiteres Problem – das Angebot immer neuer biotechnischer Lösungen, auch für letztendlich durch die Biotechnologie selbst ausgelöste oder zumindest verschärfte Probleme. So wurde in Deutschland gegen erheblichen Widerstand die Präimplantationsdiagnostik (PID) legalisiert, bei der Embryonen mit einem nicht unerwünschten Genom verworfen, also letztlich getötet werden. Jetzt werben Befürworter von CRISPR/Cas für die Erlaubnis, korrigierende Eingriffe beim Embryo in der Petrischale und damit Eingriffe in die Keimbahn zu machen, mit dem Argument, dies sei humaner als die Verwerfung – und die Gegner sehen sich genötigt, auf das Verbot der PID zu verweisen, die ausreichen würde, um einen Keimbahneingriff zu verhindern.

      Die technische Realisierbarkeit von Keimbahneingriffen zur Verhinderung von Erbkrankheiten, aber auch solcher zur Optimierung menschlicher Eigenschaften scheint durch die Genschere CRISPR/Cas in greifbare Nähe gerückt. Solche Eingriffe in die Keimbahn zur Verhinderung von Erbkrankheiten seien Heileingriffe und keine Enhancement-Eingriffe (also Eingriffe zur Optimierung des Menschen), sagen die Befürworter. Aber wo sollen die Grenzen gezogen werden? Kann der Mensch wirklich zwischen genetischer Therapie und genetischer Verbesserung unterscheiden oder führt die Gleichsetzung des Keimbahneingriffs zur Verhinderung von Erbkrankheiten mit einem Heileingriff zur Verharmlosung und zur leichteren Durchsetzung der alten Vision der Optimierung des Menschen und der „Auto-Evolution“?

      Ist die Eugenik ein Tabu?

      Der Begriff Eugenik wird von Francis Galton, dem Vetter von Charles Darwin, 1883 erstmals mit seiner Schrift „Inquiries into Human Faculty and its Development“ eingeführt. Er definiert Eugenik als „the study of agencies under social control, that may improve or impair the racial qualities of future generations either physically or mentally”. Am Inhalt dieser Definition hat sich über 100 Jahre nichts geändert. Auch Daniel Kevles, der US-amerikanische Historiker und Wissenschaftsjournalist, definiert Eugenik als die „Gesamtheit der Ideen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die Qualität der menschlichen Rasse durch die Manipulation des biologischen Erbguts zu verbessern“ (Kevles 1985).

      Eugenik war stets mehr als die Anwendung biologischen Wissens auf das Erbgut oder seine Manipulation, Eugenik stand stets auch für die Vision, mit dieser Methode gesellschaftliche und soziale Ziele zu erreichen. Hauptakteure dabei waren immer wieder Wissenschaftler, insbesondere Mediziner. Deshalb ist es auch interessant, dass die Eugenik in der Debatte der deutschen Ärzteschaft durch die zwar lange beschwiegenen, aber durchaus bekannten Medizinverbrechen im Nationalsozialismus über Jahrzehnte vollständig tabuisiert wurde, und dieses Tabu auch für die Ablehnung gentechnischer Verfahren in der Medizin in Dienst genommen wurde. Dabei ist mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Nationalsozialismus und dem Nürnberger Ärzteprozess eine Auflösung dieses Tabus sowie eine Annäherung an eine Position, die die genetische Verbesserung des Menschen ethisch nicht mehr prinzipiell ausschließt, festzustellen.

      Interessant ist, dass in der Geschichtsforschung eine fast gegenläufige Entwicklung zu beobachten ist: Das Isolationsparadigma, das die Einmaligkeit der NS-Eugenik betont, diese als Irrweg der ansonsten seriösen internationalen Eugenik-Bewegung sieht und damit einer vollständigen Tabuisierung der gentechnischen Veränderung des Menschen eher entgegensteht, wird zunehmend von einem Kontinuitätsparadigma abgelöst, mit dem eine kritische Bestandsaufnahme des Weiterlebens gedanklicher Grundlagen der Menschenzüchtung und -verbesserung verbunden ist. Einer Annäherung an den Einsatz von keimbahnverändernden Eingriffen steht dieses Paradigma eher entgegen.

      Schon Charles Darwin legt in seinem Werk „The Descent of Man“ 1871 die Grundlage für eine Unterscheidung zwischen einer positiven Selektion durch die Natur selbst und der Außerkraftsetzung dieser positiven Selektion und die Verbreitung der negativen Selektion durch die Kultur und Zivilisation. Charles Darwin ist aber, den Thesen Lamarcks folgend, noch der Ansicht, dass auch erworbene Fähigkeiten des Menschen vererbt und somit die negativen Selektionseffekte der Kultur und der Zivilisation wieder ausgeglichen werden können. Erst sein Vetter Francis Galton widerspricht dem und setzt dagegen, dass sich der Erbanlagenfaktor auf jeden Fall durchsetze. Mit eigenen Familienuntersuchungen und Zwillingsforschungen kommt er zu dem Schluss, dass sich die „Erbminderwertigen“ schneller, die „Erbhochwertigen“ dagegen langsamer vermehren würden. Damit ist der Grundstein für die Eugenik gelegt, und auch für ihr frühes Paradigma, dass die Gesellschaft durch Kultur und Zivilisation degenerieren würde, wenn nicht gegensteuernde eugenische Maßnahmen zur Verbesserung des menschlichen Erbguts unternommen würden. Auch wenn Galton als einer der Stichwortgeber für die nun folgende, sich internationalisierende Eugenik-Debatte gelten kann, sind seine eigenen Vorschläge zur eugenischen Programmatik vage und enden in Eheberatung, Ehebeschränkung für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung sowie der Absonderung von „Gewohnheitsverbrechern“.

      Weiter geht Alfred Ploetz, der in seinen „Grundlinien einer Rassen-Hygiene“ 1895 eine Gesellschaft entwirft, in der das Existenzrecht des Einzelnen dem Maßstab seiner rassischen Erbwertigkeit unterworfen wird (Ploetz 1895). Nur „rassisch hochwertige“ Paare sollten eine staatliche Lizenz erhalten, sich zu vermehren, sogenannte Erbminderwertige sollten von der Fortpflanzung durch Sterilisation ausgeschlossen werden. Schwächliche Neugeborene sollten „ausgejätet“ werden. Dies alles, so Ploetz fast hellseherisch, bis die Genetik die Verlagerung der Selektion auf die Keimzellen ermöglichen würde.

      Ab Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts kann man von einer internationalen Eugenik-Bewegung sprechen. 1896 erlässt der Bundesstaat Connecticut das erste Heiratsverbotsgesetz für Menschen mit Epilepsie, geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung. 1907 wird im Bundesstaat Indiana das erste Gesetz zur Zwangssterilisation aus eugenischen


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