Im freien Feld. Группа авторов

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Schuhsammlung die Vögel! Und wirklich: Ähnlich den tollen Pumps und Sandaletten in Velours und Seide, mit Schuppen beklebt, funkengleich, stoben sie, als wir den beinahe leeren Raum betraten, davon, in das Grün ihrer Gebüsche und das Wurzelwerk hinter der gläsernen Außenwand. Nein, dort waren sie die ganze Zeit über, die Glasbarriere hielt sie ja auf. Sie sahen von draußen in den Raum, aus ihren Verstecken hervor, in diesen Salon, in dem wir uns zusammen mit einer Kollektion von Samtsesselchen in den Farben von Kapuzinerkressen, befanden. Zwischen uns und dem Garten also die Vögel in ihrem durchsichtigen Tunnel. Es mußte irgendwo aber Öffnungen geben, weil ihre Stimmen so quinkilierend um uns herum waren. Auch ein Zischen und Plustern, es dröhnte ja wie vergrößert durch einen Trick an mein Ohr, wohl nur, weil es so viele waren.

      »Rote Tangare«, sagte der Ingenieur, griff meinen Arm und zog mich vor ein rot-schwarzes Feuergeschöpfchen mit weißem Fleck rechts und links vom Schnabel. »Ich habe ihn im Südosten von Brasilien in freier Natur gesehen. Da flatterte er plötzlich. Das ist, mit Verlaub, noch aufregender als hier, zwischen, na, was wird es sein, Ginster, Birke, Hagebutte usw.« Das Tierchen ruckte mit dem Kopf, die Iris umrundete so rot wie das Gefieder seine große Pupille. Es sah mich mit dem einen Auge an, dann mit dem anderen, öffnete den Schnabel zu einer blanken Silbe, blieb jedoch lautlos. »Dort, die gelben, die Webervögel, die gibts in Tansania in Massen, machten immer viel Lärm.« Der Ingenieur verströmte warm brummend in gemäßigter Eitelkeit sein Wissen. Zara aber, vom Braun und Gold ihres Satinkleides umschlossen, lehnte an der Volierenwand und wurde auf einmal selbst ein schlanker Webervogel mit schimmernden Rundungen. Beim ersten Besuch war sie, für ein paar Stunden, in der Mauser, dachte ich, aber offengestanden dachte ich nicht viel, sah auch das meiste nicht richtig an. Ich hörte zwar: »Ach, der rote Kardinal, ein Edel-, ein Karfunkelstein, ein Juwel, ah, ah, ein wunderbarer Sänger, die virginische Nachtigall!« Das war Frau Korf. »Ehemalige Tierpflegerin. Auch in diesem Punkt assistiert sie Zara«, sagte Leo leise hinter mir, und ohne das kostbare Exemplar mit dem wütend zu Berge stehenden Schopf zu beachten und ohne zu erkennen, ob er in dem Stimmengewirr jubilierend oder lamentierend einen piependen Beitrag leistete, herrjeh, lehnte ich um zwei Zentimeter höchstens heimlich den Kopf nach hinten und horchte der mir zugesenkten Stimme nach, dieser verhaltenen, zögernden, ihre Kraft nicht verausgabenden, die jetzt schwieg. Der Mund aber blieb atmend in meiner Nähe, ich schloß die Augen, schwirr, für mich, für mich, mehr war nicht erlaubt: zwei weitere Frauen im Raum!

      »Im Dschungel, in den Urwäldern Südamerikas«, strömte und rollte der Ingenieur gegen die zuckenden, wispernden Laute an. »Ah, der Indigofink!« Sophie ging vor der Glaswand in die Knie und reckte sich dann wieder bis zum Äußersten, weil sie um jeden Preis die sein wollte, die mit den Vögeln zu sprechen verstand, stieß unentwegt Töne aus und ließ dabei ihre Zunge sehen. »Animalische Schauer«, bemerkte Leo mit leisem Lachen an meinem Nacken, ein sehr kleines Stolpern in seiner Stimme, ein Hüpfer, ein Schnauben, kaum hörbarer Seufzer, kein vorgeschriebenes Wort. Vielleicht wurde es so nur von ihm hervorgebracht, auf der gesamten restlichen Welt nie wieder, es kam mir vor, als sähe ich bei diesem kurzen Geräusch aus seiner Kehle zwischen zwei bekannten, von allen benutzten Wörtern einen Schnitt in seiner bleichen Haut, als eine Art Vertrauensbeweis einen messerschmalen blutigen Riß.

      Im Braun mit goldenen Glanzlichtern saß Zara auf dunkelrotem Samt. Sie hatte uns alle im Blick, besonders die auf- und niederwogende Sophie, die schnäbelte und schnalzte, jedes einzelne der grün-gelben, gold-violetten, grün aufflatternden Vögelchen anrief und beschwor, mit Kosenamen pries und sich zwischendurch die eigenen Brüste drückte in hohem Entzücken. Tief hinunter war ihre Haut ohne Absätze gebräunt. Wie ein Federtierchen hielt Zara jetzt einen ihrer Pumps in der Hand, streichelte darüber, bevor sie ihn zurück an den wippenden Fuß steckte. Wollte sie mit diesem Intermezzo das Geturtel der fanatischen Gehilfin äffen? Zara: »Die Vögel haben häßliche Füße, die Schuhe können nicht fliegen.« Der Ingenieur machte unterdessen Vorschläge zur Steigerung der Urwaldillusion, eine Sache auch der raffinierten Beleuchtung! Den Vögeln würde es behagen und zugute kommen. Er schleppte einen Sessel für Sophie heran, der Wichtige, in zimtfarbenem Überzug. Verblüfft nahm sie in ihrer Schwärze darauf Platz. Nun war sie zusammen mit dem Möbelstück ein einziger Riesentukan oder weiß der Teufel was. Damit hatte ich für eine Weile der Gesellschaft und Gemeinschaft der schwätzenden, pfeifenden Vögel – Töne wie gefärbt, wie gelbe, grüne Inselgruppen im Zimmer stehend und zerberstend, wir alle wurden kaleidoskopartig durcheinandergewirbelt, standen, Muster bildend, still und trennten uns als bunte Partikel – genug Aufmerksamkeit gewidmet. Ich sah noch, daß der Abenteurer sich beim Erklären recht tief über Sophies Ausschnitt beugte und die den Oberkörper aufbäumend zurückwarf in empörter oder begeisterter Erwiderung. Die Zeichen: nicht eindeutig, aber großartig.

      »Ich will Ihnen«, murmelte Leo hinter mir, niemand konnte mir vorwerfen, ich würde den Blick nicht von ihm wenden, ich bewegte mich nicht, blickte geradeaus in die Volieren mit den zuckenden Federleibchen, den Farbtupfern und Gesangsmeistern, »ich will Ihnen, auch wenn ich diese Tierhalterei eigentlich verabscheue, warum bleibt sie nicht bei ihren Schuhen und Büchern« – ich gab vor, animiert in die Käfige zu schauen – »Ich will Ihnen« fing Leo wieder an, machte eine Pause, ich stellte mir vor, diese Stimme eine Nacht lang neben mir zu hören, durchtupft von zierlichem Vogellärm, im Dunkeln, und ich wollte zufrieden sein, neben dieser Stimme ausgestreckt zu liegen, mit ein wenig Licht auf dem Bett, nur schwach, nichts weiter, »zwei wunderbare Imitatoren zeigen, jedenfalls lernen sie schnell, wenn sie bei Laune sind.«

      Er führte mich zu einem Vogel, grün glänzend, als läge Abendsonne auf seinen Federn, und dort, wo sein Gesicht gegen den Körper abgegrenzt war, lief ein goldener Schein herum, stand dort wie zwischen dem grünen Gartenabend und schwarzer Nacht, denn Gesicht, Augen, Schnabel prangten in Sophienschwarz. Nur unterhalb des Schnabels rahmten ihn zwei Indigoflecken, am Flügelansatz blitzte Türkis, als trüge er unter den Flügeln ein noch imposanteres Kleid. Den langen spitzen Schnabel preßte er zusammen. »Himalaja. Ein Goldstirnblattvogel.« Zwei kleine braune Kollegen einer anderen Sorte flitzten vorbei. »Singt sehr schön.« – »Ziküth, ziküth«, flüsterte ich ihm vor, »idudidu«. Der Vogel drehte so abrupt den Kopf von mir weg, daß ich mich vor Leo schämte wegen meiner Ungeschicklichkeit. »Der andere Nachsprecher ist der Hirtenstar, Trauermainastar.« Dunkelbraunrosig saß er auf einem Ast und hielt ebenfalls das gelbe Schnäbelchen eisern geschlossen. Alle Vögel lärmten, nur diese beiden blieben feindselig stumm.

      Sei Shōnagon (um 966–1025)

      Der Kakadu ist zwar ein Vogel aus dem fernen Ausland, aber sehr interessant. Er soll nämlich nachsprechen können, was wir Menschen sagen.

      Nachtigall, Ralle, Schnepfe, Lachmöwe, Zeisig, Schnäpper.

      Wenn ein Fasan auf Partnersuche geht, genügt es angeblich, ihm einen Spiegel vorzuhalten. Eine solche Einfalt ist wirklich rührend! Mir tun die Fasanen schon leid, wenn Männchen und Weibchen einmal durch ein Tal voneinander getrennt sind.

      Der Kranich ist von imposanter Gestalt, und sein Ruf soll bis zu den Wolken empordringen. Höchst eindrucksvoll!

      Sperlinge mit rotem Kopf, Kernbeißermännchen, Zaunkönig.

      Reiher sind kein schöner Anblick. Schon ihre Augen blicken so unheimlich drein, das macht sie mir unsympathisch. Aber schön ist das Gedicht von den streitenden Reihern im Walde Yurugi, die nicht partnerlos schlafen wollen.

      Bei den Wasservögeln finde ich die Mandarinenten besonders ergreifend. Sie sollen einander im Schlafnest den Reif vom Gefieder streifen.

      Regenpfeifer sind ausgesprochen niedlich.

      Über den Buschsänger werden wunderschöne Gedichte verfasst. Sein Gesang ist ebenso nobel und hübsch wie sein Gefieder. Es ist jammerschade, dass man ihn im Kaiserpalast niemals singen hört. Als mir das einmal jemand sagte, dachte ich, das sei doch gar nicht möglich, aber während der ganzen zehn Jahre, in denen ich dort Dienst tat, habe ich seinen Ruf tatsächlich nicht ein einziges Mal vernommen, obwohl ich immer gut darauf achtgegeben habe. Wirklich! Dabei wäre der Rotpflaumenbaum nahe dem Bambus doch ein geeigneter Ort, zu dem der Buschsänger ohne Weiteres kommen könnte. Verlässt man den Palastbezirk, kann man ihn selbst in den kümmerlichsten Pflaumenbäumen


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