Optimierung des Menschen. Группа авторов
die Position von Habermas dem zunehmenden Trend der Legitimierung keimbahnverändernder Eingriffe nachhaltig etwas entgegensetzen kann, muss sich noch im Diskurs erweisen. Sie ist zwar die einzige Position, die sich wohltuend von Technikgläubigkeit, theologisch begründeter Fundamentalopposition und pragmatisch sich ständig anpassenden Regulierungsvorstellungen abhebt, auf der anderen Seite an bestimmten Stellen aber unklar oder zumindest offen bleibt. So geht Habermas nicht weiter auf die Frage der Forschungsfreiheit ein. Wenn diese aber weiterhin uneingeschränkt gilt – wovon gerade bei und mit Habermas auszugehen ist – dann läuft dies bei einer Ablehnung der merkmalsverändernden genetischen Keimbahneingriffe irgendwann auf weitreichende Anwendungsverbote hinaus, deren große Probleme der Abgrenzung und der Kontrolle er aber nicht weiter thematisiert.
Schlussfolgerungen
Jenseits einer deregulierenden, vorbehaltlos bejahenden Position zu den biotechnologischen Entwicklungen und einer fundamental oppositionellen Position eines Neins zu jeder Entwicklung lassen sich zwei Positionen kennzeichnen.
Position 1 – Gestaltungs- und Verantwortungsübernahme
Diese Position, wie sie beispielhaft von Fukuyama umrissen, aber auch von vielen Realpolitikern in Zukunft vertreten werden wird, differenziert zwischen gewollten therapeutischen und damit vernünftigen und mehrheitsfähigen, von der Bevölkerung gewünschten Eingriffen in die Keimbahn und verbessernden, jeweils den Zeitgeschmack oder der jeweiligen Mehrheitsmeinung nachgebenden Innovationen oder Verbesserungen des Menschen. Ernst zu nehmen ist diese Position deshalb, weil fundamentale Einwände gegen die Verhinderung einer genetisch bedingten Erkrankung dann an Boden verlieren werden, wenn die Treffsicherheit des Eingriffs erreicht und das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen minimiert wäre. Dass dies bisher noch nicht der Fall ist, wie die Diskussion der Off-Target-Effekte von CRISPR/Cas zeigt, kann nicht beruhigen. Die technologische Weiterentwicklung wird solche Risiken wahrscheinlich minimieren können. Einwände oder Grenzziehungen mit dem Argument der noch nicht ausreichend ausgereiften Technologie oder zu hohen Risiken können deshalb immer nur vorübergehende, aufschiebende Wirkung haben.
Die Position der Gestaltungs- und Verantwortungsübernahme birgt allerdings die Gefahr in sich, Ethik und Gesetzgebung laufend der biotechnologischen Entwicklung folgend nachzubessern und anzupassen. Die Grenzziehung zwischen therapeutischen und verbessernden Eingriffen kann, soweit alle bisherigen Diskussionen zeigen, nicht klar gezogen werden. Hinzukommen bei einer solchen häufig bremsenden, aber letztendlich gewährenden Rechtspraxis die sich zuspitzenden Fragen der Gleichheit und der Fairness. So wird die Gesetzgebung beantworten müssen, wie der Zugang zu diesen sich stets weiterentwickelnden Methoden für alle in gleicher Weise gesichert werden soll.
Position 2 – Das Prinzip der Menschenwürde schützt vor genetischen Entscheidungen Dritter
Die Menschenwürde umfasst das Recht auf So-Sein als Basis unserer Freiheit und damit das Recht auf den genetischen Zufall. Es gibt ein Grundrecht, nicht zu einem Zweck ausgesucht oder zusammengestellt worden zu sein. Zugrunde liegt dieser Position die Anerkennung der Diversität als Wesensmerkmal und Stärke des Menschen und als das, worauf menschliche Geschichte und menschliche Weiterentwicklung aufbaut. Diese Position birgt die Gefahr der unkontrollierten Anwendung des genetic enhancements beispielsweise durch ökonomisch privilegierte Schichten in reichen Ländern oder autoritäre, diktatorische Regierungen in sich. Gerade die offizielle Ächtung dieser Methodik könnte zur exklusiven Anwendung in bestimmten Ländern oder gesellschaftlichen Gruppen führen. Dennoch scheint diese auf Habermas fußende Position eine konsistente Begründung gegen nicht rückholbare Eingriffe in den menschlichen Genpool und für die Selbstbeschränkung medizinischen Handelns (nicht alles zu machen, was machbar ist), zu bieten. Dringend erforderlich für diese Position ist aber eine klare Trennung zwischen Erkenntnisgenerierung im Sinne einer nicht restriktiv handhabbaren Forschungsfreiheit der Wissenschaft und der instrumentellen Verwertung in der Genetik. Ob diese Trennung auf Dauer möglich sein wird, wenn der gesellschaftliche Trend zur Verbesserung des Genpools noch stärker wird, ist offen.
Literatur:
Fukuyama, Francis (2002): Our Posthuman Future. Consequences of the Biotechnology Revolution. London, New York: Farrar, Straus & Giroux. Deutsch: (2004 [2002]): Das Ende des Menschen (2. Aufl.). München: DTV.
Galton, Francis (1883): Inquiries into Human Faculty and its Development. London: Macmillan.
Habermas, Jürgen (2001): Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik? Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Kevles, Daniel (1985): In the Name of Eugenics: genetics und the use of human heredity. New York: Knopf.
Ploetz, Alfred (1895): Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen. Ein Versuch über Rassen-Hygiene und ihr Verhältnis zu den humanen Idealen, besonders zum Socialismus. Grundlinien einer Rassen-Hygiene Bd. 1. Berlin: Fischer.
Stock, Gregory/Campbell, John (2000): Engineering the Human Germline. An Exploration of the Science and Ethics of Altering the Genes We Pass to Our Children. Oxford, New York: Oxford University Press.
Stock, Gregory (2002): Redesigning Humans. Our Inevitable Genetic Future. Boston, New York: Houghton Mifflin Harcourt.
Watson, James (2000): Die Ethik des Genoms. Warum wir Gott nicht mehr die Zukunft des Menschen überlassen dürfen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.09.2000.
Weß, Ludger (Hg.) (1989): Die Träume der Genetik. Gentechnische Utopien von sozialem Fortschritt. Nördlingen: Greno.
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1 Die folgende historische Darstellung basiert auf: Weß, Ludger (Hg.) (1989): Die Träume der Genetik. Gentechnische Utopien von sozialem Fortschritt. Nördlingen: Greno.
2 Aus einer persönlichen Antwort von Anton Leist an den Autor in einem Brief vom 4.12.2010.
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